ADB:Bernstorff, Johann Hartwig Graf von

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Artikel „Bernstorff, Graf Johann Hartwig Ernst“ von Karl Lorentzen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 499–504, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bernstorff,_Johann_Hartwig_Graf_von&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 14:03 Uhr UTC)
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Bernstorff: Graf Johann Hartwig Ernst B., geb. 13. Mai 1712 zu Hannover, † 19. Febr. 1772 zu Hamburg, stammte aus einem alten, seit dem [500] zwölften Jahrhundert in Mecklenburg ansässigen Geschlecht. Sein Vater, Joachim Engelke Freiherr v. Bernstorff, war kurhannöverscher Kammerherr; seine Mutter war eine Tochter des Freiherrn Andreas Gottlieb v. Bernstorff, welcher erster Minister des Kurfürsten von Hannover, nachmaligen Königs Georg I. von England war. Er genoß zusammen mit seinem älteren Bruder unter der Leitung des gelehrten Keysler eine sorgfältige Erziehung, durch welche seine vortrefflichen Anlagen rasch und glücklich entwickelt wurden. Er studirte auf den Universitäten Göttingen und Tübingen. Dann machte er in den Jahren 1729 bis 1731 die damals zum Abschluß der Ausbildung übliche Reise durch Deutschland, die Schweiz, Italien, Frankreich, England und die Niederlande. Sein Begleiter war der genannte Keysler, der einen großen Theil der Reise ausführlich in einem schätzbaren Werke beschrieben hat, aus welchem man ersieht, daß der junge B. nicht als gewöhnlicher Tourist reiste, sondern mit offenem Auge die politischen und wirthschaftlichen Zustände, sowie die wissenschaftlichen und künstlerischen Bestrebungen der Länder, die er besuchte, zu durchdringen sich bemühte. Bald nach der Rückkehr von seinen Reisen trat B. in dänische Dienste. Er folgte hierbei einer Einladung der ihm nahe verwandten Gebrüder Plessen, deren damals einer dänischer Finanzminister war. Schon im J. 1732 ward B. mit einer diplomatischen Sendung an den sächsischen Hof nach Dresden beauftragt. Von 1738 an führte er die holsteinische Stimme in der Reichstagsversammlung zu Regensburg und wurde gelegentlich auch zur Erledigung sonstiger diplomatischer Geschäfte bei verschiedenen deutschen Höfen verwendet. Von 1744 bis 1750 war B. dänischer Gesandter in Paris. Durch die ausgezeichnete Art, wie er während dieser Gesandtschaft die Geschäfte führte, hatte er sich in so hohem Grade das Vertrauen der maßgebenden Kreise erworben und die öffentliche Aufmerksamkeit so sehr auf sich gelenkt, daß, als 1750 der hochbejahrte dänische Minister des Auswärtigen, Graf Schulin, starb, die Augen des ganzen Landes sich auf ihn als den würdigsten Nachfolger richteten. König Friedrich V. bot ihm das auswärtige Ministerium an, jedoch B. zögerte, diesen ehrenvollen Antrag anzunehmen. Als Jüngling war er mit dem Prinzen von Wales, dem ältesten Sohn des Königs Georg II., durch die innigste Freundschaft verbunden gewesen und hatte diesem feierlich versprochen, dereinst in seine Dienste zu treten, sobald der Prinz den Thron bestiegen haben würde. Durch dieses Gelübde fühlte er sich jetzt gebunden und stand im Begriff den dänischen Dienst zu verlassen, als im Frühjahr 1751 der Prinz von Wales starb. B., der dadurch seine Freiheit wieder erlangt hatte, übernahm nun das Staatsministerium des Auswärtigen und zugleich das Präsidium der deutschen Kanzlei, d. h. die oberste Leitung der Verwaltung der Herzogthümer Schleswig-Holstein.

Von jetzt an bis 1770 ist B. der leitende Staatsmann in Dänemark, und der gesammten Regierung des Königs Friedrich V. hat er den Stempel seines Geistes aufgeprägt, so daß Friedrich der Große ihn das „Orakel von Dänemark“ zu nennen pflegte. In der auswärtigen Politik, namentlich während des siebenjährigen Krieges, galt ihm als oberster Grundsatz, daß das Interesse Dänemarks die Erhaltung des Friedens erfordere, und mit großer Consequenz beobachtete er deshalb die strengste Neutralität. Von beiden Seiten, sowol von Frankreich und Oesterreich, als auch von England und Preußen waren ihm mehrfache Anerbietungen gemacht. Allein durch keine in Aussicht gestellten Vortheile ließ er sich dazu bewegen, Dänemark in eine active Theilnahme am Kriege zu verwickeln. Im Uebrigen war es sein Lieblingsgedanke, durch eine auf Frankreich sich stützende enge Allianz der skandinavischen Reiche die Unabhängigkeit des Nordens zu schützen und namentlich in der Ostsee das Gleichgewicht gegenüber der wachsenden Macht [501] Rußlands und Preußens aufrechtzuerhalten. In seiner Correspondenz mit dem Herzog von Choiseul ist dieser Gedanke oft und mit Vorliebe entwickelt. Allein wenn Frankreich diesen Plan für seine augenblicklichen kriegerischen Zwecke auszubeuten wünschte, so ließ B. sich dazu nicht hinreißen. Innerhalb dieser Grenzen war er wohlgeneigt, sich Frankreich nützlich zu erweisen. So übernahm er, wenn es gewünscht wurde, das undankbare Amt eines Vermittlers, wie denn unter dänischer Vermittelung am 8. Sept. 1757 die Convention von Kloster Zeven zwischen dem Herzog von Cumberland und dem Marschall von Richelieu abgeschlossen wurde, welche aber, weil Pitt ihr die Ratification versagte, erfolglos blieb. Mit Schweden schloß B. die Convention vom 12. Juni 1756, um die Schifffahrt in den nordischen Gewässern gegen die Dreistigkeit der englischen Kreuzer zu schützen. Er trat auch der zwischen Rußland und Schweden am 9. März 1759 abgeschlossenen Convention bei, um den fremden Flotten, namentlich der englischen, den Zugang zu der Ostsee zu verwehren. Am weitesten ging er in dem mit Frankreich geschlossenen Tractat vom 4. Mai 1758, welchem später Oesterreich beitrat. In demselben verpflichtete sich Dänemark, gegen beträchtliche, von Frankreich und Oesterreich zu zahlende Subsidien eine Armee an der Elbe aufzustellen, um Holstein, Hamburg und Lübeck gegen eine etwaige feindliche Invasion zu schützen. Obgleich dies wie eine an die Adresse Preußens gerichtete Drohung erscheinen konnte, so überschritt B. damit doch noch nicht die Grenzen einer bewaffneten Neutralität, über welche er sich durch keine Verlockungen Choiseul’s hinausdrängen ließ. Die Lebensfrage für Dänemark war damals die Sicherung gegen die Gefahren, welche von Rußland drohten, sobald dort ein Thronwechsel eintrat. Auf diesen Punkt war schon seit lange die ganze Aufmerksamkeit Bernstorff’s gerichtet, und daß er diese Gefahren nicht nur für den Augenblick, sondern auch für die Zukunft auf friedlichem Wege beseitigt hat, ist der größte diplomatische Ruhm seines Lebens.

Es handelt sich dabei um die endliche Beilegung der Streitigkeiten, welche die königliche und die gottorfische Linie des oldenburgischen Hauses so lange in ein feindliches Verhältniß zu einander gebracht hatten. Als im J. 1713 die vormundschaftliche gottorfische Regierung sich mit Schweden gegen Dänemark verbündete, occupirte König Friedrich IV. den gottorfischen Antheil beider Herzogthümer und gab 1721 auf Verlangen des Kaisers nur den zu Holstein gehörigen Theil wieder heraus; dagegen den schleswig’schen Theil vereinigte er mit Zustimmung Schwedens und unter der Garantie Englands und Frankreichs mit dem königlichen Antheil von Schleswig-Holstein. Die gottorfische Linie war von da an auf ihren holsteinischen Antheil beschränkt, aber sie begann von nun an durch auswärtige Hülfe die Wiedererlangung des entrissenen Antheils von Schleswig zu erstreben, und diese Bemühungen wurden beinahe fünfzig Jahre lang eine Quelle steter Beunruhigung für den europäischen Norden. Anfangs schien die Feindschaft des ohnmächtigen gottorfischen Hauses für Dänemark ungefährlich zu sein. Allein die Lage der Dinge änderte sich, als Peter der Große seine Tochter Anna dem Herzoge Karl Friedrich von Gottorf verlobte und dadurch dem gottorfischen Hause die Anwartschaft auf den Thron der nordischen Großmacht eröffnete. Noch gefährlicher gestalteten sich die Dinge, als 1743, durch Rußland gezwungen, Schweden im Frieden von Abo sich dazu verstehen mußte, den Repräsentanten der zweiten Gottorfer Linie, Herzog Adolf Friedrich, Bischof von Lübeck, zum Thronfolger zu erwählen. Durch diese plötzliche Erhebung der Gottorfer zur Anwartschaft auf die Regierung in Rußland und Schweden sah das königliche Haus sich nicht allein in dem ruhigen Besitze des Herzogthums Schleswig, sondern selbst in seiner Existenz bedroht. Es suchte daher durch Unterhandlungen die Quelle des Streits zu entfernen. Die Ansprüche des [502] schwedischen Thronfolgers waren bereits beseitigt, bevor B. der leitende Minister Dänemarks wurde. Durch die Verträge vom 7. August 1749 und 25. April 1750 hatte Adolf Friedrich gegen Entschädigung auf seine Ansprüche verzichtet.

Schwieriger und gefährlicher lagen die Dinge im Verhältniß zu Rußland. Hier war Karl Friedrichs Sohn, der Herzog Karl Peter Ulrich, von der Kaiserin Elisabeth zum Thronfolger bestimmt. Er hatte den ganzen Haß seines Hauses gegen die königliche Linie von Dänemark geerbt. Als russischer Großfürst war er von dem Gedanken erfüllt, die Macht Rußlands zur Wiedererlangung des gottorfischen Antheils von Schleswig zu verwenden. Ihm standen die Ansprüche des gottorfischen Hauses höher als die Interessen Rußlands. Als die Kaiserin Elisabeth am 5. Januar 1762 starb, bestieg er als Peter III. den russischen Thron. Sogleich trat er von der Allianz mit den bisherigen Verbündeten Rußlands zurück und schloß Frieden mit Friedrich dem Großen, dessen enthusiastischer Bewunderer er war. Dann forderte er von König Friedrich V. von Dänemark die sofortige Zurückgabe des gottorfischen Antheils von Schleswig und die Zahlung von 30 Millionen Thaler Schadenersatz und unterstützte diese Forderung durch das bisher gegen Friedrich den Großen beschäftigte russische Heer. Da Friedrich V. dieses Ansinnen zurückwies, offenbarte er die Absicht, das königliche Haus seiner sämmtlichen europäischen Besitzungen zu berauben. Um Zeit zu gewinnen, versuchte B. in Berlin Verhandlungen mit Rußland einzuleiten. Unterdessen rückte eine dänische Armee von 70000 Mann unter dem General St. Germain in Mecklenburg dem russischen Heere entgegen. Die beiden feindlichen Heere waren nur noch wenige Meilen von einander getrennt, und jeden Augenblick erwartete man den Ausbruch der Feindseligkeiten, als plötzlich durch die bekannte Palastrevolution Peter III. im Juli 1762 Thron und Leben verlor. Ihm folgte auf dem russischen Thron seine Gemahlin Katharina II., welche zugleich in den gottorfischen Angelegenheiten die Vormundschaft für ihren Sohn, den 1754 geborenen Großfürsten Paul, übernahm. Sie hatte als eine geborene Prinzessin von Anhalt-Zerbst nichts von dem Familiengeiste der Gottorfer und war im Interesse Rußlands den Wünschen Dänemarks nicht abgeneigt. Sie trat deshalb sogleich wieder in friedliche Verhältnisse zu Dänemark. Es war aber klar, daß, solange Rußland in Kiel regierte und die gottorfischen Ansprüche auf Schleswig nicht beseitigt waren, Dänemark stets von neuem in seiner Existenz bedroht sein würde. B. erwarb sich also ein außerordentliches Verdienst, indem er die gegenwärtige günstige Gelegenheit benutzte, um den alten Streitpunkt aus der Welt zu schaffen. Am 28. Febr. 1765 ward ein Allianzvertrag zwischen Dänemark und Rußland abgeschlossen, dessen zweiter geheimer Artikel die Verbindlichkeit aussprach, die so lange bestandenen Streitigkeiten zwischen der königlichen und gottorfischen Linie durch Austausch oder sonst beizulegen. Die hierdurch in Aussicht genommenen Conferenzen über das Geschäft des Verzichtes und Austausches begannen zu Kopenhagen am 30. Dec. 1766 zwischen dem russischen Gesandten General Filosofow und dem gottorfischen Geheimrath von Saldern einerseits, und B., Geheimrath Otto Thott und Graf Detlef Reventlow andererseits, und wurden beendigt am 3. Dec. 1767. Das Resultat war die Unterzeichnung des von beiden Seiten ratificirten provisorischen Tractats vom 11./22. April des J. 1767. In demselben versprach die Kaiserin Katharina für sich und in Vormundschaft ihres Sohnes, auf den gottorfischen Antheil von Schleswig zu verzichten. Dafür übernahm der König alle bis 1720 von dem gottorfischen Hause contrahirten Schulden und bezahlte der jüngeren gottorfischen Linie ihre vorbehaltenen Appanagegelder mit 250000 Thaler. Die Hauptsache aber war, daß die Kaiserin als Vormünderin ihres Sohnes die Abtretung des gottorfischen Antheils von Holstein an die königliche Linie versprach, wogegen [503] der König die Cession der Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst zusicherte. Zwar war dieser Tractat vorläufig nur provisorisch und konnte erst definitiv werden, wenn der Großfürst Paul nach erlangter Volljährigkeit ihn genehmigte. Indeß man betrachtete dies als eine Form; sachlich schien der lange Streit des königlichen und gottorfischen Hauses durch den Tractat von 1767 erledigt. Der König bezeigte B., welcher das hauptsächlichste Verdienst um das Zustandekommen dieses Vertrages hatte, seine Dankbarkeit dadurch, daß er ihn und seine Familie, auch seinen Neffen Andreas Petrus, in den dänischen Grafenstand erhob. Schon vorher war es B. gelungen, durch den mit dem Herzog Friedrich Karl von Plön geschlossenen Successionsvertrag vom 29. Nov. 1756, welchem zuzustimmen die Agnaten durch Abfindungen bewogen wurden, eine Vereinbarung zu Stande zu bringen dahin, daß nach dem Aussterben der plönischen Linie die derselben gehörigen Landestheile an die ältere königliche Linie fallen sollten. Als dann am 19. Oct. 1761 mit dem Tode des Herzogs Friedrich Karl die plönische Linie im Mannsstamme erlosch, ward der plönische Antheil sofort reunirt. Somit war es hauptsächlich B. zu verdanken, daß die unglückseligen Landestheilungen in Schleswig-Holstein aufhörten und daß fast das gesammte Gebiet der Herzogthümer wieder unter der Herrschaft der königlichen Linie vereint war.

Auf die inneren Angelegenheiten erstreckte sich seine Thätigkeit kaum in minderem Grade, als auf die auswärtigen Verhältnisse. In handelspolitischer Hinsicht huldigte er den Ansichten, aber auch den Irrthümern seiner Zeit. Durch Aufwendung großer Mittel und durch das Verbot fremder Fabrikate suchte er in Dänemark eine künstliche Industrie zu schaffen. Millionen wurden an ein kümmerliches Resultat verschwendet, und die unnatürlichen Schöpfungen gingen bald wieder zu Grunde. Dagegen erwarb er sich großen und wohlverdienten Ruhm durch den Anstoß, den er zur Verbesserung der Landwirthschaft und zur Emancipation des Bauernstandes gab, ein Gebiet, auf welchem freilich sein Neffe Andreas Petrus noch größere Erfolge erreichte. Dem älteren B. aber gebührt das Verdienst, daß er durch sein eigenes Beispiel mit großer Uneigennützigkeit die Initiative ergriff und eine Reform in Bewegung brachte, die nun nicht wieder zum Stillstand zu bringen war. Vom König hatte B. in der Nähe von Kopenhagen ein Landgut geschenkt erhalten, dessen Bauern damals in der schlechtesten Verfassung waren. Er beschloß den Versuch, sie durch den Reiz des Eigenthums in fleißige, glückliche Menschen zu verwandeln. Die Felder wurden vermessen, die Gemeinschaft wurde aufgehoben, die Höfe, wo es nöthig war, versetzt und die Ländereien zweckmäßig vertheilt. Der Frohndienst wurde gegen eine mäßige jährliche Abgabe völlig abgeschafft. Jeder Bauer erhielt seinen Hof und seine meistens nahe umherliegenden Ländereien zum beständigen Eigenthum. Nach wenigen Jahren wurden die Bauern, die vorher zu den ärmsten in Seeland gehörten, wohlhabende Landbesitzer. Auf diesem Gute erntete man vom Roggen vor der Reform das dritte, nach der Reform das 8⅓te Korn, von der Gerste vorher das 4te, nachher das 9⅓te, vom Hafer vorher das 2⅔te, nachher das 8te Korn. Noch jetzt sieht man dicht an der Straße von Kopenhagen nach Helsingör ein einfaches steinernes Monument, welches die dankbaren Bauern des Bernstorff’schen Gutes dem edlen Mann gesetzt haben.

Ein besonderes Augenmerk richtete B. auf die Hebung des Volksunterrichts. Noch größer waren seine Verdienste um die Beförderung der Wissenschaften und Künste. Wo es galt, ein wissenschaftliches Unternehmen zu befördern oder aufkeimende Talente zu unterstützen, wußte er immer die Mittel des Staates flüssig zu machen und hatte auch stets persönlich eine offene Hand. Er liebte es, im Stil des Mäcenas mit den geistigen Kräften, die er heranzog, persönlich zu verkehren. [504] Klopstock hat viele Jahre im Bernstorff’schen Hause gelebt und blieb bis zu seinem Tode im engsten Verkehr mit ihm. Basedow wurde von ihm unterstützt, obgleich er seinen religiösen Standpunkt nicht billigte. Die Historiker Langebek und Suhm erfreuten sich seiner Förderung bei ihren Arbeiten. Auf seine Empfehlung wurde der Kanzelredner Cramer ins Land gezogen. Er verschaffte die Mittel, daß Oeder’s Flora Danica erscheinen konnte. Seinem Einfluß ist es zu danken, daß auf dänische Kosten die gelehrte Expedition nach Arabien ausgerüstet wurde, welche Karsten Niebuhr in seinem berühmten Werke beschrieben hat.

König Friedrich V., dessen unbedingtes Vertrauen B. genoß, starb am 14. Jan. 1766. Sein Nachfolger Christian VII. war, als er den Thron bestieg, erst 17 Jahre alt. Ein Versuch, den alten bewährten Minister bei dem jungen König schon im J. 1766 zu verdächtigen, ward von B. leicht zurückgeschlagen. Im J. 1768 begleitete er Christian VII. noch auf der großen Reise, welche dieser durch Deutschland, Holland, England und Frankreich unternahm. Allein auf dieser Reise wurde der Grund zu seinem Sturze gelegt. Dem Leibarzt Struensee gelang es, sich dem Könige mehr und mehr unentbehrlich zu machen. Nach der Rückkehr nach Kopenhagen faßte Struensee, gestützt auf das Vertrauen der Königin Karoline Mathilde, den Plan, die ausschließliche Herrschaft über den schwachsinnigen und unfähigen König an sich zu reißen. Vor allen Dingen stand ihm dabei B. im Wege, der mit unbedingtem Uebergewicht alle Staatsgeschäfte leitete. Also galt es, den König zur Entlassung Bernstorff’s zu bewegen. Dieser unterschätzte wol anfangs die Gefahr und er lehnte den Vorschlag des russischen Gesandten Filosofow ab, welcher ihm anbot, das ganze Ansehen seines Hofes gegen den wachsenden Einfluß Struensee’s in die Wagschale zu werfen. Als er die wirkliche Größe der Gefahr erkannte, war es zu spät. Am 13. Sept. 1770 erhielt B. das Schreiben des Königs, welches ihn aus seinen Staatsämtern entließ. Er legte seine Aemter nieder mit Segenswünschen für das Land und dem[1] König und nach wenig Wochen verließ er Kopenhagen. Bald nach seiner Entlassung wurden ihm von der Kaiserin Katharina II. die glänzendsten Anerbietungen gemacht, in russische Dienste zu treten. Jedoch er wollte sich nicht auf ein ihm völlig neues Terrain begeben. Nachdem er sich von den Staatsgeschäften zurückgezogen hatte, lebte er theils in Hamburg, theils auf seinen Gütern und erfreute sich des Umgangs befreundeter Staatsmänner und Gelehrten, namentlich Klopstock’s, der fast immer um ihn war. Er erlebte noch den Sturz Struensee’s, der am 17. Januar 1772 verhaftet wurde, aber bald darauf entschlief er selbst zu Hamburg am 19. Febr. 1772. Ihn überlebte seine Gemahlin, eine Tochter des großfürstlichen Geheimraths von Buchwald, mit der er in zwanzigjähriger glücklicher, aber unbeerbter Ehe gelebt hatte.

Sturz, Erinnerungen aus dem Leben des Grafen J. H. E. von Bernstorff. Leipzig 1777. – Ahlemann, Ueber das Leben und den Charakter des Grafen J. H. E. Bernstorff in den Materialien zur Statistik der dänischen Staaten Bd. III. S. 254 ff. – Navarro, Vie du comte J. H. E. de Bernstorff. Naples 1822. – Correspondance entre le comte J. H. E. de Bernstorff et le duc de Choiseul. Copenhague 1871.[2]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 504. Z. 24 v. u. l.: den (st. dem). [Bd. 5, S. 794]
  2. S. 504. Z. 7 v. u. hinzuzufügen: Vgl. auch Niebuhr, Kl. hist. u. philol. Schriften, erste Samml. S. 10 f. [Bd. 4, S. 794]