ADB:Bürkel, Heinrich

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Artikel „Bürkel, Heinrich“ von Friedrich Pecht in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 623–624, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:B%C3%BCrkel,_Heinrich&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 09:52 Uhr UTC)
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Bürkel: Heinrich B., Genremaler, geb. 29. Mai 1802 zu Pirmasenz in der Rheinpfalz, † zu München 10. Juni 1869, gehört zu den frühesten Vertretern des Realismus in der Münchner Schule und nimmt einen hervorragenden Platz unter den Darstellern des niedern Volkslebens ein, sowol durch die Eigenthümlichkeit seiner kerngesunden humoristischen Auffassung desselben, als durch den Reichthum seiner Erfindung und seiner ungeheuern Fruchtbarkeit. – Unbemittelter Familie entstammend, verrichtete er nach Besuch der Volksschule erst Schreiberdienste und vermochte erst mit 20 Jahren so viel Unterstützung zu finden, daß er nach München kommen und sich dort ganz der Kunst widmen konnte. Die antikisirende Richtung der damaligen Akademie unter Langer konnte ihn nicht befriedigen, er verließ sie daher bald und studirte vorzüglich nach Philipp Wouvermann, dessen Stil er sich fast vollständig angeeignet und mit ungewöhnlichem Geschick die Darstellung des modernen, besonderes oberbaierischen und italienischen Volkslebens in ihn übertragen hat. Ohne dies Vorbild in Feinheit der künstlerischen besonders coloristischen Durchbildung jemals zu erreichen, leistete er doch auch darin für seine in dieser Beziehung arg verwahrloste Zeit ganz Vorzügliches, kommt ihm an Reichthum in der Erfindung der Motive fast gleich und übertrifft es sogar beinahe an derb komischem Humor sowie an Mannigfaltigkeit der freilich sehr viel roher wiedergegebenen Charaktere und Situationen. Neben Wouvermann, dessen Form der Darstellung, System des malerischen Arrangements, bis selbst auf die Größe der Figuren er durchaus treu bleibt, haben noch Wynants und Berghem, endlich P. Potter und Van der Velde, deren Wiedergabe des Viehs er speciell studirte, Einfluß auf ihn ausgeübt, von Zeitgenossen besonders der etwas ältere Peter Heß. Steht er diesem an Feinheit der künstlerischen Durchbildung und Strenge der Zeichnung nach, so übertrifft er ihn dagegen weit an körnigem Humor und Fruchtbarkeit. Das Leben ländlicher Handwerker, Bauern und Jäger, Hirten, Schwärzer und Wilderer, des vielen herumziehenden Gesindels aller Art lieferte ihm seine Stoffe, unter denen sich ländliche Feste, Schießen, Jagden, Wirthshausscenen, besonderss aber auch das Alpenleben durch die gesunde und wenn auch durchweg niedrigkomische doch keineswegs poesielose und überaus wahre Auffassung hervorthun. Die oberbaierische Hochebene und das Gebirge geben den oft mit großer Feinheit und schlichtem, reinem Naturgefühl dargestellten oft auch zu ganz selbständigen Landschaftbildern verwandten Hintergrund, den er fast immer kühl und wie die Figuren mit klarer, dünner Farbe und spitzem Pinsel, aber viel malerischer Freiheit und echt künstlerischem Gefühl behandelt. In diesen Eigenschaften übertraf er seine meisten Zeitgenossen so weit, daß es bald unerläßlich war in jeder Sammlung einen B. zu besitzen, den man in der Regel, wenn er aus seiner guten Zeit 1830–50 stammt, auch heute noch mit Vergnügen betrachten wird. Schon 1829 ging B. nach Rom, wo er zwei Jahre blieb und von da an das italienische Volksleben bald fast mit derselben Virtuosität darstellte wie das baierische. Freilich zunächst [624] von der Floh- und Wanzen-, sowie von der Spitzbubenseite, aber der trocken humoristische Realismus seiner Auffassung Hesperiens bildet einen sehr berechtigten, wenn auch einseitigen Gegensatz zu den verschönernden oder doch adelnden Darstellungen eines Leopold Robert, Hebert, Winterhalter u. a. m. Besonders seine Campagnebilder mit Staffage von Transporten gefangener Spitzbuben, oder wandernden Bettelmönchen, Marketender etc. sind sehr charakteristisch. Bürkel’s von der derbsten Gesundheit, dem unermüdlichsten Fleiß unterstützte Fruchtbarkeit war trotz der minutiösen Ausführung seiner Bilder unermeßlich, noch bei seinem Tode hinterließ er gegen 400 halb und ganz vollendete Arbeiten außer unzähligen Studien. Hat man die Schönheit bei ihm nicht in der Darstellung der durchweg niedrig aber scharf gegriffenen Charaktere zu suchen, sondern im Gesammtarrangement, dem Reichthum der malerischen Erfindung, der gesunden, ja oft ganz reizend frischen Naturempfindung seiner Bilder, so sichern ihm diese Eigenschaften trotz seinem besonders in späteren Jahren oft gar zu mageren Vortrag dennoch einen ehrenvollen Platz unter den modernen Künstlern, machen ihn zu einem der vornehmsten Mitbegründer der heutigen, halbidyllischen, halb humoristischen Seite der Genremalerei.