ADB:Campanus, Johannes

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Artikel „Campanus, Johann“ von Adolf Brecher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 729–731, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Campanus,_Johannes&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 09:53 Uhr UTC)
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Campanus: Johann C., einer der protestantischen Antitrinitarier der Reformationszeit, stammte wahrscheinlich aus Maas-Eyck im Bisthum Lüttich und starb nach 1574. Er studirte zu Düsseldorf und Köln, wurde aber von dort wegen Streitigkeiten mit den Theologen vertrieben (1520). Unterstützt und empfohlen von einflußreichen Gönnern, die er sich im Jülichschen erworben hatte, kam er 1528 im December nach Wittenberg. Ehrgeizig, eitel, grübelnd und, wie es scheint, schon damals nicht frei von Hinneigung zu den phantastischen Schwärmereien, [730] die im Geleite der Reformation auftraten, versenkte er sich mit ganzer Seele in das Studium besonders der heil. Schrift und glaubte bald ganz neue bisher nicht verstandene Wahrheiten in ihr gefunden zu haben. Schon 1529 nach einem kurzen Aufenthalt in Niemegk bei dem ihm befreundeten und mit der Reformation immer mehr zerfallenden Georg Wicel trat er mit seinen Ansichten hervor. In Marburg zum Religionsgespräch erschienen, verlangte er Zulassung zu demselben mit der Behauptung, eine solche Auslegung der Einsetzungsworte im Abendmahl gefunden zu haben, daß er im Stande sei, Luther mit Zwingli zu verständigen. Man wies ihn zurück. Gleich nach seiner Rückkehr nach Wittenberg machte er sich aber durch antitrinitarische, antinomistische und anabaptistische Aeußerungen, die er, wie es scheint, ziemlich demonstrativ aussprach, der Art verdächtig, daß er auf eine kurze Zeit eingesperrt wurde. Da er nach seiner Freilassung keinerlei Aenderung seines Wesens zeigte, entging er einer zweiten Verhaftung nur durch eilige Flucht. Nichtsdestoweniger erschien er, unterstützt durch einflußreiche Empfehlungen, kurze Zeit darauf in Torgau, wo der Kurfürst Johann von Sachsen eine Anzahl Theologen zur Vorbesprechung über die auf dem Reichstage zu Augsburg einzunehmende Stellung versammelt hatte (März 1530), und verlangte eine Disputation mit denselben. Weder diese noch ein öffentliches Gespräch mit Luther, dem er am feindseligsten gesonnen war, wurden ihm gewährt. Er begann einzusehen, daß es ihm nicht möglich werde, in der Nähe der Wittenberger Reformatoren Stellung zu gewinnen. So verließ er Kursachsen, ging nach Niedersachsen, blieb eine Zeit lang in Braunschweig und kehrte dann in das Herzogthum Jülich zurück. Seine Schmähungen gegen die Wittenberger und seine sonderbaren theologischen Anschauungen mochten eine Zeit lang seinen vornehmen Freunden, die ihn schon früher begünstigt hatten, imponiren. Als aber mehr und mehr seine wahren Gesinnungen hervortraten und verstanden wurden, ja als seine schwärmerischen Verkündigungen vom nahen Weltende unter dem Landvolk an der Ruhr allerhand Unordnungen hervorriefen, wurde er um 1553 zu Cleve gefangen gesetzt und starb geistig und leiblich durch mehr als 20jährige Gefangenschaft zerrüttet. – Seine theologischen Ansichten sind besonders in der Lehre vom Abendmahl und der Trinität merkwürdig. Er behauptete einerseits, Christus habe das Brod nur darum seinen Leib genannt, weil er es wie alles Natürliche geschaffen habe; andererseits läugnete er die Persönlichkeit des heil. Geistes und gestand dem Sohne nur so weit göttliches Wesen zu, als Eva das Wesen Adams und die Kinder das Wesen der Eltern an sich trügen. Der Sohn, in seiner subordinirten Stellung, sei nicht immer mit dem Vater, sondern dieser sei früher gewesen als der Sohn; er habe aber denselben ewig erzeugt, wenn auch innerhalb der Grenzen der Ewigkeit. Wie ihm der heil. Geist nur als die in dem Menschen wirkende sittliche Kraft galt, so befreite er auch in echt wiedertäuferischer Weise den Menschen von der Offenbarung durch die Schrift und den mit derselben verbundenen religiösen Verpflichtungen. – Von seinen Schriften werden genannt: „Contra totum post apostolos mundum“, auch unter dem Titel: „Wider die Lutherischen und alle Welt nach den Aposteln und derselben wunderbarliche und seltzame ungehewre Irrthumb“ (um 1531 verfaßt und in einem Briefe Melanchthon’s an Conrad Heresbach vom 15. Juli 1531 citirt); „Göttlicher und heiliger Schrift vor vilen jaren verdunckelt und durch unheylsame Leer und Lerer aus Gottes Zulassung verfinstert Restitution und besserung durch den hochgelarten Johannem Campanum. Ein Sendtbrief an K. M. von Denemark etc. durch N. Fr. v. Streitten. Anno 1532.“ In diesem Buch wandte er sich besonders gegen Melanchthon’s „Loci communes“, die er in den Hauptstücken zu widerlegen sucht; „De eucharistia“, um 1574 im Gefängniß verfaßt. – Hauptquelle ist noch immer Schelhorn, Amoenitates litt. XI. [731] 1–92. Vgl. dazu: Trechsel, Die protestantischen Antitrinitarier I. S. 26–35. C. A. Cornelius, Geschichte des münsterischen Aufruhrs II. S. 158 ff. Strobel, Litterargeschichte S. 53 und Hamelmann, Opp. geneal. hist. 1711. p. 1011 und 1191. Einen Auszug aus seinen Schriften hat Förstemann in der Zeitschrift für hist. Theologie 1846 gegeben.