ADB:Heinrich VI. (Herzog von Kärnten)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Heinrich, Herzog von Kärnthen, Graf von Tirol“ von Alfons Huber in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 527–529, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_VI._(Herzog_von_K%C3%A4rnten)&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 01:38 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 11 (1880), S. 527–529 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Heinrich von Kärnten in der Wikipedia
Heinrich von Kärnten in Wikidata
GND-Nummer 136977103
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|11|527|529|Heinrich, Herzog von Kärnthen, Graf von Tirol|Alfons Huber|ADB:Heinrich VI. (Herzog von Kärnten)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=136977103}}    

Heinrich, Herzog von Kärnthen, Graf von Tirol, auch König von Böhmen, † am 2. April 1335. Er war der dritte Sohn des Grafen Meinhard II. von Tirol, ersten Herzogs von Kärnthen aus dem Hause der Görzer, und der Elisabeth von Baiern, die in erster Ehe mit König Konrad IV. vermählt gewesen war. Als Meinhard II. am 31. October 1295 starb, übernahmen seine drei Söhne die Regierung von Tirol und Kärnthen; doch tritt der älteste, Otto, bis zu seinem am 25. Mai 1310 erfolgten Tode vor seinem jüngeren Bruder Ludwig († am 22. Septbr. 1305) und H. bei weitem in den Vordergrund. H. scheint übrigens von seinen Brüdern am meisten kriegerischen Sinn gehabt zu haben. Er zieht 1298 seinem Schwager Albrecht von Oesterreich mit 1000 schwer bewaffneten Reitern gegen König Adolf zu Hülfe und hat am Siege bei Göllheim, wo er das erste Treffen commandirte, wesentlichen Antheil, und auch beim Kampfe Albrechts gegen die rheinischen Kurfürsten ist es wieder H., der im Sommer 1301 demselben ein Heer gegen den Pfalzgrafen zu Hülfe führen will. Die Vermählung mit Anna, der ältesten Schwester des Königs Wenzel III. von Böhmen (13. Febr. 1306), die übrigens schon im Jahre vorher ihr Vater Wenzel II. mit ihm verlobt haben soll, bahnte ihm den Weg zum böhmischen Throne. Wenzel III. ward am 4. August 1306 auf einem Feldzuge gegen Polen ermordet, und da mit ihm der Mannesstamm der Přemysliden erlosch, so war eine große Partei in Böhmen geneigt, H. von Kärnthen, dem Wenzel auch für die Dauer seiner Abwesenheit die Landesverwaltung übertragen hatte, zum Könige zu wählen. Allein König Albrecht I., der Böhmen als erledigtes Reichslehen ansah, drang mit einem Heere ins Land ein und setzte es durch, daß die Böhmen seinen ältesten Sohn Rudolf als König anerkannten. H. ließ sich in keinen Kampf ein, sondern kehrte nach Tirol zurück. Doch ward Rudolf schon am 4. Juli 1307 von der Ruhr hinweggerafft und nun erhob die kärnthnerische Partei neuerdings ihr Haupt. H. ward zur Rückkehr nach Böhmen eingeladen und am 15. August 1307 zum Könige von Böhmen gewählt. Ein Angriff, den Albrecht I. im Herbste dies. Js. auf Böhmen unternahm, ward glücklich abgewehrt und dem weiteren Kriege durch Albrechts Ermordung ein Ende gemacht. Die Herrschaft Heinrichs in Böhmen schien gesichert. Allein H. verstand es nicht, sich die Gunst der Böhmen, welche ihm als Gemahl einer einheimischen Prinzessin anfangs zu Theil geworden, dauernd zu erhalten. Er war ein schöner, körperlich kräftiger, auch gutmüthiger Mann, aber ein vergnügungssüchtiger und schwacher Fürst, der weder seine Finanzen in Ordnung, noch die Parteien im Zaume zu halten vermochte. Bald standen sich der unbotmäßige böhmische Adel und das aufstrebende vorherrschend deutsche Bürgerthum besonders der reichen Städte Prag und Kuttenberg feindselig gegenüber und H. besaß nicht Kraft und Einsicht genug, sich über den Parteien zu halten und den Parteikämpfen ein Ende zu machen. Sein Ansehen und sein Einfluß schwand immer mehr, fast niemand kümmerte sich mehr um seine Befehle, man sprach von seiner Absetzung und der Erhebung eines neuen Königs. Dies benutzte der neue deutsche König Heinrich VII., der ebenfalls Böhmen als heimgefallen erklärte, um seinem Sohne Johann, den er mit der jüngeren Schwester der böhmischen Königin vermählte, die Krone von Böhmen zu verschaffen. Im October 1310 zog Johann, der am 30. August von seinem Vater die Belehnung mit Böhmen erhalten [528] hatte, an der Spitze eines deutschen Heeres gegen H. zu Felde. H. hatte in letzter Zeit mit Hülfe von Truppen, die er theils aus Kärnthen und Tirol herangezogen, theils vom Markgrafen von Meißen erhalten hatte, seine Stellung wieder befestigt, und da auch die Bürger meist zu ihm hielten, so widerstand er anfangs mit Erfolg. Als aber sein Gegner sich am 3. December durch Verrath der Hauptstadt Prag bemächtigte, gab er seine Sache für verloren und kehrte mit seiner Gemahlin nach Tirol zurück, wo er bis zu seinem Tode den leeren Titel eines „Königs von Böhmen und Polen“ fortführte. H. legte auch als Regent von Kärnthen (dessen Verwaltung er einem Hauptmann übertrug) und von Tirol keine große Befähigung an den Tag. Zwar genossen diese Länder im Innern einer ununterbrochenen Ruhe, die Städte wurden begünstigt, der Verkehr gefördert. Aber die Nachwehen des Kampfes um Böhmen und Heinrichs Vergnügungssucht und Freigebigkeit gegen Kirchen und Klöster, Verwandte und Adeliche zerrütteten seine Finanzen und die Noth des Herzogs, der manchmal selbst eine geringfügige Summe nicht zu zahlen vermochte, ward noch gesteigert durch die Unredlichkeit Einzelner von denen, welche die Verwaltung der verschiedenen Aemter in den Händen hatten. Die Verpfändung von Verwaltungsgebieten und Gütern wurde immer häufiger und dadurch mußten die Einkünfte nur noch mehr vermindert werden. Dies lähmte nothwendig auch das Auftreten Heinrichs nach außen. In der ersten Hälfte seiner Regierung ist dies noch weniger der Fall. 1314 zog er nach Frankfurt, wo er als König von Böhmen Friedrich dem Schönen seine Stimme gab. Als dieser im Herbste 1315 einen Angriff auf Baiern unternahm, machte auch H. große Rüstungen, scheint aber zu spät mit diesen fertig geworden zu sein. Auch 1316 schickte er Friedrich zum Angriffe auf Eßlingen Unterstützung. Aber von dieser Zeit an betheiligte er sich am Kampfe der beiden Gegenkönige nicht mehr. Er beschränkte sich auf diplomatische Schritte, um nach der Schlacht bei Mühldorf eine Aussöhnung der Habsburger mit Ludwig dem Baiern herbeizuführen. Eine Zeit lang griff er auch in die Verhältnisse Oberitaliens ein. Am 6. Septbr. 1321 wurde er vom König Friedrich zum Reichsvicar in Padua ernannt und da am 24. April 1323 sein Vetter Heinrich von Görz, Reichsvicar in Treviso, starb, übernahm er als Vormund des minderjährigen Sohnes desselben auch die Verwaltung dieser Stadt. 1324 zog er selbst nach Italien, um Padua gegen die Angriffe des Cane della Scala, Herrn von Verona, zu schützen. Allein von da an erlahmt seine Thätigkeit und beide Städte, Padua im September 1328, Treviso im Juli 1329, fielen in Cane’s Hände. Wenn H. trotz seiner Schwäche und der mit den höheren Jahren immer mehr zunehmenden Unthätigkeit auch in den nächsten Jahren noch eine gewisse Rolle spielte, so war dies nur Folge des Strebens einzelner Fürsten, ihn zu beerben. H. hatte nämlich von seinen Gemahlinnen, Anna von Böhmen († am 3. Septbr. 1313) und Adelheid von Braunschweig († am 18. August 1320), keinen Sohn, sondern nur zwei Töchter, Adelheid (geb. 1317) und Margaretha (geb. 1318), welche mit den Söhnen seines verstorbenen Bruders Otto seine Alode und die Weiberlehen, zu denen fast alle tirolischen Grafschaften gehörten, erben mußten. Schon im April 1321 wendete sich der ehrgeizige Böhmenkönig Johann an H., der eben Wittwer geworden war, und versprach dem geldbedürftigen Fürsten die Hand seiner Schwester Maria und eine große Mitgift, wenn eine Tochter desselben mit seinem Sohne Karl vermählt würde. Als Maria Heinrichs Hand ausschlug, trug er ihm eine Verwandte und eine doppelt so große Geldsumme an. Da auch diese von der Heirath nichts wissen wollte und so die Unterhandlungen ins Stocken geriethen, so benutzte dies Albrecht II. von Oesterreich, um die enge Verbindung Heinrichs mit dem Böhmenkönige zu hintertreiben, indem er ihm 1326 in der Person der [529] Beatrix von Savoyen, Schwägerin seines Bruders Leopold, eine Gemahlin verschaffte. Allein König Johann gab seine Pläne nicht sobald auf. Er versprach auch der neuen Braut Heinrichs dieselbe Aussteuer und bewirkte dadurch, daß auch dieser der früheren Verabredung treu blieb. Im October 1327 ward der zweite Sohn des Böhmenkönigs, Johann Heinrich, als Bräutigam einer Tochter Heinrichs nach Tirol gebracht und im September 1330 mit Margaretha (Maultasch) vermählt. Ludwig der Baier, der sich bei seinen beabsichtigten Unternehmungen gegen Italien H. wegen der Lage seiner Länder vor allen geneigt machen mußte, hatte ihm schon 1327 beim Antritte seines Römerzuges das Privileg verliehen, daß, wenn H. keine Söhne hinterließe, seine Töchter oder Bruderstöchter oder auch ein Gemahl derselben ihm auch in den Reichslehen, also auch in Kärnthen, sollten folgen dürfen, und dieses Privileg wurde von ihm als Kaiser am 6. Februar 1330 erneuert. Da nun Heinrichs dritte Gemahlin am 19. December 1331 kinderlos starb und seine ältere Tochter Adelheid 1334 wegen ihres Siechthums für regierungsunfähig erklärt und mit verschiedenen Einkünften abgefunden wurde, so schien die Nachfolge Margaretha’s und ihres Gemahls Johann von Böhmen gesichert, als H. am 2. April 1335 auf dem Schlosse Tirol aus dem Leben schied.

Egger, Geschichte Tirols, 1. B. Schlesinger, Die Deutschböhmen u. die Regierung Heinrichs von Kärnthen (Mitth. d. Vereins f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen, 5, 69–80). G. Heidemann, Heinrich von Kärnthen als König von Böhmen (Forschungen zur deutschen Geschichte, IX, 471–510).