ADB:Friedrich II. der Weise

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Artikel „Friedrich II., Kurfürst und Pfalzgraf bei Rhein“ von Arthur Kleinschmidt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 603–606, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_II._der_Weise&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 06:37 Uhr UTC)
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Friedrich II., Kurfürst und Pfalzgraf bei Rhein, Erzschatzmeister und Erztruchseß des heiligen römischen Reiches, erblickte auf dem Schlosse Winzingen bei Neustadt am 9. December 1482 das Licht der Welt als vierter Sohn des Kurfürsten Philipp und der Margaretha von Baiern-Landshut. Leichtlebig und dem Stillsitzen abhold, war F. ein sehr zerstreuter Schüler, der mit Widerwillen sich den pedantischen Lehrern fügte, während er, Meister in allen ritterlichen Künsten, schon in frühester Jugend dem vollen Genuß des Lebens entgegenstrebte. 1501 zog F. an den österreichischen Hof in den Niederlanden, bereiste von hier aus Frankreich und Spanien, lebte toll und verschwenderisch in den Tag hinein; Liebesabenteuer und Jagd, Turniere und Spiel füllten seine Zeit aus und als vollendeter Cavalier wurde er in Brüssel, Paris und Madrid bewundert; innige Freundschaft verband F. mit König Philipp I. von Spanien. Nach dessen Tod begleitete F. den Kaiser Maximilian auf dem Zuge gegen Venedig 1508 und leistete ihm gegen die mächtige Republik die treuesten Dienste, stets mit leeren Versprechungen vom Hause Habsburg geködert. Für dies undankbare Geschlecht that er Alles; in seinem Interesse zog er nach England, er zierte den Hof des Erzherzogs Karl in Brüssel, von aller Welt wegen seiner Leutseligkeit und Munterkeit geliebt, aber 1516 sandte ihn Karl voll Wuth heim, weil seine Schwester Eleonore ihm ihr Herz zugewandt und vermählte sie dem alten Könige von Portugal. In der Oberpfalz verwaltete F. die Regierung für seinen Neffen Otto Heinrich, dann aber wirkte er 1518 bei seinem kurfürstlichen Bruder und wo er nur konnte in eifrigster Weise für die Königswahl Karls, dem er längst verziehen, und wurde mit einigem Gold 1519 belohnt. F. lächelte jetzt Karls Gunst und er durfte, was seinem Hange zu Prunk und Repräsentation unendlich schmeichelte, seit 1521 in Nürnberg als College des Reichsstatthalters Erzherzogs Ferdinand residiren. Hier verbrauchte der Pfalzgraf, von schönen Frauen umschwärmt, enorme Summen, war in steter Geldnoth und gerieth in die Hände der Wucherer, endlich mußte er Nürnberg 1525 verlassen und heimkehren. Schon 1526 zog er durch Frankreich wieder nach Spanien, erhielt aber das hier gesuchte Geld nicht und kehrte sofort mißmuthig nach Deutschland zurück. 1528 erschien er als kaiserlicher Commissair bei der Reichsregierung und ließ sich durch neue Versprechungen bewegen, Reichsfeldherr zu werden; als solcher erhielt er 600 Mann gegen die Wien belagernden Türken, 1529, und konnte natürlich hiermit nichts unternehmen. Vergebens hoffte er auf die Hand der jetzt verwittweten Jugendgeliebten Eleonore, vergebens auf die ihrer Schwester, Maria von Ungarn, man verweigerte sie ihm in Wien nicht geradezu, aber man täuschte ihn, ja man ließ ihn hoffen, er solle römischer König werden. Als dann Ferdinand I. [604] dies wurde, war F. einer der thätigsten Urheber dieser Wahl. Dem habsburgischen Hause unerschütterlich ergeben, ließ der gutmüthige Prinz sich stets von neuem durch Hoffnungen, die seine sanguinische Natur so leicht auffaßte, täuschen; bald war es die Statthalterschaft in Belgien, bald eine Prinzessin, bald Geld, womit Karl V. ihn anlockte und immer wieder sah er sich, obgleich er auch 1532 als Generaloberster gegen die Türken neue Dienste leistete, betrogen; auch ein französischer Heirathsplan zerrann in Nichts. Endlich bewog man in Wien den siebenmal im Werben unglücklichen Pfalzgrafen zu einer dänischen Heirath, ihm die Krone von Dänemark als Preis bezeichnend; der geduldige Mann sah die Krone an das oldenburgische Haus fallen; um aber dem Kaiser gefällig zu sein und um dem erlöschenden Pfälzer Kurhause Erben zu erwecken, hielt er an der Verbindung mit des Kaisers Nichte, der Tochter des vertriebenen Königs Christian II. von Dänemark, Dorothea, fest, reiste nach Spanien, beredete in Barcelona am 10. April 1535 die Ehe, verlobte sich am 18. Juni in Brüssel und heirathete in Heidelberg am 26. September 1535. – F. zählte 53 Jahre, Dorothea 15. In Neumarkt, der Residenz Friedrichs, wurde so lange gepraßt, bis F. Schulden halber nicht bleiben konnte, seit 1538 reisten er und Dorothea, in Frankreich und Spanien auf Kosten der Souveräne lebend, die deutschen Mägen erwarben sich dort eine übele Berühmtheit, an Verschwendung überbot Dorothea noch den Gemahl, dem die einstige erste Liebe, Eleonore, Geld auf Geld gab, jetzt Königin von Frankreich. Auch England wurde heimgesucht und nach der Rückkehr verschleuderte F. neue Gelder für das Phantom der dänischen Krone. Seit 1541 gab ihm Karl V. jährlich 8000 Gulden, aber seine Ueberschuldung zwang F. 1543 die Verwaltung seiner Gebiete dem kurfürstlichen Bruder zu überlassen und auf einem Schlößchen bei Amberg zu leben. Da starb am 16. März 1544 sein Bruder und F. wurde Kurfürst. Von jetzt an dachte F. mehr als Territorialherr, denn als blinder Diener Habsburgs, noch lange auf Dänemark kostspielige Luftschlösser bauend und die Brust von königlichen Träumen geschwellt. In Sachen der Religion war er früher als Commissair den Protestanten entgegengetreten, in Augsburg hatte er ihnen 1530 die Confutatio dargelegt, bald aber stimmte ihn seine Umgebung, voran der Kanzler Hartmann von Eppingen, der Reformation günstiger und sein Neffe Otto Heinrich wurde ihr warmer Fürsprecher. Oefter besuchte F. die Predigten des beliebten Heinrich Stolo, um sich populär zu machen, denn er wußte, Otto Heinrich liege den Pfälzern weit mehr am Herzen als er, religiöse Ueberzeugung bewog ihn keinswegs zu der Begünstigung der neuen Lehre, hingegen erhoffte er von ihr Unterstützung seiner dänischen Gelüste. So hemmte er den Gang der Reformation durchaus nicht, suchte sogar Melanchthon für die verfallende Universität 1545 zu gewinnen, erhielt von ihm ein Gutachten über die in Schule und Kirche vorzunehmende Reform und ließ sich von protestantischen Räthen berathen. Die Heidelberger Gemeinde ging rascher vor, am 20. December 1545 schloß sie sich, indem sie das Lied „Es ist das Heil uns kommen her“ intonirte, der Reformation an und zu Weihnachten nahmen die Kurfürstin, der Kanzler und viele Hofpersonen das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Um einem Volksaufstande vorzubeugen, publicirte F. noch 1545 eine der Reformation günstige Kirchenordnung für seine Lande. Der schmalkaldische Bund unterstützte zu lau seine persönlichen Interessen und achtete zu wenig auf die dänischen Pläne, sonst wäre F. ihm offen beigetreten und hätte ein Heer zur protestantischen Sache gestellt – dieses Schwanken bemerkte Karl V. rasch; äußerlich freundlich bleibend, sagte er am 2. Juni 1546 in einem geheimen Vertrage Baiern die pfälzische Kur zu, falls F. abfalle. F. mochte die Abneigung Karls jedoch bemerken, denn jetzt stellte er Ulrich von Württemberg 900 Mann, die wacker gegen den Kaiser mitkämpften. F. sah [605] bald, daß der schmalkaldische Bund keine Siege erringen könne und unterwarf sich dem Kaiser, er erschien vor ihm in Schwäbisch-Hall und bat in gebückter Stellung den gichtkranken Karl um Verzeihung im November 1546; Karl verzieh, besetzte aber das Schloß Boxberg und F. mußte der Reformation seine Unterstützung entziehen. Ohne das alte Vertrauen kehrte wenigstens äußerlich die Eintracht zwischen dem Kaiser und dem ersten weltlichen Fürsten zurück und ohne Gewissensbedenken führte F. das Augsburger Interim im Mai 1548 im Lande ein, nur bat er Karl einstweilen die Darreichung des Kelches an Laien und die Priesterehe zu dulden und die Kirchentrennung völlig zu beseitigen; Karl wies ihn an’s Concil. Aber solche Schritte traten den reformatorischen Geist nicht nieder, an der Universität kam es zu Auftritten, viele Geistlichen legten ihr Amt nieder, Familien wanderten aus, um der Reaction zu entgehen. Die Universität beschickte auf päpstliche Einladung das Tridentiner Concil 1551 und die Rectoren erhielten die päpstliche Erlaubniß zur Ehe. Jetzt erhob sich Moritz von Sachsen, gestützt auf Frankreich, gegen den übermächtigen Kaiser, die Pfalz sah sich von Westen bedroht, Albrecht von Brandenburg durchzog plündernd pfälzische Gebiete, aber F. schloß sich den Gegnern Karls ebensowenig an, als er für ihn eingetreten wäre – neutral bleibend, suchte er zu vermitteln und begrüßte freudig den Passauer Frieden 1552; für die Erhaltung desselben thätig, veranstaltete er auch im März 1553 den Heidelberger Fürstenbund, in welchem die mächtigeren oberdeutschen Fürsten dem Kaiser passiven Widerstand leisteten und sich für Erhaltung der Ordnung verbürgten. F. erwies sich nach wie vor der Reformation nicht feindlich, hielt aber am Interim fest und that keine eigentlichen Schritte für jene, hingegen versuchte er – freilich vergebens – nochmals 1553 Melanchthon und dann Chyträus an die Universität zu ziehen. Auch sprach er nach dem Abschlusse des Augsburger Religionsfriedens für Berufung einer evangelischen Synode durch die evangelischen Reichsstände, befahl eine evangelische Kirchenordnung zu entwerfen und nahm der Religion halber verfolgte Engländer, wie die Herzogin Katharina von Suffolk, 1556 auf, Karl V. immer verdächtiger und verhaßter werdend. Für die Universität that F. viel, von Hartmann von Eppingen und seinem Nachfolger Christoph Probus tüchtig unterstützt; er verbesserte ihre Einrichtungen, ließ die mönchisch-scholastische Bildung fallen, vereinigte die Bursen, errichtete 1546 das Pädagogium, wozu ihm Paul Fagius rieth, stiftete zwei neue Lehrstühle an der Universität für Mathematik und Ethik, auch hob er mit Erlaubniß Julius III. zwölf Klöster auf, um mit ihren Einkünften die Universität zu heben, er berief berühmte Lehrer, besoldete sie besser als es bisher üblich war (einige erhielten sogar 150 Gulden), gab neue Statuten und endlich gründete er im September 1555 das Sapienz-Collegium als Anstalt für arme talentirte Pfälzer Studenten. So war F. ein Wohlthäter der Universität. F. ist mit dem Namen des Weisen geehrt worden, den er weder durch seine bornirte Anhänglichkeit an Oesterreich in früheren Tagen, noch durch seine Lauheit in der Reformationsfrage im Alter verdient hat. Der spanischen und französischen Sprache Meister, war er ohne tiefere Bildung, dafür aber bis zum Ableben das Abbild eines jovialen Epikuräers. Seit langen Jahren am Steine leidend, fühlte F. 1556 sein Ende nahen, als er in Alzei weilte; am 23. Febr. nahm er das Abendmahl und am 26. Februar verschied er. Mit möglichster Vermeidung katholischer Gebräuche wurde er in der Heiliggeist-Kirche am 30. Febr. beigesetzt. Seine Ehe war kinderlos geblieben, weshalb ihm sein Neffe Otto Heinrich folgte. Die Kurfürstin-Wittwe starb in Neumarkt erst am 31. Mai 1580.

Hubertus Thomas Leodius, De vita et rebus gestis Friderici II., 1624. Häusser, Geschichte der rheinischen Pfalz, Heidelberg 1845. Vierordt, Geschichte [606] der evangelischen Kirche in dem Großherzogthum Baden, Karlsruhe 1847. Hautz und von Reichlin-Meldegg, Geschichte der Universität Heidelberg, Mannheim 1862.