ADB:Friedrich I. (Markgraf von Meißen)

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Artikel „Friedrich der Freidige, Markgraf von Meißen, Landgraf von Thüringen“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 560–563, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_I._(Markgraf_von_Mei%C3%9Fen)&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 04:12 Uhr UTC)
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Friedrich der Freidige, Markgraf von Meißen, Landgraf von Thüringen, zweitgeborener Sohn des Landgrafen Albrecht (s. d.) und der Margarethe, Tochter Kaiser Friedrichs II., geb. 1257, † 1324. Zu einem wandelvollen, höchst bewegtem Geschick bestimmt, erging an ihn schon als Knaben einer glaubwürdigen Ueberlieferung zufolge ein bedeutungsvoller Ruf: die lombardischen Ghibellinen schickten nach Konradins Tode eine Gesandtschaft an Friedrichs Vater, um seinen Zweitgeborenen zur Uebernahme der politischen Erbschaft der Staufer in Italien einzuladen: eine Einladung, die jedoch keinen nachhaltigen Eindruck gemacht hat und nicht machen konnte. Schon das Jahr darauf flüchtete Friedrichs Mutter aus der Wartburg, um bald nachher zu sterben und der bisherigen Buhlin des leichtsinnigen Gemahles Platz zu machen. Die darauf folgende Entwicklung der Dinge entsprach diesen Voraussetzungen: der Vater schlug die bekannte Richtung ein, die zuletzt nahe daran streifte, sein Geschlecht zu enterben und zu verderben. F. tritt seit 1280 mit dem Titel eines Pfalzgrafen von Sachsen auf und residirt in Eisenberg; Proben von Entschlossenheit und kriegerischem Sinn hat er früh gegeben. Im J. 1285 vermählte er sich mit Agnes, einer Tochter des Grafen Meinhard von Görz und Tirol und der Mutter Konradins aus ihrer ersten [561] Ehe. Ohne Zweifel sind es die Beziehungen zu den Staufern gewesen, die diesen Bund geschlossen haben. In dieser Zeit ist Friedrichs Verhältniß zu seinem Vater noch ungetrübt, und zu seinem Großvater, Markgraf Heinrich dem Erlauchten, sogar ein inniges. Aber gerade der Tod des alten Markgrafen versetzt ihn bald genug in eine höchst peinliche Lage, die einerseits durch die Haltungslosigkeit und Verschwendungssucht Albrechts und andererseits durch die charaktervolle und erhaltende Natur des Sohnes ihr specifisches Gepräge erhält. Noch im J. 1288 sah sich F. gezwungen, im Interesse des Schutzes der politischen Zukunft seines Hauses sich gegen Albrecht mit bewaffneter Hand zu kehren und den in seine Hände Gefallenen durch den Vertrag zu Rochlitz zur Anerkennung seines Rechtes zu zwingen. Aber als der Landgraf nach wie vor sein Unwesen zu treiben fortfuhr, hat sich F. unter den Augen des damals in Erfurt weilenden Königs Rudolf wider denselben erhoben und ihm im Einvernehmen mit seinem Bruder Diezmann (s. d.) im Vertrage von Eisenach Fesseln angelegt, die es ihm ein für alle Male unmöglich machen sollten, auf Kosten seiner legitimen Söhne seine Leidenschaften und Launen zu befriedigen. Nun starb aber im August 1291 der Vetter Friedrichs, Markgraf Friedrich (Tuto) von Meißen und dem Osterlande, und dieser Todesfall wurde die Quelle neuer und außerordentlicher Verwicklungen. Zunächst freilich ließ sich Alles gut an. Albrechts beide Söhne fanden Mittel und Wege, ihren Vater mit seinen Ansprüchen auf das aufgegangene Erbe abzufinden und nahmen Besitz, der eine, F., von der Markgrafschaft Meißen, und Diezmann von dem Osterlande, während Albrecht die sogenannte Markgrafschaft Landsberg erhielt. Der letztere hat diese freilich schon in nächster Zeit an die Markgrafen von Brandenburg käuflich abgetreten und seine Söhne haben nach einigem Widerstreben sich darein gefügt. Inzwischen war aber Graf Adolf von Nassau zum Nachfolger Kaiser Rudolfs von Habsburg gewählt worden und seine Politik in Verbindung mit der Charakterlosigkeit des Landgrafen Albrecht war es, die die Thatkraft und den Selbsterhaltungstrieb Friedrichs auf die schwerste Probe stellte. Adolf betrachtete die Mark Meißen und das Osterland als in Folge des in directer Linie unbeerbt verstorbenen Friedrich Tuto an das Reich heimgefallene Lehen; er forderte daher F. wie seinen Bruder Diezmann auf, diese Länder freiwillig herauszugeben, und schloß zugleich mit Albrecht den bekannten zweifelhaften Handel, kraft welchem ihm dieser für den Fall seines Todes die Landgrafschaft Thüringen verkaufte. Und als die beiden Brüder jenes Ansinnen ablehnend erwiederten, wurde der Reichskrieg gegen sie beschlossen und in der That in zwei Feldzügen das Osterland und die Mark Meißen von Adolf erobert und ein königlicher Statthalter dort eingesetzt. Der zweite Feldzug galt insbesondere Meißen und dem Markgrafen F., der unentwegt entschlossen war, das, was er als sein Recht betrachtete, dem Könige gegenüber aufs äußerste zu vertheidigen. Das Glück stand aber nicht auf seiner Seite; bald fielen auch Meißen und Freiberg in die Hände Adolfs und F. sah sich gezwungen, den Widerstand aufzugeben und den Platz zu räumen. Während Adolf sich in den eroberten Ländern festsetzte, schlug er den Weg nach Kärnthen zu seinem Schwager ein und soll von hier aus einen Besuch in der Lombardei gemacht haben, von woher vor mehr als einem Menschenalter die bereits erwähnte Einladung an ihn ergangen war. In Deutschland hatte aber die Lage Kaiser Adolfs inzwischen eine für diesen so ungünstige Gestalt angenommen, daß auch F. sich wieder zurückwagte und zugleich mit seinem Schwager, dem Herzog Heinrich von Kärnthen, um Pfingsten 1297 an der Versammlung zu Prag, deren Spitze sich gegen den König richtete, Theil nahm. Aber erst das Jahr darauf, als die Entscheidung zwischen Adolf und seinen Gegnern bevorstand, begegnen [562] wir ihm wieder in Schlesien, von hier aus hat er, noch ehe ihn die Nachricht von der bei Göllheim erfolgten Katastrophe des Königs erreicht haben konnte, einen Einfall in die Mark Meißen unternommen und in Verbindung mit seinem Bruder Diezmann, getragen von der Sympathie der Bevölkerung, in kurzer Zeit einen guten Theil des Landes erobert. Die Hoffnungen, die die Wettiner zu Gunsten ihrer Sache auf den neuen König, Albrecht I., auf Grund verwandtschaftlicher Beziehungen setzten, haben sich freilich nicht bestätigt. König Albrecht hat zuletzt doch in der Auffassung der thüringisch-meißnischen Frage völlig in die Wege seines Vorgängers eingelenkt, Meißen und das Osterland als verfallene Reichslehen behandelt und die durch König Adolf erkauften eventuellen Ansprüche auf die Landgrafschaft Thüringen im Namen des Reiches geltend gemacht. Der alte Landgraf sah die Dinge jetzt freilich anders an; er hatte sich mittlerweile mit seinen Söhnen verständigt und ihnen Thüringen ausgeliefert; zu dieser seiner Verstimmung hat ohne Zweifel der Markgraf F. viel beigetragen, der im Jahr 1302, nachdem seine erste Gemahlin bereits 1293 gestorben war, sich mit seiner Adoptivschwester Elisabeth von Lobdaburg-Arnshaug, die seines Vaters dritte Gemahlin in die neue Ehe mitgebracht, vermählt hatte. Nach dem J. 1306 ging der König mit den Waffen gegen die widerstrebenden Brüder vor, die noch dazu häufig untereinander nicht im besten Einverständnisse lebten und ihre Interessen oft nicht im Einklange zu halten vermochten. F., der mit unermüdeter Eifersucht über der Sache seines Hauses, die ihm mit der seinigen zusammenfiel, wachte, hat es im Januar 1307 sogar dahin gebracht, daß ihm sein Vater die Wartburg auslieferte, während doch Diezmann sich als den rechtmäßigen eventuellen Nachfolger in der Landgrafschaft betrachtete. Gegenüber dem bewaffneten Vorgehen des Königs haben sie sich aber doch wieder verständigt und mit gemeinsamer Hand die Truppen des Königs bei Lucka (in der Nähe von Altenburg) geschlagen und so das Osterland befreit. Und nun folgte eine Reihe von Ereignissen auf einander, die F. ausschließlich in den Mittelpunkt dieser Verwicklungen stellten und aber auch allmälig günstigere Aussichten für die Sicherung der so ernsthaft bedrohten Zukunft seines Hauses eröffneten. Das waren der Uebergang Böhmens zuerst an das ihm nahe verwandte kärnthen-görzische und dann an das luxemburgische Haus, dann das Abtreten seines Bruders Diezmann vom Schauplatz, durch welches die Leitung der gesammten Aktion in seine kräftige Hand gelegt wurde, ferner der Tod König Albrechts I. und endlich die Erhebung des Luxemburger Heinrich auf den deutschen Thron. König Heinrich VII. machte anfangs zwar Miene, dem wettinischen Hause gegenüber die Politik seines Vorgängers fortzusetzen, bald aber neigte er im Zusammenhange mit seiner allgemeinen Politik und aus Rücksicht auf die Befestigung seines Sohnes in Böhmen zu einer milderen Auffassung dieser Frage und es dauerte nicht lange, so sprach im Vertrag von Prag im December 1310 der König die politische Wiederherstellung der Wettiner aus und gab das System der Könige Adolf und Albrecht preis. Auf diesem Wege wurde F. wieder allseitig anerkannter, rechtmäßiger Herr in Thüringen, im Osterlande und in Meißen. Bis zum letzten Augenblick vor dem Ausgleich hatte der Markgraf das Schwert in der Hand gehalten. Noch vor demselben hatte er die Fehde mit den Erfurtern begonnen, um sie zum Verzicht auf Alles das zu zwingen, was sein Vater in den Tagen seines Leichtsinnes ihnen an Besitzungen und Rechten so oder so überlassen hatte. Und mit derselben Unermüdlichkeit begegnete F. jetzt den Kirchen von Mainz, den Aebten von Fulda und Hersfeld, um ihnen gegenüber die Rechte seines Hauses zu verfechten, und stellte darüber sogar den kaum errungenen Frieden mit dem Reiche vorübergehend in Frage. Aus eben demselben Grunde gerieth er zuletzt mit den Askaniern, bez. mit dem Markgrafen Waldemar von Brandenburg in einen [563] ernsthaften kriegerischen Conflict, weil er auch von ihnen, was an sie in der vorausgegangenen Verwicklung von der wettinischen Hausmacht verloren gegangen war, mit bewaffneter Hand in schweren Kämpfen zurückzugewinnen suchte. Der Magdeburger Friede vom J. 1317 hat wenigstens das wesentliche seiner Ansprüche gewährleistet. Nahezu ein volles halbes Jahrhundert hat F. in wachsendem Verhältnisse von den ersten Tagen seiner Jugend angefangen in Anfechtungen, Kämpfen, Prüfungen und Anstrengungen aller, oft der schwersten Art gestanden. So erklärt es sich, daß er zuletzt (seit 1320) erschöpft, entkräftet zusammenbricht und nicht mehr imstande ist, nach wie vor die Interessen seines Hauses zu vertreten und die Herrschaft auszuüben. Seine beträchtlich jüngere, tüchtige (zweite) Gemahlin († 1339) tritt an seiner Statt und im Namen ihres Sohnes als Regentin ein. Bis zum J. 1324 hat F. noch in diesem gebrochenen wie regungs- und theilnahmslosen Zustande gelebt; erst am 24. Novbr. gedachten Jahres ist er gestorben. Aber als Sieger ist er in das Grab gestiegen und das wettinische Haus darf ihn mit Fug als seinen zweiten Begründer, als seinen Wiederhersteller gegen eine Welt von Feinden verehren. Freilich, eine Reihe von Umständen hat zusammengewirkt, um dieses Ergebniß herbeizuführen: außer dem Heldensinn und der Ausdauer des Fürsten und mancher scheinbaren oder wirklichen Zufälligkeit haben offenbar die objectiven Verhältnisse, der Geist, die Stimmung der Epoche mit das Beste dabei gethan.

Tittmann, Markgraf Heinrich der Erlauchte von Meißen, 2 Bde. – 2. Ausgabe, Leipzig 1850. – Wegele, Friedrich der Freidige, Markgraf von Meißen, Landgraf von Thüringen und die Wettiner seiner Zeit (1247 bis 1425), Nördlingen 1870.