ADB:Berlichingen, Friedrich Graf von

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Artikel „Berlichingen, Friedrich Graf von“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 389–390, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Berlichingen,_Friedrich_Graf_von&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 16:40 Uhr UTC)
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Berlichingen: Friedrich Graf v. B., geboren in Mannheim am 26. Juni 1826, † in Heidelberg am 23. Mai 1887, war der Sohn des badischen Geheimrathes und Kammerherrn Maximilian Freiherrn v. B., und seiner Gemahlin Gräfin Anna zu Leiningen-Billigheim. Nach dem Besuche des Lyceums seiner Vaterstadt und der k. k. Ingenieurakademie in Wien, trat er 1843 in österreichische Militärdienste, in welchen er sich als Lieutenant und seit September 1848 als Oberlieutenant in vielen Gefechten in Italien und im Feldzug gegen die Insurgenten in Ungarn auszeichnete. Bei Szöregh am 11. Juli 1849 verwundet und bald darauf vom Typhus befallen, blieb ihm als Erinnerung an diesen Feldzug ein lästiges Gehörleiden, aber auch als ehrenvolles Zeugniß seiner hervorragenden Leistungen das Militärverdienstkreuz mit der Kriegsdecoration. Nachdem er, 1851 zum Rittmeister befördert, größere Reisen unternommen und als Escadronchef während des Krimkrieges an der Aufstellung eines Theiles der österreichischen Armee in Galizien betheiligt gewesen war, verlobte er sich in Mannheim mit Gräfin Ebba Sparre und nahm seinen Abschied aus der Armee, durch die Kammerherrnwürde ausgezeichnet. In Mannheim, wo er sich häuslich niederließ, beschäftigte B. sich mit historischen Studien, als deren Frucht er die „Geschichte des Ritters Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand und seiner Familie“, Leipzig, Brockhaus 1861, veröffentlichte. Er war ein unmittelbarer Nachkomme des Ritters Götz, nach dem er auch seinen ältesten Sohn nannte. Vom Kaiser von Oesterreich erhielt B. 1859 den Titel eines k. k. Majors, vom König von Württemberg, in dessen Land er und seine Familie ebenso wie in Baden begütert waren, wurde er in den Grafenstand erhoben. – Als im J. 1860 in Baden eine neue politische Aera auch neue Kräfte in das öffentliche Leben hereinzog, wählte ihn der grundherrliche Adel unterhalb der Murg in die Erste Kammer, der B. von nun an mit kurzen Unterbrechungen bis 1886, 1879 und 1882 durch großherzogliche Ernennung als zweiter, 1883 bis 1886 als erster Vicepräsident, angehörte. Er stellte sich in den meisten Fragen der inneren Politik auf einen grundsätzlich liberalen Standpunkt und scheute auch nicht davor zurück, mit Angehörigen der entschiedenen Linken in Verbindung zu treten, wenn es sich um die Vertheidigung der Volksrechte handelte, bei welcher er ein streitbarer Gegner der Bureaukratie war. Auch hierarchischen Ansprüchen trat B. scharf entgegen, ohne jedoch, als der „Culturkampf“ ausbrach, für die staatlichen Maßregelungen der Kirche und ihrer Diener seine Stimme und seinen Einfluß einzusetzen. Auf dem Gebiete der deutschen Politik stand B. mit seiner ganzen kraftvollen Persönlichkeit im österreichischen Lager, und erst nach dem siegreichen Feldzug von 1870/71 und der Gründung des neuen Deutschen Reiches versöhnte er sich mit der Gewalt der Thatsachen. – In der Ersten Kammer war B. ein eifriger und durch das Feuer seiner Rede und die überzeugungstreue Vertretung seines Standpunktes angesehener und gern gehörter Debatter. Der Bau von Eisenbahnen, besonders auch in den bisher von dem großen Verkehr abgeschlossenen Landestheilen, die Frage der Besteuerung, besonders in ihren Einwirkungen auf die Landwirthschaft, der seine vollsten Sympathien gehörten, das landwirthschaftliche Versicherungswesen, namentlich auf dem Gebiete der Rindvieh- und Pferdezucht, waren die Gegenstände, denen er als Berichterstatter und Redner seine besondere Aufmerksamkeit schenkte. Als Großgrundbesitzer war er ein entschiedener Anhänger und Wortführer einer kräftigen Schutzzollpolitik. Aber es gab kaum eine Frage, die in dem Landtag verhandelt wurde, an der er nicht warmen Antheil nahm, und wo er, obwol stets an seiner Fortbildung arbeitend, des Mangels eines systematischen wissenschaftlichen Unterrichts sich bewußt wurde, verschmähte er nie, Rath und Belehrung der hohen Beamten und gelehrten Universitätsprofessoren, die in der [390] Ersten Kammer seine Collegen waren, in Anspruch zu nehmen. Vor allen schätzte er Bluntschli um der Fülle seines Wissens, der Klarheit seiner Diction, der Achtung des gesunden Menschenverstandes willen. Aber in verba magistri schwor er nie, in gewissen Dingen blieb B. sein Leben lang ein Outsider. Dem hochgewachsenen kräftigen Mann, der, wo er auch war, durch Lebhaftigkeit, anregende Rede, der auch der Humor nicht fehlte, Unbefangenheit im Verkehre mit Hoch und Nieder, der Mittelpunkt des Kreises war, in dem er sich bewegte, seit 1872 auch in Karlsruhe, wo er, wenn er nicht auf seinen Gütern weilte, seinen Wohnsitz hatte, schien ein hohes Alter in geistiger und körperlicher Rüstigkeit in Aussicht zu stehen. Um so lebhafter empfand man in weiten Kreisen die weit klaffende Lücke, als ein heimtückisches Leiden ihn, noch nicht volle 61 Jahre alt, dahinraffte.

Bad. Biographieen IV, 24 ff.