ADB:Gottsche, Karl Moritz

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Artikel „Gottsche, Karl Moritz“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 491–493, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gottsche,_Karl_Moritz&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 02:31 Uhr UTC)
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Gottsche: Karl Moritz G., Arzt und botanischer Schriftsteller, geboren zu Altona am 3. Juli 1808, † ebendort am 28. September 1892. Nachdem G. in seiner Heimathsstadt bis zu seinem sechszehnten Jahre privaten Unterricht erhalten hatte, kam er auf das Gymnasium nach Hirschberg in Schlesien, wo seine Familie fünf Generationen hindurch ansässig gewesen war und bezog nach beendeter Gymnasialzeit 1828 die Universität Berlin, um Medicin zu studiren. Hier führten ihn Brandt und Ratzeburg in die Naturwissenschaften, vornehmlich in die Botanik ein, für welche er schon während seiner Schulzeit besondere Neigung gezeigt hatte. Am 24. August 1831 wurde er auf Grund seiner Dissertation: „De diagnosi stethoscopica“ zum Dr. med. promovirt und ging alsdann nach Kopenhagen, um noch die für das Staatsexamen erforderlichen zwei Pflichtsemester auf einer Landesuniversität zu hören. Denn seine [492] Vaterstadt Altona war zu jener Zeit noch dänisch. In Kopenhagen verblieb G. bis April 1834, eine Zeit lang als Assistent an der königlichen Gebäranstalt thätig, absolvirte dann seine Staatsprüfung und kehrte nach Altona zurück. Während seines Aufenthaltes in der dänischen Hauptstadt trat er zu dem Zoologen Eschricht in nähere Beziehung, der ihn für die Zoologie so zu interessiren wußte, daß die Botanik für einige Zeit ganz zurücktrat. Auch in Altona, wo er sich als praktischer Arzt niederließ, verwendete er seine freie Zeit zu anatomischen und zoologischen Untersuchungen, in der Absicht, sich ganz der Zoologie zu widmen, wozu ihm die damalige Vermögenslage seines Vaters, eines wohlhabenden Rheders, günstige Aussicht bot. Er mußte indessen seinen Plan aufgeben, als 1837 sein Vater starb und die erwarteten Geldmittel infolge inzwischen eingetretener großer Verluste nicht vorhanden waren. So widmete er sich denn der ärztlichen Praxis und kehrte daneben zu seiner botanischen Liebhaberei zurück. Zunächst sammelte er die Phanerogamen von Altona, beschäftigte sich aber vorwiegend mit Moosen. Begleiter auf seinen Excursionen war der damalige Apothekerprovisor Hampe, der ihn mit dem Director des Hamburger botanischen Gartens, Lehmann bekannt machte. G. besaß ein nicht gewöhnliches Zeichentalent und die Sorgfalt, mit welcher er alles, was er beobachtete aufzeichnete, besonders seine Zeichnungen der Laub- und Lebermoose, veranlaßten Lehmann, ihn bei Lindenberg, damals Amtmann in Bergedorf, einzuführen, der seinerseits wieder Chr. Nees v. Esenbeck in Breslau auf ihn aufmerksam machte. Dieser Kreis von Männern wurde für Gottsche’s botanische Richtung entscheidend. Er wendete sein Interesse dem von Nees und Lindenberg geplanten Werk: „Synopsis Hepaticarum“ zu und erhielt durch seine Beschäftigung mit diesem Gegenstand zum ersten Male einen Einblick in die Welt der tropischen Lebermoose und deren Formenreichthum, so daß er sich neben seinem Berufe von nun an ausschließlich dem Studium dieser niederen Gewächse widmete. 1841 forderte ihn Nees auf, sich an der Mitherausgabe der Synopsis zu betheiligen. G. ging nicht allein auf den Vorschlag ein, sondern übernahm auch den Löwenantheil der Arbeit an dem Werke, in welchem alle bis dahin bekannten Lebermoosformen der Erde beschrieben wurden und welches auch jetzt noch für jeden Hepaticologen als Grundlage zu seinen Studien dient. Mit außerordentlichem Fleiße und der peinlichsten Sorgfalt in den Zeichnungen lieferte G. bis zum Jahre 1847 die Bearbeitung der beiden größten Tribus, der Trichomanoideae und der Jubuleae, die Hälfte des ganzen Buches, und mußte außerdem noch die Manuscripte seiner beiden Mitarbeiter redigiren und die Druckcorrecturen lesen. Inzwischen hatte er noch zwei andere botanische Arbeiten vollendet: die ausgezeichnete anatomisch-physiologische Untersuchung über Haplomitrium Hookeri (Acta Acad. Leop. Vol. XX, 1843, die weithin große Anerkennung fand, und eine Beschreibung neuer Gattungen und Arten von Lebermoosen für Lehmann’s „Pugillus novarum stirpium“ (Bd. 8), als Osterprogramm des Akademischen Gymnasiums zu Hamburg 1844 erschienen. Ein umfassendes Material von Nachträgen zur Synopsis Hepaticarum, wozu G. zahlreiche Zeichnungen angefertigt, sollte als Supplementband herauskommen. Doch konnte sich der Verleger mit Rücksicht auf die Kostspieligkeit des Unternehmens nicht dazu entschließen. Ebensowenig wurde aus demselben Grunde die Herausgabe der „Species Hepaticarum“, zu welcher sich G. mit Lindenberg verband, zu Ende geführt. Es sind nur die Gattungen Lepidozia mit 12 Tafeln und Mastigobryum und Micropterygium, zusammen mit 13 Tafeln als zweiter Band in den Jahren 1846–51 im Druck erschienen. Eine durch die Genauigkeit der Abbildungen sehr werthvolle Arbeit veröffentlichte G. 1845 in den Acten der Leopoldina: „Ueber die Fructification [493] der Jungermanniae geocalyceae“, welcher er als Fortsetzung „Neuere Untersuchungen u. s. w.“ in den Abhandlungen des Hamburger Naturwissenschaftlichen Vereins 1880 folgen ließ. Auch an dem von Rabenhorst herausgegebenen Exsiccatenwerke europäischer Lebermoose betheiligte sich G. von 1862 an durch Uebernahme der Decaden 21–66. Mit dem Jahre 1879 schloß das Unternehmen ab und blieb dann nach dem zwei Jahre später erfolgten Tode Rabenhorst’s ganz liegen. Gottsche’s außerordentliche Litteraturkenntniß auf dem Gebiete der Lebermoose und seine Vertrautheit mit den meisten europäischen Sprachen ließen ihn dem Herausgeber der Botanischen Zeitung, v. Schlechtendal sehr geeignet erscheinen, eine „Uebersicht und kritische Würdigung der seit dem Erscheinen der Synopsis Hepaticarum bekannt gewordenen Leistungen in der Hepaticologie“ zu verfassen. G. lieferte den gewünschten Artikel im Beiblatt zum 16. Jahrgang der Zeitung 1858, der durch sein kritisches, zum Theil rücksichtslos scharfes Urtheil das Interesse der Fachgenossen erweckte. Es folgte in der späteren Zeit noch eine ganze Reihe größerer und kleinerer Publicationen über außereuropäische Lebermoose, von denen in erster Linie die 1867 in Kopenhagen erschienenen: „Hepaticae Mexicanae“, welche 20 Tafeln und 284 Seiten Text bringen, hervorzuheben sind. Ein vollständiges Verzeichniß sämmtlicher Veröffentlichungen Gottsche’s, auch der medicinischen und zoologischen, findet sich in dem unten angegebenen Nachrufe von Joseph Jack. Da G. seine wissenschaftlichen Studien neben seiner ärztlichen Praxis treiben mußte, so kürzte er, um Zeit zu gewinnen, oft seine Nachtruhe ganz erheblich, mikroscopirte auch nicht selten bei Lampenlicht. Dadurch zog er sich eine Schwäche der Augen zu. Zwar konnte er noch am 24. August 1881 sein fünfzigjähriges Doctorjubiläum in voller Frische feiern, bei welcher Gelegenheit ihn die Kieler Universität zum Dr. phil. hon. c. erhob, doch verschlechterte sich sein körperliches Befinden immer mehr, und nachdem er 1888 mehrere schwere Krankheiten überstanden hatte, schied er vier Jahre darauf im Alter von 84 Jahren infolge eines Schlagflusses aus dem Leben. Gottsche’s reiche Lebermoossammlung nebst seinen auf 4000 Quartblättern in 12 Bänden angefertigten Zeichnungen, sowie 5 Bände schriftlicher Aufzeichnungen sind durch Kauf an das Berliner Botanische Museum übergegangen.

Joseph B. Jack, Nachruf (Berichte d. Deutsch. Bot. Gesellsch. Bd. XI, 1893). F. Stephani, Hedwigia 1892, Heft 6.