ADB:Gosche, Richard

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Artikel „Gosche, Richard“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 469–474, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gosche,_Richard&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 18:43 Uhr UTC)
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Gosche: Richard Adolf G., Litterarhistoriker und Orientalist, wurde am 4. Juni 1824 zu Neuendorf bei Krossen in der preußischen Niederlausitz geboren, als erstes von neun Kindern des dortigen jungen Pfarrers. 1826 nahm der Vater, ein gläubiger und doch duldsamer Seelsorger vielseitigster Pflichterfüllung, dessen Aufmerksamkeit auf litterargeschichtliche Novitäten und Orientalia den Zukunftskeim in den Sohn gelegt haben dürfte, die Pfarre in dem großen Dorfe Wellmitz bei Guben an, wo sich fürder das ganze Dasein der Familie abgespielt hat. Richard G. pflegte später mündlich gern das nahe Stift Neuzelle mit der 1817 aufgehobenen Cistercienserabtei, wo er oft bei den aussterbenden freundlichen alten Mönchen weilte, als seine Heimath zu bezeichnen. Bis zum 14. Jahre vom Vater unterrichtet, absolvirte er dann in drei Jahren zu Leipzig, beim Vater der dort beheimatheten Mutter, das Nicolai-Gymnasium, dessen Abgangszeugniß u. a. seine poetische Anlage betonte: bis zum Tode hat G. stets form- und inhaltsschöne lyrische, auch dramatische Gelegenheitspoesie leicht erzeugt, im übrigen aber jenes Urtheil in Tiefe des Interesses und Verständnisses für Dichtkunst und Verwandtes als dauernden Grundtrieb seines Denkens und Schaffens bewahrheitet. Seit April 1842 studirte er fünf Semester an der Leipziger Universität neben der bald aufgegebenen Theologie, als deren Jünger er officiell begonnen, orientalische Sprachen, vor allem Hebräisch, aber auch Arabisch und Persisch bei Fleischer, Zend und Sanskrit bei Brockhaus, classische Philologie bei G. Hermann, W. A. Becker, Moriz Haupt, welch letzterer ihn auch in alt- und mittelhochdeutsche Poesie und Grammatik einführte. Herbst 1844 übersiedelte er nach Berlin, in dessen geistiges und geselliges Leben er nun im Verlaufe von fast zwei Decennien allmählich immer tiefer eingetaucht ist. Zunächst setzte er seine philologischen Studien fort, wobei er sich einen möglichst weiten Horizont zu erhalten und namentlich sowol die morgenländischen Sprachen als das Gesammtgebiet der Litteraturgeschichte in aller Breite zu eigen zu machen trachtete. August Böckh, dessen Griechischer Abtheilung des Philologischen Seminars er als sehr thätiges Mitglied angehörte, war ihm besonders zugethan. Am 17. August 1847 promovirte G. mit der Dissertation „De Ariana linguae gentisque Armeniacae indole prolegomena“ [470] (auf dem Titel des Drucks nennt er sich schon ganz stolz: Societatis Orientalis Germanicae socius), die auf Grund einer Unmasse alter wie neuer Fachlitteratur sammt Belegen aus den verschiedensten Idiomen Asiens das Armenische und mit ihm das Phrygische zu den arischen Sprachen stellt, zugleich frühe Ansässigkeit von Ariern im alten Kleinasien erweist. Hatte er bisher wie in Leipzig Privatunterricht in wohlhabenden Häusern, als Haupterwerbsquelle für den Unterhalt, erteilen müssen, woneben er mit beachteten Aufsätzen für die Vossische und die Spener’sche Zeitung, bei diesen auch mit – den bis ins Alter erstatteteten – Theaterreferaten, seine publicistische Laufbahn eröffnete, so sicherte ihn nun die Anstellung als Custos an der Kgl. Bibliothek vor materieller Besorgniß und brachte ihn mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten der gelehrten und litterarischen Welt in nahe Berührung, auch weiterreichende Beziehung. Das von ihm angelegte Verzeichniß der arabischen Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Berlin blieb leider unvollendet. Am 5. Februar 1853 habilitirte er sich an der Universität für Orientalistik, die er vornehmlich für Persisch und Arabisch rührig vertrat, las daneben aber auch über allgemeine, vergleichende, mittelalterliche und deutsche classische Litteraturgeschichte, mit wachsendem Rufe vor bis 600 Zuhörern aus allen bildungsfreundlichen Kreisen. So hat dieser orientalistische Docent damals der allgemeinen und sogar der neudeutschen Litteraturgeschichte die Geltung als Wissenschaft wie das akademische Bürgerrecht mit erobert, auch einer vergleichenden Litteraturbetrachtung zuerst mit Bahn gebrochen, wie er z. B. in der Vorlesung über Goethe’s Westöstlichen Divan seine Schlaglichter auf die Verbindung altorientalischer mit moderneuropäischer Poesie warf. Die Festigung seiner Position hatte 1854 den Ehebund mit der seit mehreren Jahren ihm angelobten Tochter Klara des Statistikers W. Dieterici (s. d.), Schwester seines Studiengenossen Friedrich Dieterici, des bekannten Arabisten, ermöglicht: eine gesegnete, erst durch Gosche’s Tod nach drei Jahrzehnten gelöste Gemeinschaft, die ein überaus glückliches Familienleben mit drei trefflichen Töchtern nach sich zog. Der Erfolg seiner Kathederwirksamkeit zeitigte 1859 die Ernennung zum Lehrer der allgemeinen Litteraturgeschichte an der Kriegsakademie, 24. Juni 1860 die für dasselbe Fach als außerordentlicher Universitätsprofessor. Außerdem hat er in den zehn Jahren der Berliner Hochschulthätigkeit, dem Drange nach Wirkung auf größere Kreise der Bevölkerung, sowie der Lust an freier Rede nachgebend, sich rege an den in der Singakademie veranstalteten abgerundeten populärwissenschaftlichen Einzelvorträgen zum Besten des von Frdr. v. Raumer u. a. angeregten Vereins für Volksbibliotheken betheiligt: über Lohengrin, Hafis, provençalische Poesie u. a. hat er dort vor einem Gedränge Gebildeter gesprochen, und wie die Schrift über „Die Alhambra“ (1854) hierin fußt, so „Sebastian Frank als Geograph“ (1853) in einem Vortrage vor der Geographischen Gesellschaft – dies beides seit der Dissertation das Erste, was er selbständig drucken ließ.

Trotz all solcher gedeihlichen Wirksamkeit und eines gleich erhebenden wie anregenden Verhältnisses zu Angehörigen, Freunden, Schülern, fühlte sich G. nach etlichen Jahren doch durch die zersplitternde Dreiheit seiner Amtirung überlastet und wünschte sich eine einheitliche Berufsübung. So nahm er den am 8. December 1862 an ihn ergehenden Ruf auf das erledigte Ordinariat für semitische Sprachen „in dem an gelehrten Traditionen zwar reicheren, an wissenschaftlichen Mitteln aber ungleich ärmeren Halle“ (Jahrb. f. Litteraturgeschichte S. V) an, als provisorisch mit dem Versprechen baldiger Rückberufung in die ihm ans Herz gewachsene Hauptstadt in der Tasche. Er ist in der Saalestadt verblieben, allmählich daselbst immer mehr eingewurzelt, ein gern kommender und gern empfangener Berather seiner neuen Mitbürger geworden, [471] den sie sowol zur Silberhochzeit wie bei der Beerdigung hochgeehrt haben, und erst in Halle hat er Muße und Kraft entwickeln können, alle die Einzelfelder seines Strebens rüstig zu bebauen. In seiner engeren Disciplin, die gerade in Halle durch die dortige Fixirung des Vorstands der „Deutschen Morgenländischen Gesellschaft“ – er saß lange Jahre mit in diesem – einen festen Stützpunkt gewann, bildete sich um ihn ein Kreis lernbegieriger Schüler, aus deren Reihen berühmt gewordene, selbst wieder auf akademische Lehrstühle gelangte Orientalisten, seiner Lehre und vertraulichen Einweisung Grundlage und Richtung dankbar zuschreibend, hervorgegangen sind. Zu Anfang und dann wieder in späterer Zeit hat er cyklisch über allgemeine und deutsche Litteraturgeschichte gelesen, dazu über englische, Lessing’s „Nathan“, die schwäbische Dichterschule, Rückert, die Schriften seines Freundes Ernest Renan u. a. Als Publicist suchte er nicht bloß streng wissenschaftliche Pfade zu wandeln, wofür er eigene Fachorgane ins Leben rief, sondern verhalf auch durch Beirath und zielbewußtes Eingreifen der neuen Heimath zu einem achtunggebietenden großstädtischen Tagesblatte in der rasch von 2500 auf 25 000 Abonnenten emporschnellenden „Saale-Zeitung“ – gemäßigt-, doch ausgesprochen liberaler Tendenz – der er ein gediegenes Originalfeuilleton schuf und durch regelmäßige geistvolle, ausgefeilte und fesselnde Berichte aus den laufenden Vorgängen im Geistesleben, rückschauende Aufsätze, Nekrologe, endlich die 18 Jahre besorgte Theaterkritik auf der Höhe erhielt. So dünkte er sich nicht zu gut, mit den Tagesjournalisten und anderen Berufslitteraten im „Allgemeinen Deutschen Schriftsteller-Verband“ energisch für Zusammenschluß und Standeswohlfahrt thätig zu sein, was willig anerkannt und durch wiederholte Wahl in den Ausschuß besiegelt wurde. Lag ihm doch gleichsam der Journalismus im guten Sinne im Blute, und fast alle seine Buchveröffentlichungen, so wissenschaftlich auch ihre Anlage aussieht, erwuchsen aus essayartiger Ausarbeitung, die zuerst in Journalen das Licht des Tages erblickte. Auf demselben Brette liegt endlich seine immer weitere Ringe ziehende Mittheilsamkeit, in allen Arten von Bildungs- und öffentlichen Berufsvereinen aus der bunten Fülle seiner ausgedehnten gelehrten Interessen packende Ausschnitte in anmuthiger runder Fassung zu spenden. Im Bezirke beider Sachsen und Thüringens, aber auch bis nach Elberfeld, Düsseldorf, Dortmund, andererseits Stettin und Danzig war der imposante Mann mit dem bedeutenden Kopfe, der durch blühendes Gesicht, beredte Augen, die silbergrauen Locken sofort beschlagnahmte, ein stets willkommener Redner, ungeachtet er in der Regel leidenschafts- und effectlos, klar und gemessen den Strom natürlicher Rhetorik dahinfließen ließ. An den beiden Stätten, denen er seine Bildung verdankte, in Leipzig und Berlin, ist er mit Vorliebe aufs Podium getreten, beispielsweise 1881 anläßlich des Säculardatums des Todes Lessing’s, des von ihm aufs höchste geschätzten Meisters, erst hier, dann dort. Man bemerkt bei einer Durchsicht der etwa hundert Themen, die G. allmählich vom Rednerpult in verschiedensten Sälen und vor wechselndem Publicum behandelt hat, wie erstaunlich sich sein Blick geweitet, fast über die gesammte Litteratur, und noch erklecklich in die Grenzgebiete der Kunst, Aesthetik, Culturgeschichte hinein erstreckt hat. Klingt’s da unerwartet, daß er sich mit den beiden Volksschuldirectoren Rud. und Wold. Dietlein und dem ausgezeichneten Volksschulpädagogen Frdr. Polack zu dem Sammelwerke „Aus deutschen Lesebüchern. Dichtungen in Poesie und Prosa, erläutert für Schule und Haus“ verband?

Bei all seinem mannichfaltigen Eingreifen in die Oeffentlichkeit, soweit es sich um Ausbreitung allgemeinen Wissens und Anregung idealer Triebe von Verstand und Gemüth drehte – politische und kirchliche Streitfragen [472] standen nicht auf dem Programme des durchaus modern denkenden, aber nichts weniger als agitatorisch angelegten Bildungsapostels – war der ihm allerseits nachgerühmte humane Sinn das innere, der von ihm „populär-lehrhaft“ genannte Trieb gleichsam das äußere Leitmotiv. Aus Lectüre und Studium tiefsinniger Denker aller Zonen hatte sich in ihm der Humanitätsgedanke als Träger aller höheren Culturentfaltung so sicher eingegraben, daß hierin sein Empfinden, Forschen und Wirken ankerten. Fest in seinen Grundsätzen, aber musterhaft tolerant gegenüber jeder anderen ehrlichen, in sich begründeten Ueberzeugung, voll durchdrungen von Preußens Beruf und ein kerniger Deutscher, verketzerte er abweichende, sogar diametral zuwiderlaufende Ansichten nicht – das Bedauern, von ihm warm gepriesene Männer wie Uhland und Gervinus politisch zu Gegnern zu haben, am Schlusse der Schrift über letztern liefert ein Musterbeispiel charaktervoller Duldsamkeit. So machte er unter Freund und Feind (letzte Gattung beschränkte der Idealist sehr) keinerlei Unterschied nach Stand, Confession, Nationalität: der Pfarrerssohn und einstige Theologiestudent verkehrte mit sympathischen Israeliten wie der Knabe mit den Neuzeller Mönchen und hielt Vorträge in den reinjüdischen „Verein zur Förderung geistiger Interessen im Judenthum“ zu Leipzig und „(Moses) Mendelssohn-Vereinen“. In Wohlthätigkeit und anderweitiger persönlicher Förderung kannte der Edelgesinnte nicht Schranke, nicht Selbstschonung; freilich ebensowenig Nachsicht oder Schweigen, wo es Heuchelei, Roheit, blindes Vorurtheil strafen, an den Pranger rücken galt. So war G. für uneigennützige Vertretung allgemeiner Angelegenheiten der Rechte: 1856 betraute ihn das preußische Cultusministerium damit, mehrere Wochen in London arabische Handschriften auf ihren Ankaufswerth zu prüfen, 1874 schickte es ihn ebendahin als Repräsentanten zum Internationalen Orientalistencongreß. In den letzten Jahren jedoch mußte sich der nimmer Müde ergiebige Ferien im Waldgebirg oder an der See gönnen. Aber dem Ueberanstrengten, durch den Tod der geliebten Aeltesten 1883 schwer Getroffenen halfen diese vorübergehenden Ausspannungen vor Herzleiden und Schwermuth ebensowenig wie die rührende Pflege seiner weiblichen Nächsten und die aufmunternde Antheilnahme guter Freunde. Nach scheinbarer Besserung schlug die heimtückische Krankheit sich auf den geängstigten Geist und am Morgen des 29. October 1889 legte er in hinterher anatomisch erklärter Trübung des Bewußtseins Hand an sich selbst mit dem Rasiermesser. Die Universität, die zahllosen Verehrer und Bekannten, die Bürgerschaft mit ihren Vereinen bereiteten ihm ein großartiges, würdiges Leichenbegängniß.

Den nach so vielen Seiten in Anspruch genommenen Gelehrten hat wol vornehmlich seine schon bezeichnete Arbeitsweise an größeren wissenschaftlich-litterarischen Leistungen verhindert. Die zeitlich ältere Hälfte seiner Veröffentlichungen bewegt sich ausschließlich im orientalistischen Revier, aus dem in gewissem Sinne auch das Heft „Sebastian Frank als Geograph“ (1853), das, wo nur möglich, auf Morgenländisches Bezug nimmt, nicht herausfällt; die zweite eigentlich nur auf litterarhistorischem. Auf die Dissertation und das eben genannte Schriftchen folgen nämlich: das geschmack-, oft poetisch schwungvolle „Die Alhambra oder der Untergang der Araber in Spanien“ (1854); die gründliche Abhandlung „Ueber Ghazzâlîs Leben und Werke“, i. d. Philolog. u. histor. Abhandlungen der königl. preuß. Akademie der Wissenschaften aus dem Jahre 1858 (1859), S. 239–311, die über Al-Ghazzâli (1059–1111), den letzten arabisch-persischen Speculations-Religionsphilosophen, das ganze handschriftliche Material zu eingehender Darlegung seines Systems und Sprachgebrauchs darbietet; sodann „Wissenschaftlicher Jahresbericht über die morgenländischen Studien“ für 1856, 1857/58, 1859/61, 1862/67, je im 11., 14. und 17., [473] Supplement zum 20. und Supplement zum 24. Bande der „Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft“ enthalten, die von ihm im Auftrage der Gesellschaft als langjährigem Mit-Geschäftsführer erstattet und 1871 mit dem ersten Hefte für die Spanne 1862/67 abgebrochen wurden, die sämmtlichen Druckerscheinungen der Orientalistik innerhalb der angegebenen Jahre nachweisend, gruppirend, ausziehend, beurtheilend – eine Riesenarbeit, übrigens gut lesbar und bisweilen interessant stilisirt; „(Die Kitâb-el-awâil der Araber oder) Die zehnte Muse“ (1868), Festvortrag, mustergültige Lösung einer arabistisch-litterarhistorischen Arbeitsaufgabe. Als freihändiger Litterarhistoriker tritt er in den von ihm gegründeten Sonderorganen „Jahrbuch für Litteraturgeschichte“, I. (einziger) Band 1865, und „Archiv für Litteraturgeschichte“, Band I (1870) und II (1871/72), auf, sowohl ein höchst umsichtiger Redacteur wie auch mit eigener Pflege des Fachs durch Abhandlungen, Miscellen, Bibliographie; in ersterer Hinsicht sind die eingehenden Arbeiten über Jonathan Swift, Idyll und Dorfgeschichte im Alterthum und Mittelalter, die Lieder und Reime von Straßburg bis zum Beginn der Reformation, zu nennen, in letzterer die bewundernswerthen Uebersichten der litterarhistorischen Arbeiten 1863–69, über jene drei Bände vertheilt, und die der Bewegung der französischen Litteratur in den Jahren 1865/67 im „Archiv“ I (trotzdem R. Chaulien mitzeichnet, fast ganz von G.), von denen, besonders von der litterarhistorischen Uebersicht, das oben dem analogen orientalistischen Unternehmen ausgedrückte Lob in erhöhtem Maaße gilt, endlich kleinere Beiträge verschiedensten Inhalts in den drei Bänden, während er mit dem Uebergange der Herausgeberschaft an Franz Schnorr v. Carolsfeld leider auch als Mitarbeiter verstummte. Gosche’s Verdienst, die erste moderne litterarhistorische Zeitschrift begründet und auf festes Postament gestellt zu haben, so daß 1888 an das „Archiv“ die „Vierteljahrsschrift für Litteraturgeschichte“ B. Seuffert’s, die in A. Sauer’s „Euphorion“ weiterläuft, anschließen konnte, ist noch nicht nach Gebühr betont worden. Feinsinnig und alle Saiten einer reichen Figur deutschen Lebens anschlagend, porträtirt Gosche G. G. Gervinus in der ihm geltenden Monographie: zweiter, verbesserter und vermehrter Abdruck 1871 aus den Sonntagsnummern 18–23 der „Vossischen Zeitung“. Selbständig erschien 1887 als Band 3 der Sammlung „Deutsche Dichter der Gegenwart. Biographisch-litterarische Charakterbilder“ ‚Georg Ebers der Forscher und Dichter dargestellt‘, wo G. allerdings in der Freude des Orientalisten über die poetische Modernisirung einer antik-morgenländischen Sphäre den Standpunkt nüchterner litterarästhetischer Kritik fast aus den Augen verliert, wie 1883 im erläuternden Texte zu dem Prachtwerke „Richard Wagner’s Frauengestalten“ – in Bildern von Bauer und Limmer – der alterprobte theoretische und praktische Kenner classischer Musik in ihm völlig vor dem Tondrama Baireuths capitulirt hatte. Der vieljährige Anhänger und Lobredner des britischen Dichterfürsten, er, der selten bei den Weimarer Jahresversammlungen der deutschen Shakespeare-Gesellschaft fehlte, – woselbst er auch zwei Mal, 1881 und 1885, einen originellen Festvortrag gehalten hat – revidirte und commentirte mit seinem Hallenser Mitforscher Benno Tschischwitz die sogen. Schlegel-Tieck’sche Shakespeare-Uebersetzung für Grote’s illustrirte Ausgabe (1874, neue Aufl. 1889), wofür er namentlich knappe, phrasenlose Einleitungen beisteuerte; ähnlich hat er gemeinsam mit R. Boxberger für desselben Verlegers künstlerisch illustrirte Ausgabe (1875; 2. Aufl. und Ausgabe ohne Bilder 1882) „Lessing’s Werke“ durchgesehen, theilweise eingeleitet und mit einem „in künstlerischer Gedrungenheit meisterhaft gezeichneten“ Lebens- und Charakterbilde seines anderen Lieblingsclassikers überaus angemessen bevorwortet. – Ein halb Jahr nach R. Gosche’s bitter beklagenswerthem Selbstmord [474] brachte ein Sammelband „Richard Gosche. Erinnerungen für seine Freunde. Biographie und ausgewählte Aufsätze“ (1890; mit Porträt) dreizehn litterar-, cultur- und kunstgeschichtliche Vorträge und Arbeiten aus den Jahren 1858 bis 1889, die damit aus verwehenden Journalblättern gerettet werden und wenigstens in einer Auslese den weitumschauenden Essayisten für die Nachwelt festhalten; vorausgehen da von seinem alten Altersgenossen und Freunde Dr. Albert Fränkel (1822–1902) pietät- und einsichtsvolle „Rückblicke auf Richard Gosche’s Leben“ (S. V–XXXV), die die Hauptquelle dafür bleiben, und eine Skizze Prof. Georg Ebers’ „Richard G. als Orientalist“ (S. XXXVI–XXXVIII). Ich selbst hatte vorher, meist auf eigene Kenntniß bezw. die Eindrücke von meinem mit G. befreundet gewesenen Vater Max Fr. († 1881) hin in Druck gegeben „Richard Gosche. Ein Charakterbild“, „Unsere Zeit“, Jhrg. 1890, 7. H., S. 90–94, dessen Ausführungen die diesmalige Darstellung vielfach ergänzen mag und daher hier nicht ausgeschrieben worden ist, ebensowenig wie mein vorher erschienener Artikel „Richard Gosche, ein deutscher Musterbibliograph“ in: „Das Archiv. Bibliographische Wochenschrift“ III (1890), Nr. 8, S. 63. – Unter den Zeitungsnachrufen, deren Kenntniß ich größtentheils den Töchtern R. Gosche’s verdanke, ragen nur hervor der des Freundes A. Fr(änkel) in der „Illustrirt. Ztg.“ Nr. 2419, S. 483 f. (mit Porträt), der von A(dolf) B(rieger) in der „Saale-Ztg.“ Nr. 255 Vom 31. Oct. 1889 (s. auch ebenda Nr. 171 von 1890 Ad. Brieger’s ausführliche, kundige Anzeige obengenannter Erinnerungen und Aufsätze), „Neue Stettiner Ztg.“ Nr. 508 vom 30. Oct. 1889 (anonym). Die genauen Tagesdaten für vier wichtige Staffeln in Gosche’s Gelehrtenlaufbahn oben S. 470 f. nach den Angaben im kurzen Nekrolog Beilage zu Nr. 254 des „Halle’schen Tageblatts“ vom 30. Oct. 1889, die für die beiden Professurverleihungen in den Jahresziffern von allen übrigen Quellen (inbegriffen A. Fränkel’s authentisch angelegten Aufsatz, der auch 1861 und 1863 nennt) abweichen. – Meyer’s Deutsches Jahrbuch I (1872) S. 956 über Gosche’s wissenschaftliche Leistungen. Dessen Vorreden zu den drei Jahrgängen seiner zwei litterarhistorischen Periodica, sowie Eingänge und Schlüsse seiner bibliographischen Uebersichten sind für seine bezüglichen Anschauungen, aber auch für Persönliches wichtig. – Vgl. Shakespeare-Jahrbuch 17, 1 u. 4; 21, 1 bis 14; 25, 307–9 (Nekrolog).