ADB:Gallas, Johann Wenzel Graf von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Gallas, Johann Wenzel Graf von“ von Hermann Hallwich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 319–320, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gallas,_Johann_Wenzel_Graf_von&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 19:39 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Gallade, Peter
Band 8 (1878), S. 319–320 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Wenzel von Gallas in der Wikipedia
Johann Wenzel von Gallas in Wikidata
GND-Nummer 124222463
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|8|319|320|Gallas, Johann Wenzel Graf von|Hermann Hallwich|ADB:Gallas, Johann Wenzel Graf von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=124222463}}    

Gallas: Johann Wenzel Graf v. G., Herzog von Lucera, geb. am 23. Mai 1669, † am 25. Juli 1719. Seine Eltern waren Franz Ferdinand Graf G. († 1697), ältester Sohn des im folgenden Artikel genannten Matthias G., aus dessen zweiter Ehe mit Dorothea Anna, geb. Gräfin Lodron, und Johanna Emerentia, geb. Gräfin Gaschin-Rosenberg. Er empfing eine sehr sorgfältige, von Jesuiten geleitete Erziehung, durch die er sich die weltmännische Bildung der vornehmen Jugend seiner Zeit in hohem Grade aneignete. Frühzeitig zu öffentlicher Stellung gelangt und in diplomatischen Angelegenheiten mit Auszeichnung verwendet, erhielt er bald nach Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges die ebenso wichtige als schwierige Mission eines kaiserl. Gesandten am englischen Hofe. Die bedeutsamen Verhandlungen der Cabinete Wien und London in den kritischen J. 1704–7 gingen durch seine Hand. Seine diplomatische Correspondenz aus dieser Zeit ist zwar vor Jahren wieder aufgefunden, leider aber noch immer nicht veröffentlicht worden. Sie wird von ihrem Finder als „von ganz ausnehmender Wichtigkeit“ bezeichnet, insbesondere die Correspondenz mit den kaiserlichen Ministern und Gesandten, in erster Linie dem Fürsten Salm, Hofkanzler Kaiser Josephs I., und dem Grafen Wratislaw, Vorgänger des Grafen G. im Londoner Gesandtschaftsposten. Ihnen zur Seite stehen die sehr weitläufigen kenntnißreichen Berichte des Grafen G. selbst. „Sie sind sorgfältig nach all’ den Notizen gearbeitet, die über Spanien, Portugal, Holland in London einliefen und sind, abgesehen von den Mittheilungen über den Fortgang des Krieges, auch für die Kenntniß der Angelegenheiten Englands von hohem Interesse“. Doch scheinen eben diese Berichte des Gesandten „nicht ohne Mitwirkung seines geschickten Secretärs Primoli entstanden“ zu sein. Als G. im August 1707 London verließ, wurde Primoli daselbst verhaftet, ohne daß die eigentliche Ursache dieses Ereignisses jemals aufgeklärt worden wäre. G. übernahm im Januar 1708 den nicht minder ansehnlichen Posten eines kaiserlichen Gesandten bei der niederländischen Republik im Haag. Sechs Monate später erlangte er das Amt eines Oberstlandmarschalls des Königreiches Böhmen. Dem folgten im Verlaufe dreier Jahre die Verleihungen des Geheimrathstitels, des Ordens des goldenen Vlieses, eines herzoglichen Lehens in Neapel, der Würde eines spanischen Granden etc. Nach Kaiser Josephs I. Tode, während der geheimen Friedensverhandlungen zwischen England und Frankreich, scheint G. abermals in London gewesen zu sein, „allwo er“, wie eine sonst verläßliche Quelle mittheilt, „den Betrug des letzten Ministerii unter der Königin Annae Regierung zeitlich entdeckte, auch deswegen viel Verdruß ausstehen mußte und im J. 1711 (nach Anderen im Dec. 1712) das Königreich England gar verließ“. Gewiß ist, daß er „bei den englischen Tories, sonderlich dem Harley, … nicht wohl gestanden“. Nach Abschluß des Utrechter Friedens ging G. als Botschafter beim päpstlichen Stuhle nach Rom, wo er im Januar 1714 eintraf. Die Aussicht Oesterreichs auf den Erwerb der spanischen Nebenländer in Italien gab der neuen Stellung Gallas’ erhöhte Bedeutung. Doch ist über seine Thätigkeit in Rom nicht viel mehr bekannt, als daß er dort, wie in London, sich „durch seine prächtige Aufführung und redliche Bezahlung bei jedermann in große Aestimation gesetzt, daß seiner allda auch wider Willen des Hofes allzeit in Ehren gedacht wurde“. Ohne Zweifel erwarb er sich auch hier besondere Verdienste um den Kaiser, der ihn im J. 1719 mit der Charge eines Vicekönigs und Generalcapitäns des Königreiches Neapel auszeichnete. Am 4. Juli d. J. zog er feierlich in Neapel ein; doch schon nach wenigen Tagen erkrankte er daselbst und starb im 50. Jahre seines Alters. Mit ungeheuerem Prunk, den er im Leben sehr geliebt hatte, wurde am 28. Juli 1719 seine Leiche in Neapel bestattet. – Ueber Gallas’ öffentliche Thätigkeit muß ein Endurtheil füglich [320] bis zur Veröffentlichung seines schriftlichen Nachlasses verspart werden. Als Herr einer Anzahl ausgedehnter Privatbesitzungen enthielt er sich beinahe jeder Einflußnahme auf die Verwaltung, die er, zum großen Nachtheile für seine „Unterthanen“, der unbeschränkten Tyrannei beschränkter Leute überließ. Sein Sohn erster Ehe (mit Maria Johanna, geb. Gräfin Dietrichstein), Namens Philipp Joseph, starb kinderlos als der Letzte seines Stammes am 23. Mai 1757. Name und Vermögen übergingen an dessen Neffen, Christian Philipp Frhrn. von Clam, Stammvater der Familie Clam-Gallas.

Vgl. C. Höfler, Die diplomatische Correspondenz des Grafen Joh. W. Gallas. Hallwich, Reichenberg und Umgebung.