ADB:Bergius, Johann

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Bergius, Joh.“ von Rudolf Schwarze in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 385–388, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bergius,_Johann&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 18:35 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Berghes, Adrian von
Band 2 (1875), S. 385–388 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Bergius in der Wikipedia
Johann Bergius in Wikidata
GND-Nummer 100033970
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|2|385|388|Bergius, Joh.|Rudolf Schwarze|ADB:Bergius, Johann}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=100033970}}    

Bergius: Joh. B. (Berg), geb. zu Stettin 24. Febr. 1587, gest. als brandenburgischer Hofprediger und Consistorialrath zu Berlin den 27. Dec. 1658. Schon sein Vater Konrad Bergius († 1592), Rector des Gymnasiums, dann lutherischer Prediger zu Stettin, hatte wegen seiner Hinneigung zur reformirten Confession mannigfache Angriffe erfahren. Des Sohnes geistige Entwickelung wurde von Verwandten in dieselbe Richtung geleitet. In der reformirten Pfalz vollendete er auf dem Gymnasium illustre zu Neuhausen bei Worms seine Schulbildung und widmete sich sodann dem theologischen Studium auf den Universitäten zu Heidelberg und Straßburg. Weitere Reisen führten ihn nach Danzig, wohin ihn der Ruf des Philosophen Barthol. Keckermann († 1609) lockte, nach Cambridge, wo er zum Magister creirt wurde, dann nach Oxford, endlich nach Paris. Nachdem er hier zwei Jahre in häufigem Verkehr mit den Führern der Hugenotten zu Charenton verweilt hatte, kehrte er 1612 über Holland in sein Vaterland zurück, und gedachte nunmehr sich an der Universität Frankfurt a. O. zu habilitiren. Dieser Plan wurde durch den damals erfolgten Uebertritt des Kurfürsten Johann Sigismund zur reformirten Confession insofern begünstigt, als des B. theologischer Standpunkt den in der Confessio Sigismundi vom J. 1614 enthaltenen Grundsätzen entsprach. So wurde B. 1614 zum außerordentlichen, 1617 zum ordentlichen Professor der Theologie ernannt und fand bald Gelegenheit mit scharfer Feder seinen zwar lutherisch gebliebenen aber friedfertigen Collegen Christoph Pelargus (s. d.), welcher zugleich Pfarrer und General-Superintendent der Mark war, gegen die Angriffe der starren Lutheraner, eines Cramer in Stettin, Schlüsselburg in Stralsund und Hoe von Hoenegg in Dresden zu unterstützen. Schon 1618 berief ihn der Kurfürst als Hofprediger in seine Umgebung, gedachte auch ihn nebst Pelargus zu der Dortrechter Synode zu deputiren; da jedoch beide Theologen wenig Aussicht hatten auf die in streng calvinistischem Sinne geführten Verhandlungen einen entscheidenden Einfluß auszuüben, so stand der Kurfürst auf ihren Wunsch von diesem Plane ab. Auch bei seinem Nachfolger Georg Wilhelm blieb B. in der Stellung als Hofprediger und begleitete ihn alsbald nach Preußen, wo der Hof zwei Jahre verweilte, bis die Belehnung Seitens der Krone Polens erfolgt war. Dieselbe war durch die hier nicht minder als in der Mark herrschende Opposition gegen die Reformirten wesentlich erschwert worden und B. hatte deshalb mehrfach Veranlassung mit den Führern der lutherischen Partei in Königsberg zu disputiren. Seine längere Entfernung von Frankfurt nöthigte ihn endlich im J. 1624, obwol ungern, seine dortige Professur niederzulegen, welche darauf seinem jüngeren Bruder Konrad (geb. 1592) übertragen wurde, doch folgte dieser schon 1629 einem Ruf als Pfarrer an die Ansgariuskirche in Bremen, wo er 1642 gestorben ist. Eine wichtige und ihm durchaus sympathische Aufgabe erwuchs dem älteren B. durch den Anfangs 1631 von Kursachsen nach Leipzig berufenen Convent der evangelischen Stände. Man hoffte hier eine Art bewaffnete Neutralität aufzurichten und dadurch beim Kaiser die Aufhebung des Restitutionsedicts ohne schwedische Hülfe durchzusetzen. Dabei erschien es wünschenswerth auch auf kirchlichem Gebiete eine Einigung der beiden evangelischen Confessionen durch ein Colloquium anzubahnen, welches vorläufig zwar nur als ein privates und daher unpräjudicirliches angesehen werden sollte. Zu diesem wurden von reformirter Seite außer Joh. B., welcher sich in der Begleitung [386] seines Kurfürsten befand, noch der hessische Hofprediger Theoph. Neuberger und der Marburger Professor Joh. Crocius, sowie von lutherischer Seite der sächsische Hofprediger Matth. Hoe und die Leipziger Professoren Polycarp Leyser und Heinrich Höpfner ausersehen. Die gemeinsame Gefahr ließ die Parteien sich näher treten, als je zuvor. Während die Reformirten sich rückhaltlos sogar zu der unveränderten Augsburger Confession von 1530 bekannten und nur begehrten die variata auch nicht zu verwerfen, schien sich auch bei den Lutheranern die Ansicht Bahn zu brechen, daß in den meisten Punkten Einigkeit vorhanden sei und daß die bei den Artikeln 3 und 10 der Confession obwaltenden verschiedenen theologischen Auffassungen den kirchlichen Frieden beider Confessionen nicht ausschlössen. Aber schon nach dem Tode Gustav Adolfs trieben die politischen Verhältnisse Sachsen wieder dem Kaiser in die Arme und zum Prager Frieden. Von neuem warnte Hoe vor der Gemeinschaft mit den Reformirten und wiederholte die früher (in seiner „Augenscheinlichen Probe“, 1621) ausgesprochene Behauptung, daß dieselben in 62 Punkten mit den Türken, in 37 mit den Arianern übereinstimmten. Mittlerweile hatte B. mit anerkennenswerther Selbstverleugnung wenigstens in Brandenburg an der friedsamen Entwickelung der kirchlichen Verhältnisse gearbeitet. Nach dem Tode des Pelargus im J. 1633 beabsichtigte der Kurfürst ihn zu dessen Nachfolger zu ernennen. B. aber, eine neue Erregung der Gemüther fürchtend, wenn er als Reformirter diese Stelle übernähme, schlug zuerst vor, dieselbe unbesetzt zu lassen, später rieth er in dem vor Kurzem eingesetzten Consistorium den weltlichen Räthen auch einige friedfertige Theologen beider Confessionen beizugesellen. Der Kurfürst willfahrte diesem Wunsche, indem er 1637 sowol Joh. B., als auch den lutherischen Propst zu Köln a. S.[WS 1] Joh. Koch zu Consistorial-Räthen ernannte. Noch ein zweites Mal bot sich für B. und zwar unter dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm die Gelegenheit an einem sogenannten Colloquium caritativum Theil zu nehmen, welches Wladislav IV.[WS 2] nach Thorn zusammenberufen hatte. Da in Polen seit 1573 durch die pax dissidentium allen christlichen Religionsparteien die gleichen bürgerlichen Rechte verfassungsmäßig garantirt waren, so mußte der mild gesinnte König schon aus politischen Gründen darauf bedacht sein, zwischen den Katholiken und den zahlreichen Evangelischen in seinen Landen ein friedliches Verhältniß herzustellen, oder womöglich die bestehende Kluft wieder zu beseitigen. Auch an den großen Kurfürsten als Lehnsträger der Krone Polens wegen des Herzogthums Preußen erging die Aufforderung das Colloquium zu beschicken. Obwol er sich über das wahrscheinliche Resultat desselben in Betreff der Vereinigung aller Confessionen keinen Täuschungen hingab, so hielt er doch eine größere Annäherung der Evangelischen unter einander gerade in Polen für erreichbar, wo für dieselbe schon 1570 durch den Vergleich von Sendomir eine Grundlage gewonnen war. Daher entsandte er seinen Hofprediger B. sowie den Professor der Theologie Friedr. Reichel (einen Schwiegersohn des Konrad B., gest. 1653) aus Frankfurt nach Thorn und veranlaßte auch den lutherischen Unionstheologen Georg Calixt aus Helmstädt[WS 3] sich dorthin zu begeben. Das Colloquium, an welchem 28 katholische, ebensoviel lutherische und 24 reformirte Mitglieder, sowie auch der Bischof der mährischen Brüder, J. A. Comenius sich betheiligten, wurde am 18./28. August 1645[WS 4] im großen Saal des Rathhauses zu Thorn durch den Großkanzler Fürst Ossolinski im Namen des Königs eröffnet. Aber es zeigte sich bald, in welchem Sinne die Verhandlungen von katholischer Seite geführt werden sollten, besonders seitdem der Jesuit Schönhof einen hervorragenden Einfluß auf dieselben zu gewinnen wußte. Als erste Aufgabe hatte die Geschäftsordnung eine sogenannte liquidatio oder Darlegung der Lehre verlangt. So wurde denn in der zweiten öffentlichen [387] Sitzung am 6./16. Sept. das katholische Bekenntniß verlesen; als aber ein Gleiches mit dem von B. verfaßten reformirten Bekenntniß geschehen war, verweigerten die Katholiken dessen Aufnahme in die Acten unter dem Vorwande, daß es Angriffe gegen die katholische Kirche enthalte. Ossolinski legte das Präsidium nieder, welches der Castellan von Gnesen, Joh. v. Lesczynski übernahm. Jede fernere Sitzung vermehrte nur die feindselige Stimmung und die Lutheraner konnten nicht einmal mehr die Vorlesung ihrer Liquidation durchsetzen. Trotzdem waren sie weit entfernt, sich den Reformirten zu gemeinsamer Action zu nähern, deren Zugehörigkeit zur Augsburgischen Confession sogar von den Eiferern ihrer Partei, einem Hülsemann, Calov (der 1582 die Verhandlungen des Concils in seiner Historia syncretistica p. 199–560 herausgab) bestritten wurde. So löste sich das Colloquium ohne Erfolge erzielt zu haben auf, nachdem dessen Mitglieder vorschriftsmäßig drei Monate versammelt gewesen und in dieser Zeit 36 Sitzungen, darunter nur fünf öffentliche gehalten worden waren. Hatte B. hier alle seine Hoffnungen scheitern sehen, so durfte er sich bald der Erfolge freuen, welche des Kurfürsten Politik bei dem Abschluß des westfälischen Friedens erreichte. Es ist bekannt, daß es nur seiner Festigkeit zu danken ist, wenn nach langen Verhandlungen, die auch Sachsens Widerspruch noch erschwerte, im siebenten Artikel die Reformirten als innerhalb der Augsburgischen Confession stehend bezeichnet und in den Religionsfrieden aufgenommen wurden. Die Entwickelung, welche bald darauf durch die Betheiligung des Großen Kurfürsten an dem schwedisch-polnischen Kriege die Dinge im Herzogthum Preußen nahmen, wo mit der Lösung des Lehnsverhältnisses von Polen auch die kirchlichen Verhältnisse eine neue für die Evangelischen günstige Basis gewannen, sollte B. nicht mehr erleben. Sein Tod fällt zwischen die blutigen Tage der Schlacht bei Warschau und den Frieden zu Oliva. Die Mehrzahl der von B. herausgegebenen Schriften (Küster, Altes und Neues Berlin I. S. 155 ff. führt deren 56 an) sind Predigten; unter diesen befinden sich die Leichenpredigten über den Kurfürsten Joh. Sigismund (1620) und dessen Wittwe Anna (1625), den Kurfürsten Georg Wilhelm (erst 1642) und dessen Schwiegermutter, die Kurfürstin von der Pfalz, Luise Juliane (1645). Seine Streitschriften wurden meistens durch die Angriffe seiner Gegner hervorgerufen und wenn er auch in einigen der früheren in den herben Ton der damaligen Polemik einstimmte, so wird man doch in Betreff der übrigen sagen müssen, daß er nur gekämpft habe um des Friedens willen. Eben darin liegt seine Bedeutung, daß er mit aller Energie der Ueberzeugung für den Gedanken eintrat, welcher seit dem Kurfürsten Joh. Sigismund die kirchliche Politik der Hohenzollern kennzeichnet, in dem Streite der Parteien weniger die obwaltenden Differenzen, als den gemeinsamen Grund des Glaubens zu betonen und dadurch eine Einigung der beiden bisher getrennten evangelischen Confessionen herbeizuführen. So sind denn auch neben der Confessio Sigismundi das von B. mitunterzeichnete Protocoll des Leipziger Colloquiums von 1631, sowie die von ihm verfaßte Declaratio Thoruniensis von 1645 in den brandenburgischen Landen zu symbolischem Ansehen für die reformirte Kirche gelangt, deren Lehrer bis 1817 darauf verpflichtet wurden. (Ausgabe der drei Bekenntnisse Köln a. S. 1695 u. ö.). Von seinen Söhnen ward der älteste, Georg Konrad B. (geb. 1623), dem Lebensweg seines Vaters folgend, zuerst 1650 Professor der Theologie in Frankfurt, dann 1664 Hofprediger in Berlin und starb daselbst 1691. In die Zeit seiner Amtsführung fielen die weiteren Unionsversuche des Schotten Duräus[WS 5] zwischen Reformirten und Lutheranern, sowie später des Spaniers Rojas de Spinola zwischen Evangelischen und Katholiken. Auf ihren vielfachen Reisen kam jener 1668, dieser 1682 auch nach Berlin. Beide verfolgten den Weg, daß sie nicht die bisher [388] anerkannten Glaubensbekenntnisse, sondern eine neue von ihnen verfaßte Harmonie oder Concordia derselben zur Basis der Verhandlungen machen wollten, an denen B. und sein Amtsgenosse mehrfach Theil zu nehmen veranlaßt wurden. Wenn der Große Kurfürst, dem Gutachten seiner Hofprediger folgend, diesen Plänen gegenüber sich mehr zuwartend und ablehnend verhielt, so hatte er richtig erkannt, daß die Hoffnung auf das Gelingen derselben für seine Zeit eine verfrühte sei.

Ueber das Biographische: Becman, Notitia univers. Francof. 1766. p. 133–163. – Ueber die weiteren Zeitverhältnisse: D. H. Hering, Histor. Nachricht von dem ersten Anfang der evang. reform. Kirche in Brandenburg und Preußen, nebst dessen Beiträgen I. und Neuen Beiträgen II. 1778 bis 1787. – C. W. Hering, Geschichte der kirchlichen Unionsversuche seit der Reformation, 2 Bde., 1836 f. – Fr. Brandes, Gesch. d. kirchl. Politik des Hauses Brandenburg, I. 1872.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vermutlich „Cölln an der Spree“, das später in Berlin aufgegangen ist.
  2. König von Polen; Siehe Wikipedia: Wladislaw IV. (1595–1648)
  3. Heute Helmstedt in Niedersachsen, die Universität existiert nicht mehr
  4. Die gregorianische Kalenderreform von 1582, die zehn Tage übersprang, wurde in protestantischen Ländern erst 1700 übernommen.
  5. Schottischer presbyterianischer Theologe; siehe Wikipedia: Johannes Duraeus (1596–1680)