ADB:Cossel, Paschen von

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Artikel „Cossel, Paschen von“ von Otto Beneke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 513–514, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cossel,_Paschen_von&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 02:31 Uhr UTC)
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Cossel: Paschen v. C. Als jüngerer Sohn bürgerlicher Eltern, welche im Anfange des 18. Jahrhunderts zu Anklam, sodann in Neu-Brandenburg lebten, wurde er (vermuthlich an letztgedachtem Orte) den 21. Decbr. 1714 geb., und ließ sich, nach vollendetem Rechtsstudium, im J. 1738 als Doctor der Rechte und Advocat in Hamburg nieder, woselbst seine zwei älteren Brüder ihre Handelsgeschäfte etablirt hatten. Mit guten Rechtskenntnissen praktisches Geschick und ein entschiedenes Talent für den Parteikampf verbindend, gelangte er bald zu bedeutender Praxis. Das hamburgische Domcapitel, dem er vom J. 1755 bis 1791 als Canonicus minor angehörte, hatte ihn bereits 1750 zum Domsyndicus erwählt, in welchem bis 1760 verwalteten Amte ihm sowol die Leitung des Capitulargerichtes, als die Führung der eigenen Processe des Stiftes oblag, und überdies genugsam Muße zu Theil wurde zur Verfechtung unzähliger Privatstreitigkeiten aller Art. Er war seiner Zeit einer der berühmtesten Rechtsconsulenten in Hamburg wie in ganz Norddeutschland, wie dies durch zahlreiche Anerkennungen bewiesen wird. Um 1755 erhielt er auch den Titel eines kaiserlichen Hof- und Pfalzgrafen, während ihm gleichzeitig vom Kaiser der Adelstand verliehen wurde. Dem Senat der freien Reichsstadt Hamburg erschien freilich sein großes contradictorisches Talent oftmals als „unleidliche Streitsucht“, wie derselbe denn auch vielfach Gelegenheit hatte, sich über Hrn. v. Cossel’s „weitgehende Prätensionen und zügellose Schreibweise“ zu beschweren. Es scheint eine von überwiegender Verstandsschärfe getragene unbezähmbare Oppositionslust in dem jedenfalls eminent geistvollen Mann vorgewaltet zu haben, dessen Herzensgüte dennoch außer Zweifel steht. Dieser Hang zur Opposition mag ihn auch in religiöser Hinsicht zum steten Negiren und endlich in den Atheismus getrieben haben, zu welchem er sich als Freund des Freigeistes Edelmann bekannte. – Als sehr vermögender Mann und mit dem Titel eines königl. dänischen Conferenzrathes geschmückt, lebte er seit dem J. 1781 auf seinem einsamen wald- und moorreichen Rittergute Jersbeck in Hamburgs Nähe, ein wohl bekanntes und oft befragtes Orakel der ganzen Gegend. Noch einmal in hohem Greisenalter trieb ihn jene Oppositionslust in die Oeffentlichkeit und zwar zu einem negirenden Verhalten, der Leibeigenschafts-Aufhebung gegenüber. Er, der consequente Verfechter der absoluten geistigen Freiheit des Individuums, der humanste Gutsherr gegen seine Unterthanen, für welche er durch Schulverbesserung, Armenstiftungen, [514] Erlaß von Frohndiensten etc. väterlich gesorgt, zu deren Besten er sein Patrimonialgerichtswesen auch derartig reformirt hatte, daß kein Proceß mehr als 2 Mark Cour. kosten durfte, – er bekämpfte gleichwol energisch die um 1795 begonnene Aufhebung der Leibeigenschaft in Holstein. In seiner desfalls an den König von Dänemark gerichteten Vorstellung vom September 1797 (abgedruckt in den schlesw.-holstein. Provinzialberichten 1798, Bd. II.) bestreitet er nicht nur dem Ritterschaftsausschusse jedwede Legitimation zu solchem Vorgehen, sondern er verwirft auch die beabsichtigte Emancipation selbst, welche keineswegs eine Wohlthat für die Bauern sei, sondern deren materielle und geistige Lage nur verschlechtern werde, während ihr wahres Heil in einer vernünftigen gutsväterlichen Handhabung ihrer Abhängigkeit liege. Nicht minder verwirft er diese Emancipation, weil sie in wohlerworbene Eigenthumsrechte vernichtend eingreife. – Er starb im 91. Lebensjahre am 17. Jan. 1805 zu Jersbeck, woselbst auch seine irdische Hülle bestattet ist. Im einsamsten Waldwinkel des dortigen Schloßparks hatte er aus Granitfelsen eine seltsame an Heidengräber erinnernde Ruhestätte erbaut für sich und seine im J. 1789 verstorbene Gattin Marie Elisabeth geb. Matthiessen verwittwete Dorrien, mit welcher er sich im J. 1755 vermählt hatte. Eine in Gaedechen’s Hamb. Münzen und Medaillen, Abth. I. S. 238 abgebildete Denkmünze zeigt Cossel’s höchst charakteristisches Porträt. Hier, wie häufig an anderen Orten ist sein Name „Kossel“ geschrieben. Von ihm stammt die in Schleswig, Holstein und Lauenburg wohlbekannte angesehene Familie v. Cossel.