ADB:Cysat, Renward (Polyhistor)

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Artikel „Cysat, Renward“ von Theodor von Liebenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 669–670, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cysat,_Renward_(Polyhistor)&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 05:44 Uhr UTC)
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Cysat: Renward C., von Luzern, Sohn des aus Mailand stammenden Johann Baptist C. und der Anna Margaretha Göldlin von Tiefenau, geboren 1545, † 1614 den 25. April, römischer Ritter, comes Palatinus, apostolischer Protonotar, erhielt in den Schulen seiner Vaterstadt (1552–59) eine sehr dürftige Bildung, die er später durch eifriges Selbststudium ergänzte. 1559–70 widmete sich C. dem Apothekerberufe und verlegte sich auf alchemistische Studien. 1570 zum Unterschreiber gewählt, begann er die Ordnung des reichhaltigen, aber ganz verwahrlosten Staatsarchivs von Luzern und legte eine mit dem Jahre 1252 beginnende Gesetzes-Sammlung an, die er bis zum Jahre 1586 fortsetzte. Zwei Jahre bekleidete C. die Würde eines Großrathes (1573–75) und wurde darauf zum Stadtschreiber erwählt, welche Stelle er ruhmvoll bis zu seinem Tode versah. Als treuer Diener einer strengkatholischen Regierung, deren geistiges Haupt der „Schweizerkönig“ Schultheiß Ludwig Pfyffer war, verfocht Stadtschreiber C. aufs eifrigste die Interessen seines Standes wie der gesammten katholischen Schweiz durch strenge Handhabung der Gesetze, als eifriger Censor, durch Unterstützung der Kirchen, Stifte und Klöster, wie durch Polemik gegen Akatholiken („Observationes notabiles ad confutandos Hereticorum opiniones et errores; Bericht uß was Ursachen Martinus du Voysin in Sursee enthauptet und verbrannt worden“ 1609, 4°; „Necessaria refutatio ob Martinum de Voysin Basileensem“; „Antwort der katholischen Orte auf der Stätten Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen Fürtrag“ 1586). In Verbindung mit dem Erzbischof Karl Borromäus von Mailand wirkte C. für die Berufung der Jesuiten nach Luzern (1574), für Bildung der Jugend, Einführung geistlicher Disciplin und Beseitigung vielfacher Mißbräuche. Streng gegen Andersgläubige, suchte C. einem milderen Strafrechtsverfahren Bahn zu brechen. Durch Bündnisse mit Spanien, Savoyen, Mailand, Oesterreich, Bischof und Landschaft Wallis befestigte C. die Macht der Katholiken in der Schweiz und beabsichtigte die Oberherrschaft der reformirten Orte zu brechen, sei es, daß er den Bund von Genf und Straßburg mit der Eidgenossenschaft verhinderte, sei es, daß er das Waadtland wieder Savoyen und Mühlhausen Oesterreich unterthan machen wollte. C. war nicht nur der Schriftführer des katholischen Vorortes der Eidgenossenschaft und der katholischen Tagsatzungen, sondern auch seit 1577 häufig Gesandter auf Tagsatzungen, wie beim Abschließen von Bündnissen und Staatsverträgen; so war er Wortführer der Katholiken beim Bundesschwur mit Spanien 1587 und 1604; 1593 Gesandter an den Papst, 1593 und 1606 an den Herzog von Savoyen und den Gubernator in Mailand. Für Volksbildung und Neubelebung katholischen Sinnes wirkte C. durch Hebung des Schulwesens, Herausgabe geistlicher Lieder, Publication von Erbauungsschriften („Leben des sel. Niklaus von Flüe“, 1597, Bericht über die Ausbreitung des Christenthums in Japan) und Umgestaltung des geistlichen Dramas. C., der selbst die großartigen Aufführungen der Schauspiele in Luzern leitete, denen oft 7000 Personen beiwohnten, verfaßte ein Osterspiel (1571), wobei 400 Schauspieler auftraten, ein Spiel vom jüngsten Gericht und eines von des hl. Kreuzes Erfindung. Eifrig betrieb er die Heiligsprechung des Niklaus von Flüe, doch ohne Erfolg. Seine Bemühungen fanden Beifall bei allen katholischen Fürstenhöfen wie bei den katholischen Schweizercantonen, wie seine umfangreiche Correspondenz, die Pensionen, Titel und Orden, die ihm vom Auslande verliehen wurden, genugsam beweisen. Als eifriger Numismatiker, Heraldiker, Geschichts- und Naturforscher hinterließ C. werthvolle Aufzeichnungen von immensem Umfange; leider aber konnte er nie Muße finden, auch nur eine Schrift von größerm Belange gründlich auszuarbeiten. [670] Cysat’s Hauptwerk sind die 16 Bände „Collectanea Chronica“, die jetzt auf der Stadtbibliothek in Luzern liegen. Als pflichtgetreuer Beamter, unermüdlicher Arbeiter, edler Charakter verdient C., der in zahlreichen autobiographischen Notizen seine Verdienste fast mehr als genügend hervorgehoben hat, ohne Zweifel hohe Achtung; als Litterat ist er dagegen unbedeutend und als Politiker tritt er nur als gefügiges Werkzeug im Dienste der Nuntiatur und der Jesuiten auf. „Der große C.“ (G. E. Haller, Bibliothek der Schweizergesch. IV, 220) hinterließ von seiner Gemahlin 14 Kinder, von denen aber nur zwei Beachtung verdienen: Renward C. der jüngere, Stadtschreiber von Luzern (1614–24), des Vaters unwürdiger Sohn, der seine schönen Talente durch wüstes Leben zu Grunde richtete und seiner Aemter und Würden beraubt, an Ketten geschmiedet im Kerker endete (1628), und Johann Baptist C. († 1657, 3. März), Rector des Jesuitencollegiums in Luzern, lateinischer Dichter, Astronom und Mathematiker, der die Kometenbahn beobachtet und beschrieben hat. Riccioli benannte ihm zu Ehren die Mondflecken monticuli Cysati.

Hidber, Renward Cysat, der Stadtschreiber zu Luzern (Archiv f. schweiz. Gesch. XIII und XX). A. Laibing, Die Inscenirung des zweitägigen Luzerner Osterspieles vom J. 1583 durch R. Cysat, Elberfeld 1869.