BLKÖ:Sinzendorf, Georg Ludwig

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Sinzendorf, Joachim
Band: 35 (1877), ab Seite: 17. (Quelle)
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11. Georg Ludwig (geb. 17. Juni 1616, gest. 14. Dec. 1680). Von der Fridau’schen Linie. Ein Sohn Pilgram’s (III.)[WS 1] Frhrn. von S., aus seiner Ehe mit Susanna Gräfin Trauttmansdorff. Begann seine öffentliche Laufbahn als Kammerherr des Kaisers Ferdinand III., wurde dann Hofkammer- und geheimer Rath, und übernahm darauf die Stelle des Obersthofmeisters bei dessen dritten Gemalin Eleonore von Mantua. Im Jahre 1657 ernannte ihn Kaiser Leopold I. [18] zum Hofkammer-Präsidenten. Im Jahre 1653, nachdem er die freie Reichsherrschaft Tannhausen käuflich erworben, wurde er auf dem Reichstage zu Regensburg auf der schwäbischen Grafenbank in den Reichsrath eingeführt, 1654 mit dem Reichs-Erb-Schatzmeister-Amte belehnt. Er war wirklicher geheimer Rath, Kammer-Präsident und Ritter des goldenen Vließes. Als Kammer-Präsident hatte er die Leitung des Finanzwesens in Oesterreich unter sich. In dieser Eigenschaft hat er durch Unterschleife aller Art sein Andenken geschändet. Zwanzig Jahre lang hatte er in dieser so wichtigen Stellung sein Unwesen getrieben. Als er den Posten antrat, besaß er nichts, als aus der Heirath mit seiner ersten Frau, einer geborenen Jörger, zwei mittelmäßige Güter, allmälig war er zu einem großartigen Güterbesitz gelangt und Eigenthümer der Herrschaften Fridau, Einöd, Hasenbach, Gföhl, Maienburg, Rennersdorf, Sitzendorf, Wolpersdorf und Traismauer. Das Geheimniß einer für ihn – aber leider nicht für den Staat – so segensreichen Verwaltung enthüllt uns Johann Graf Mailath in seiner „Geschichte Oesterreichs[WS 2]“ [Bd. IV, S 177]. Sinzendorf besetzte nämlich alle Stellen mit seinen Creaturen, verbuchte die eingelaufenen Gelder nur zum Theil und wußte durch Bestechungen jede Revision zu vereiteln. Die Aemter und Stellen, welche Souveräne an würdige Männer und ihre Günstlinge zu verleihen pflegen, verkaufte er nach Belieben, alte Staats- und Hofschulden brachte er um einen Spottpreis an sich, um sie sich dann in ihrem vollen Nennwerthe auszahlen zu lassen. Um diesen amtlichen Mißbrauch und diese Gaunereien zu verdecken, geriethen ganze Bände der amtlichen Schuldbücher „in Verstoß“, ohne daß der Thäter zu eruiren war, wenngleich der Hofkammer-Rath und Vice-Präsident Johann Quentin in einer Klageschrift deutlich auf den Urheber hinwies und beiläufig die Summen angab, um welche der von Haus aus mittellose Hofkammer-Präsident sich bereichert haben sollte. Aber nicht Quentin allein, auch der erste Minister des Kaisers, Fürst Lobkowitz, erklärte offen dem Kaiser, daß das Verbleiben Sinzendorf’s im Amte nicht nur den Ruin der Finanzen, sondern den Untergang des Staates zur Folge haben müsse, denn die Armee erhalte keinen Sold und befinde sich in einem Zustande, der ihre Schlagfertigkeit geradezu unmöglich mache. Endlich war der Kammer-Credit so erschüttert, daß Niemand mehr dem Fiscus creditiren wollte. Immer hatte der Kaiser gezögert, den Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Nun aber war die Aufregung der Gemüther auf’s höchste gestiegen, die öffentliche Meinung, die den Grafen rückhaltslos als einen Betrüger bezeichnete, mußte befriedigt werden und der Kaiser ließ zuletzt dem Gesetze seinen Lauf. Der Graf wurde inmitten eines Festes, das er mit den für die Armee des Prinzen Eugen von Savoyen angewiesenen und unterschlagenen Summen in feenhafter Weise in Scene gesetzt, verhaftet und in Anklagestand versetzt. Die Untersuchungs-Commission wurde der in der Residenz über die Sache herrschenden Aufregung wegen nach Linz versetzt und am 9. October 1680 trat das Gericht zusammen. Die Anklage bezog sich auf folgende Puncte: Mißbrauch der Amtsgewalt, Meineid, Diebstahl, Unterschleif und Erpressung [criminis falsi concussionis furti, peculatus, perjurii, repentundarum neglecti et male administrati ufficii], das Urtheil aber lautete: 1. der Inquisit Graf Georg Ludwig von Sinzendorf soll Ihrer Majestät 1,970.000 Gulden restituiren und erlegen; 2. aller Aemter entsetzt sein; 3. an einem Ihrer Majestät beliebigen Orte privat leben, und 4. soll es dem Fiscus vorbehalten sein, wegen der noch nicht genügsam erläuterten Puncte und was noch ferner Neues vorkommen möchte, wider den Inquisiten zu agiren. Der Graf überlebte diese Schmach nicht lange, denn Mitte December d. J. starb er, 64 Jahre alt. Seine Witwe, seine zweite Frau, Dorothea Elisabeth Prinzessin von Holstein [8] eine prunksüchtige, verschwenderische Dame, die durch ihre Verschwendung nicht unwesentlichen Antheil an des Grafen Verbrechen haben mochte, erhielt durch die übergroße Gnade des Kaisers zu ihrer und ihrer Kinder Erhaltung und Erziehung einige Güter zurück. Des Grafen Kinder stammten nur aus dieser zweiten Ehe. Der älteste Sohn Christian Ludwig war vor dem Feinde geblieben, nachdem er um mehrere Jahre des Vaters Schande überlebt. Der zweite, Philipp Ludwig [siehe diesen Nr. 20], erlangte die höchsten Aemter und Würden, und die einzige Tochter Marie Leopoldine vermälte sich mit Friedrich Wilhelm Prinzen von Hohenzollern-Hechingen. [Neue freie Presse (Wiener [19] polit. Blatt) 1865, Nr. 440, im Feuilleton: „Oesterreichische Finanzbeamte“. – Fremden-Blatt. Von G. Heine (Wien, 4°.) 1865, Nr. 271. Beilage I: „Ein Verbrecher aus der vornehmen Welt“. – Vaterland, das (Wiener polit. Blatt, gr. Fol.), 1870, Nr. 79, im Feuilleton: „Graf Georg Ludwig Sinzendorf“. Von Franz Favre. – Porträte. 1) C. Borcking sc. (kl. Fol.). – 2) Fr. v. de Steen sc. (kl. Fol.)]. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Pilgram’s (II.).
  2. Vorlage: Oesterrreichs.