ADB:Chasôt, Franz

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Artikel „Chasot, Isaak Franz Egmont, Herr v.“ von Wilhelm Mantels in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 108–110, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Chas%C3%B4t,_Franz&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 14:03 Uhr UTC)
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Chasot: Isaak Franz Egmont, Herr v. Ch., geb. 18. Febr. 1716 in Caen, † 24. Aug. 1797 in Lübeck. Er stammte aus einem zu Salive im Herzogthum Burgund ansässigen Geschlechte, welches zu Anfang des 17. Jahrhunderts in die Normandie übersiedelte, und war der zweite Sohn des Thomas Louis v. Ch., Capitäns bei den Grenadieren des Regiments Louvigni. Im adlichen Cadettencorps zu Metz ausgebildet, stand Franz Egmont als Lieutenant im Infanterieregiment Bourbonnais 1734 bei der französischen Rheinarmee, als ihn ein Duell mit einem Anverwandten des Herzogs von Boufflers, welches für Chasot’s Gegner tödtlich ausfiel, flüchtend in das Lager der Deutschen führte. Hier ward er mit Friedrich dem Großen, damals noch Kronprinzen, bekannt, der ihn an seinen Hof nahm. Zwischen den beiden jungen Männern bildete sich rasch eine innige Freundschaft. Chasot’s Leichtlebigkeit, sein sprudelnder [109] Witz, sein männlich-ritterliches Auftreten fesselten den Prinzen. Bald gehörte Ch. zu Friedrichs Vertrauten und nahm nicht blos an der frischen Lust, an dem musikalischen und litterarischen Treiben in Rheinsberg Theil, sondern auch an den ernsten Kriegsstudien des künftigen Königs. Nach Friedrichs Thronbesteigung ward Ch. beim Ausbruch des ersten schlesischen Krieges, 1741, die Ausbildung eines neu errichteten Jägercorps übertragen, doch schon in demselben Jahre trat er in das Dragonerregiment Baireuth bei dem er zwei Jahre darauf Major ward. Friedrich hatte ihm, der in den Schlachten von Mollwitz und Czaslau sich hervorthat, den Orden pour le mérite verliehen und ihm durch Uebertragung der Amtshauptmannschaften Cöslin und Plettenberg u. a. ein glänzendes Auskommen gesichert. Noch größeres Verdienst erwarb sich Ch. in der Schlacht von Hohenfriedberg, deren Entscheidung durch das Regiment Baireuth herbeigeführt ward. Trotz eines zweiten unglücklichen Duells, in welchem Ch. am 14. Jan. 1746 unmittelbar nach dem Dresdener Frieden einem ihn beleidigenden Major seines Regiments die Hirnschale abschlug und dafür zur Festungshaft in Spandau verurtheilt ward, blieb sein Verhältniß zum Könige, der ihn nach einmonatlicher Gefangenschaft begnadigte, ein ungestörtes. Ch. begleitete den König bald nachher auf einer Inspectionsreise durch Schlesien, ward häufig von seiner Garnison Treptow zu den Hoffesten geladen, rückte 1750 zum Oberstlieutenant auf und ward gleichzeitig mit einer Mission an die Höfe von Mecklenburg betraut, welche den Abschluß einer Militärconvention über die Stellung von Mannschaften zum preußischen Heere bezweckte. Aber schon im nächsten Jahr lockerte sich die Freundschaft. Unbefriedigte Forderungen des viel verbrauchenden Grafen, seine lose Zunge, seine Reizbarkeit gegen jeden Vorwurf scheinen den Bruch herbeigeführt zu haben. Ch. erbat zunächst Urlaub, den er zu einer Reise in die Heimath benutzte; die Unterstützung des Abschiedsgesuches durch seinen früheren Landesherrn, Ludwig XV., erbitterte den König vollends. Ungnädig ward er 1752 entlassen. Er wandte sich nach Lübeck, in dessen unmittelbarer Nähe er den Ackerhof (von ihm Marly umgetauft) erwarb und sich 1754 unter die Bürger der Reichsstadt aufnehmen ließ. Für den Verlust der militärischen Stellung entschädigte ihn das Amt eines Stadtcommandanten, welches ihm mit dem Titel eines General-Lieutenants 1759 übertragen ward. Ein ansehnliches Gehalt und oft wiederholte Geschenke des Senats entsprachen seinen Anforderungen an das Leben. An geselligem Verkehr in und außerhalb der Stadt mit Bürgern, Adel und benachbarten Fürsten fehlte es nicht. Besonders werth ward ihm aber sein sorglich gepflegter ländlicher Besitz; seit er dorthin die schöne 16jährige Camilla Torelli, die Tochter eines italienischen Malers, heimgeführt. Auch gab es Gelegenheit, seine früheren Beziehungen sowol für die Stadt wie für König Friedrich zu verwerthen. Mit diesem war nach wenigen Jahren eine äußerliche Aussöhnung erfolgt; allmählich ward das Verhältniß wieder freundlicher: der König wurde Taufpathe zu Chasot’s ältestem Sohne und empfing in seinen letzten Lebensjahren wiederholte Besuche des Jugendfreundes. Chasot’s Anhänglichkeit an ihn bewährte sich auch darin, daß er trotz Friedrichs anfänglicher Weigerung den Eintritt seiner beiden Söhne in das preußische Heer durchsetzte. Der ältere, Friedrich Ulrich, † 1800 als pensionirter Rittmeister. Rühmlich bekannt ist der jüngere aus der Geschichte der deutschen Erhebung.

Dieser, Graf Ludwig August Friedrich Adolf v. Ch., geb 10. Oct. 1763, war anfänglich, wie sein Bruder, vom Vater bei dem französischen Regimente Royal Allemand untergebracht worden; beide traten aber 1780 in preußische Cürassierregimenter. Auch Ludwig hatte 1790 seinen Abschied genommen, kehrte jedoch 1804 als Major zum Dienst zurück und ward Flügeladjutant Friedrich Wilhelms III. 1807 nahm er an Blücher’s Kriegszug in [110] Pommern Theil, ward Commandant von Berlin nach dem Frieden, aber 1809 in Folge des Schill’schen Auszuges entlassen. Mit andern preußischen Officieren nahm er 1812 Kriegsdienste in Rußland, wo ihm bald die Bildung der russisch-deutschen Legion zufiel. Schon am 13. Januar 1813 starb er am Nervenfieber in Pleskow. An seinem Sterbebette trauerten Stein und E. M. Arndt. „Stein liebte ihn sehr“, schreibt der letztere, „und es war ein Mann von allen geliebt zu werden. Er hatte von der männlichen Schönheit und Stärke seines Vaters geerbt, aber dabei die herzigste deutsche Natur und einen brennenden Haß gegen die prahlerischen Unterdrücker.“

„Chasot, c’est le matador de ma jeunesse!“ Dieses, wenn auch nur mündlich überlieferte Wort des großen Königs gibt kurz und bündig den Schlüssel zu Chasot’s wunderlichen Lebensschicksalen. In dem chevaleresken, geistreichen, liebenswürdigen Franzosen erkennt der König das Spiegelbild der eigenen Jugend. Aber der Freund ist stehen geblieben, während der König ein anderer ward, daher die Erkältung und die immer wieder durchbrechende Neigung.

Kurd v. Schlözer, Chasot. Zur Geschichte Friedrichs des Großen und seiner Zeit. Berl. 1856.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 110. Z. 17 v. o. hinzuzufügen: Lehmann, Knesebeck und Schön 58 ff. und die hier 59 A. 1 verzeichnete Litteratur. [Bd. 33, S. 795]