ADB:Coelestin, Johann Friedrich

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Artikel „Coelestin, Johann Friedrich“ von Wilhelm Preger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 389–391, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Coelestin,_Johann_Friedrich&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 18:54 Uhr UTC)
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Coelestinus: Johann Friedrich C., lutherischer Theologe des 16. Jahrhunderts, zu Plauen im Voigtlande geboren, ein Bruder des Berliner Propsten und Hofpredigers Georg C. Nach einem durch häufigen Ortswechsel sehr unsteten Jugend- und Schülerleben lehrte C. zuerst an einigen niederen Schulen, bis ihm Johann Friedrich der Mittlere im J. 1560 die Professur der griechischen Sprache an der vor kurzem gegründeten Universität Jena übertrug. Seine Berufung an diesen Hauptsitz der streng lutherischen Richtung fiel in die Zeit, da eben hier in dem begabten Victorin Strigel der eifrig bekämpften Wittenberger Richtung unerwartet ein neuer Vertreter erstand. Strigel vertrat die Lehre, daß der Wille des natürlichen Menschen einer wenn auch schwachen Mitwirkung bei der Bekehrung fähig sei. C. schloß sich in dem Kampfe, welcher deshalb zwischen Strigel und den übrigen Theologen unter Flacius sich erhob, an die letzteren an und mußte, da der Hof gewaltsam dem aufregenden Streite ein Ende zu machen suchte, gleich Allen, welche sich mit den Erklärungen Strigel’s nicht zufrieden geben wollten, seine Stelle niederlegen, 1562. Er war zu Frankfurt a/O. Doctor der Theologie geworden und hatte die Ordination empfangen: für kirchliche Dienste war aber damals noch ein weites Feld offen, namentlich in Süddeutschland, wo die Reformation noch immer Fortschritte machte. So erhielt denn auch C. schon nach kurzer Zeit die Stelle eines Predigers und die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten bei dem Grafen Ladislaus von Haag in Baiern, welcher die evangelische Lehre in seiner reichsfreien Grafschaft einzuführen beschlossen hatte. Als der Graf seine scharfe Polemik gegen den Herzog von Baiern nicht zulassen wollte, suchte und fand C. 1563 Dienste bei dem baierischen Grafen Joachim von Ortenburg, der, reichsfrei wie der Graf von Haag, in eben jenem Jahre mit Hülfe Coelestinus’ die Reformation in [390] seinem Gebiete einführte. Ortenburg wurde nun zwar im folgenden Jahre von baierischen Truppen besetzt und C. durch die Baiern aus dem Lande gewiesen; aber die Reformation blieb doch in Folge der energischen Reclamationen des Grafen bei Kaiser und Reich der Grafschaft erhalten. C. aber fand nach einiger Zeit eine dauernde Anstellung bei dem eifrigen Förderer des Protestantismus, dem Pfalzgrafen Wolfgang von Neuburg, der ihn zum Professor der Theologie an seinem 1561 gegründeten akademischen Gymnasium zu Lauingen machte. Während seiner vierjährigen Wirksamkeit daselbst half er unter anderm die Zweibrückener Kirchenordnung, die er ins Lateinische übersetzte, mit einführen und verfaßte seine zwei bedeutenderen Schriften: „Von Schulen, aus was Ursachen dieselben hin und wider in Stetten und Flecken so jämmerlich zerfallen – – und wie Schulen wohl und christlich anzustellen und zu regieren“. Straßburg 1568, 8; sodann die Streitschrift, um deren willen er wol von römischer Seite unter die autores damnatos primae classis gesetzt worden ist: „Pantheum sive Anatomia et Symphonia Papatus et praecipuarum Haeresum praesentium, das ist Gründliche vnd vnwidersprechliche Beweysung – daß der Babst der Warhafftige offenbahrte Antichrist sey etc.“, I. Thl. 1568, II. Thl. 1569. Die letztgenannte Schrift läßt wol einen bündigen, klaren Verstand und ziemliche Belesenheit erkennen, zeigt aber auch, daß C. an wissenschaftlicher Begabung anderen bedeutenden Schülern der Reformatoren wie einem Flacius und Chemnitz nachstand. Inzwischen war in Thüringen nach dem Sturze Johann Friedrichs des Mittleren mit dessen Bruder Johann Wilhelm die streng lutherische Richtung wieder zur Herrschaft gekommen und C. wurde, und zwar jetzt als Professor der Theologie, nach Jena zurückberufen, 1568. Noch in eben diesem Jahre wurde er mit seinen Collegen zu dem Religionsgespräche nach Altenburg abgeordnet, auf welchem eine Ausgleichung des Streites mit den Wittenbergern nach dem Wunsch der beiderseitigen Höfe von Weimar und Dresden versucht werden sollte. Aber das Gespräch, das bis zum März 1569 sich hinauszog, machte die Spaltung nur größer. Dazu kam, daß um eben jene Zeit der Lehrsatz des Flacius, die Erbsünde sei die wesentliche Form des unwiedergeborenen Menschen, die strengere Partei in sich selbst entzweite. C. vertrat die Lehre des Flacius und mußte, als ein von dem Herzog angeordnetes Colloquium mit seinem Collegen Heßhusius (14. Aug. 1571) ihn nicht andern Sinnes machte, seine Vorlesungen einstellen. Da verließ er 1572 Jena von neuem und begab sich zuerst nach Mecklenburg, von da nach Oesterreich, wo ihn die Religionsdeputirten der evangelischen Stände in den Dienst der Kirche nahmen. Er wurde Pfarrer zu Efferding, 1574 zu Stein; 1577 ordinirt er Geistliche zu Wien. Im Auftrag der Stände unterhandelt er mit auswärtigen Geistlichen, um sie als Pfarrer für Oesterreich zu gewinnen. Es waren Anhänger der genannten und jetzt überall bekämpften flacianischen Lehre, für welche er Boden zu gewinnen suchte. Man zählte um diese Zeit gegen 40 flacianisch gesinnte Geistliche im Lande. C. galt mit Josua Opitz, dem Prediger der evangelischen Stände in dem Landtagshause zu Wien, als der Führer dieser Richtung. Er zählte zwar unter dem Adel manche Gönner, wie die Herren v. Dietrichstein und Achatius v. Starhemberg, die durch ihn veranlaßt in Jena studirt hatten; aber um seiner strengen Richtung und insbesondere um der Lehre von der Erbsünde willen auch manche Gegner, da den evangelischen Ständen die Verpflanzung des Erbsündestreits nach Oesterreich allerlei Mißhelligkeiten bereitete und ihre Bestrebungen für die Ausbreitung der Reformation lähmte. Unter seinen theologischen Gegnern ist der nachmals berühmte Polykarp Leyser zu nennen, der um diese Zeit zu Göllersdorf in Oesterreich der Kirche seine ersten Dienste leistete. C. † im J. 1578.

[391] A. Baier, Nomenclator Professorum Jenensium. Raupach, Presbyterologia Austriaca und Nachlese nebst Supplementum. Huschberg, Geschichte des herzogl. und gräfl. Gesammthauses Ortenburg. Schmidt, Des Flacius Erbsündestreit, in Niedner’s Zeitschrift f. hist. Theologie, 1849, ergänzt das Verzeichniß der bei Raupach übergangenen Schriften Coelestinus’. Cod. germ. 1317 u. 1319 der Staatsbibliothek zu München.