ADB:Besold, Christoph

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Artikel „Besold, Christoph“ von Theodor Muther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 556–558, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Besold,_Christoph&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 11:56 Uhr UTC)
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Besold: Christoph B., Jurist, geb. 1577 zu Tübingen, 1598 Doctor der Rechte, Advocat beim Hofgericht in Tübingen, 1610 Professor an der dortigen Universität, trat nach längerer Ueberlegung 1630 (1. August) zu Heilbronn heimlich von der protestantischen zur katholischen Confession über und erklärte diesen Schritt 1635, als nach der Nördlinger Schlacht die Kaiserlichen Würtemberg occupirt hatten, öffentlich. Hierauf wurde er österreichischer Regimentsrath in Würtemberg und 1636, nachdem er Berufungen an den kaiserlichen Hof sowie an die Universität Bologna ausgeschlagen hatte, Professor des Codex und des öffentlichen Rechtes (mit dem Charakter eines kurbairischen Rathes) zu Ingolstadt, starb 15. Sept. 1638. Ein Mann von tadellosem Wandel, ruhigem und besonnenem Wesen, nicht wortreicher aber angenehmer Unterhaltung, in welcher ein satirischer Zug der Eitelkeit gegenüber sich geltend machte, hat B. durch seinen Confessionswechsel bei Zeitgenossen und Späteren schwere Bedenken gegen seinen Charakter wachgerufen. Es scheint jedoch, als ob der Schritt ohne äußere Rücksichten, aus Ueberzeugung erfolgt sei, verursacht durch eine gewisse innere Nichtbefriedigung verbunden mit Unklarheit, welche durch eine nicht Maß haltende Lectüre – B. hatte in seinen Lehrjahren sich die Kenntniß von neun Sprachen angeeignet – insonderheit von theologischen, theosophischen und apokalyptisch-prophetischen Schriften nur genährt wurde, bis dieselbe bei den Mystikern und in der Askese eine ihm behagende Zuflucht fand. B. vertheidigte seinen Schritt durch eine besondere Schrift: „Christlich und rechtliche Motiven, warum Christoph Besold … vornehmlich dafür gehalten, daß der recht und einig seligmachende Glaub’ allein in der Römisch-catholischen Kirchen anzutreffen“ etc. (Ingolstadt 1637 u. ö.), welche in Christian Thomasius und Tobias Wagner strenge Censoren fand, während von katholischer Seite Heinrich Wagnereck für den Convertiten in die Schranken trat. Am meisten wurde es B. verargt, daß er nach seinem Uebertritt (anonym) mehrere Werke („Prodromus vindiciarum ecclesiaticarum Würtembergicarum“ etc. Tub. 1636. 4. u. ö. – „Documenta [557] redidiva monasteriorum praecipuorum in Ducatu Würtembergico sitorum“. Tub. 1636. 4 u. ö. – „Virginum sacrarum monumenta in principum Würtembergicorum ergastulo litterario“ etc. Tub. 1636. 4 u. ö.) veröffentlichte, in welchen er unter Mittheilung vieler Urkunden aus dem Stuttgarter Archive den Nachweis versucht, daß die meisten würtembergischen Klöster von jeher reichsunmittelbar gewesen seien, daß somit den Herzogen von Würtemberg ihnen gegenüber das ius reformandi gefehlt habe. Die Katholiken gründeten darauf den Anspruch, daß ein großer Theil des von Würtemberg besessenen Landes der katholischen Kirche zurückzugeben sei. In der That erwuchsen der Restitution der Herzöge von Würtemberg im westfälischen Frieden gerade aus diesem Umstande Schwierigkeiten. Ob B. daraus ein sittlicher Vorwurf erwächst, daß er seiner religiös-politischen Ueberzeugung durch die an sich werthvollen litterarischen Publicationen Ausdruck gab, mag dahin gestellt bleiben, jedenfalls erblicken wir hier eine Consequenz seines Convertitenthumes, welches ihn auf Bahnen führte, die er schwerlich vorausgesehen hatte. Noch auf seinem Todtenbette beschwor B. seine Gattin, Barba[1] geb. Breitschwert, die ihm nach beinahe dreißigjähriger unfruchtbarer Ehe eine Tochter geboren hatte, ebenfalls den Protestantismus mit dem Katholicismus zu vertauschen. Dieser Uebertritt zugleich mit demjenigen der achtjährigen Tochter erfolgte drei Monate nach dem Tode des Mannes. Es wurde damals erzählt, die Jesuiten hätten durch einen Gespensterspuk erreicht, was sie durch Ueberredung zu Stande zu bringen nicht vermocht. – In wissenschaftlicher Beziehung gehört B. zur Classe der Vielschreiber. Sein enormer Fleiß, große Belesenheit, ja Gelehrsamkeit, lassen sich nicht bestreiten, allein es fehlt überall an eigenem scharfem Urtheil, Durcharbeitung und der strengen Ordnung, welche einen klaren, tieferblickenden Geist des Autors beweist. Da B. zur Ansammlung seines Materials sich fremder Hülfe zu bedienen pflegte, läßt auch die Zuverlässigkeit der Angaben viel zu wünschen übrig. Christian Thomasius nennt ihn einen Anhänger der Platonischen und Verächter der Aristotelischen Philosophie, Conring spricht ihm (richtiger) philosophische Einsicht überhaupt ab. – Ein langes Verzeichniß der Schriften Besold’s gibt unter 92 Nummern Jugler, Beiträge 1. Bd. S. 85–125. Dieselben sind theologischen, publicistischen, privatrechtlichen, processualistischen Inhalts. Das größte Ansehen dürfte bewahrt haben der oftaufgelegte und von Anderen neu überarbeitete „Thesaurus practicus continens explicationem terminorum atque clausularum in aulis et dicasteriis Rom. Germanici Imperii usitatorum, etc.“ (zuerst Tub. 1629. 4, zuletzt Ratisb. 1740. fol.), ein juristisches Reallexikon, in welchem sich hie und da interessante Notizen zur deutschen Rechtsgeschichte finden. Außerdem bemerkenswerth: „Opus politicum“, Argentor. 1641. 4, eine neue Auflage der „Politicorum libri duo“ (zuerst Tub. et Francof. 1618. 4), einer Sammlung von Dissertationen politischen und staatsrechtlichen Inhaltes. – „Synopsis rerum ab orbe condito gestarum“. Arg. 1626. 12 u. ö., Abriß der Weltgeschichte nach Sleidan’schem Muster. – „Consultationes de insignioribus aliquot et inprimis iuris publici quaestionibus“. Tub. 1628. 4 Theile, eine Sammlung von Rechtssprüchen der Tübinger Juristenfacultät (Besold’s eigene Arbeiten im 2. Bde.), von der neue Aufl. 1634 und 1661 erschienen, die letzteren unter dem Titel: „Conciliorum Tubingensium etc. tomi VI“. – „Ad ordinationes politicas incluti Ducatus Würtembergici commentar.“, Tub. 1632. 4. u. ö. – „Dissertatio de iudiciario progressu“. Ingolst. 1637. – Ausgg. von Schriften von Joh. Tauler, Joh. v. Staupitz, Hieronymus Savonarola. –

Ueber Besold geben Nachrichten: J. F. Reimann, Einleit. in die histor. Litteratur der Teutschen. 3. Th. 3. Hauptstück S. 158 ff. – Jugler, Beiträge I. S. 82 ff. – Böck, Gesch. der Univ. Tübingen S. 110. – Mederer, [558] Annal. Ingolstad. acad. P. II. pp. 278. 286 ss. – Klüpfel, Gesch. der Univ. Tübingen. S. 78. 80. Berühmtheit hat erlangt der Aufsatz von Spittler in Moser’s Patriot. Archiv VIII. S. 433–472, wieder abgedruckt in Spittler’s Sämmtl. Werken. 12 Bd. S. 283 ff., vgl. auch ebend. S. 96 u. 97.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 557. Z. 16 v. o. l.: Barbara. [Bd. 29, S. 774]