ADB:Bach, Friedemann

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Artikel „Bach, Friedemann“ von Heinrich Bellermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 743–744, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bach,_Friedemann&oldid=- (Version vom 27. März 2024, 15:46 Uhr UTC)
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Bach: Wilhelm Friedemann B., berühmter Musicus, auch der Halle’sche B. genannt, war Joh. Seb. Bach’s ältester Sohn aus dessen erster Ehe mit Maria Barbara geb. Bach. Er ist 1710 zu Weimar geboren, (sein Geburtstag ist nicht bekannt), † 1. Juli 1784 zu Berlin, In seiner Jugend hat er eine sorgfältige musikalische und wissenschaftliche Bildung erhalten; der Vater hielt ihn für den zur Musik begabtesten unter seinen Söhnen und bestimmte deshalb die Kunst zu seinem Lebensberufe. Nachdem er 1717 mit dem Vater nach Cöthen und dann nach Leipzig übergesiedelt war, wurde er Schüler der Thomasschule. Schon vor dieser Zeit hatte der Vater ihm Unterweisung in der Composition und im Clavierspiele gegeben, so daß Friedemann sich bereits in seinem zwölften Lebensjahr eine höchst beachtenswerthe Sicherheit auf dem Instrumente angeeignet hatte. Von seinem 15. Jahre an erhielt er außerdem noch Violinunterricht bei J. J. Graun, dem späteren Concertmeister Friedrich des Großen, und auch auf diesem Instrument soll seine Ferigkeit bald bewunderungswürdig gewesen sein. Ebenso legten die Fortschritte in der theroretischen Musik und in der Kunst des Contrapunktes ein glänzendes Zeugniß für sein hervorragendes musikalisches Talent ab. Zu gleicher Zeit ließ B. aber nicht nach, sich auch in den wissenschaftlichen Schulfächern zu vervollkommnen, so daß er ungefähr 1729 oder 30 befähigt war, die Universität zu beziehen, Marpurg berichtet hierüber in seinen „Histor. krit. Beiträgen“, Bd. I. S. 431: „Nach öffentlicher Valediction von der Thomasschule schritt er zu den höheren Wissenschaften auf der Universität Leipzig, allwo er unter den Proffesoribus Jöcher und Ernesti die Philosophie und insbesondere unter Dr. Rüdiger die Vernunftlehre studirte. Ueber die Institutiones hörte er die Herren Dr. Köstner und Dr. Joachim und bei diesem Letzteren besonders die Pandecten, bei dem Herrn Dr. Stieglitz Wechselrest und bei den Herren Professoribus Haußen und Richter die Mathematik.“ Nachdem B. auf diese Weise sich eine gründliche allgemeine und höchst beachtenswerthe musikalische Bildung angeeignet hatte, bewarb er sich 1733 um die Organisten-Stelle an der St. Sophienkirche zu Dresden, die ihm auch nach einer glänzend bestandenen Probe zu Theil wurde. Dieser Posten erheischte von B. nur das Orgelspiel, nicht die Leitung der Kirchenmusiken. Dem gemäß, war auch das Gehalt gering; doch scheint es, daß B. seine Einnahme durch Privatmusikunterricht in genügender Weise zu vermehren wußte. Ueber seine Verhältnisse dieser Dresdner Periode, sowie über seine Thätigkeit als Componist daselbst ist man allerdings nur sehr wenig unterrichtet. Man nimmt daher an, daß seine uns erhaltenen kirchlichen Compositionen erst aus der folgenden Halle’schen Periode stammen, und daß er in Dresden hauptsächlich Clavierwerke componirt hat. Marpurg berichtet uns ferner, daß er in Dresden seine auf der Universität begonnenen mathematischen Studien mit Fleiß fortgesetzt hat und zwar bei dem „sehr geschickten Commissionsrath und Hofmathematicus Walz“ und daß er namentlich noch die Algebra fleißig geübt habe. B. blieb bis 1747 in Dresden, als in Halle durch Kirchhof’s Tod die Organistenstelle an der Marienkirche frei wurde. Er bewarb sich um diesen Posten und erhielt ihn. Im Juli desselben Jahres trat B. sein neues Amt an, welches er bis 1764 inne hatte. In Dresden scheint B. eine geachtete Stellung eingenommen und ein regelmäßiges Leben geführt zu haben; wenigstens ist durchaus kein Grund vorhanden, das Gegentheil anzunehmen. Während seines Aufenthaltes in Halle zeigten sich indeß Schwächen seines Charakters, welche sein ganzes folgendes Leben in höchst betrübender Weise verbittern sollten. Ein Hang zur Faulheit und Trunksucht stellten sich ein, so daß er häufig seine amtliche Pflicht versäumte. Die Folge davon war, daß er [744] sich wiederholt Zurechtweisungen der Kirchenbehörde zuzog, welche ihm mit Recht einen lüderlichen Lebenswandel vorwarf. Er wurde immer zerstreuter und in sich gekehrter, und auf der anderen Seite in seinen Genüssen immer ausschweifender. Das Verhältniß zu seinen Vorgesetzten war höchst unerquicklich; er gab daher 1764 seine Organistenstelle freiwillig auf. Vergeblich bemühte er sich nach einer neuen Anstellung. Sein Nachfolger im Amte war ein gewisser A. F. Roth und dann ein Herr Rühlemann, welche beide bald hinter einander starben. Da B. inzwischen noch keine neue Stellung gewonnen hatte, so schämte er sich nicht, 1768 sich zum zweiten Male um den von ihm selbst aufgegebenen Organistenposten an St. Marie zu bewerben, indeß ohne Erfolg. Seine Lage wurde immer drückender; er verließ Halle und ging nach Leipzig, dann nach Braunschweig, Göttingen, und schließlich (1774) nach Berlin. Da er es aber mit der Zeit verlernt hatte, zu arbeiten und ein ordentliches Leben zu führen, so hatte er nirgends Glück. In Berlin wurde ihm anfangs durch Kirnberger’s Fürsprache bei der Prinzessin Amalie und bei anderen Musikern manche Unterstützung zu Theil, die er aber in so unehrenhafter Weise mißbrauchte, daß er schließlich gänzlich verlassen dastand, und in dürftigsten und traurigsten Verhältnissen an völliger Entkräftung am 1. Juli 1784 zu Berlin starb. Ueber seine Compositionen vgl. Bitter, s. u. S. 746, Bd. II S. 175 ff. (Kirchen-Compositionen) u. S 230 ff. (Instrumental-Compositionen).