ADB:Hoffstetter, Gustav von

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Artikel „Hoffstetter, Gustav von“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 619–621, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hoffstetter,_Gustav_von&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 15:05 Uhr UTC)
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Hoffstetter: Gustav v. H., eidgenössischer Oberst, geb. am 6. April 1818 in Aschaffenburg (Baiern), † am 9. Febr. 1874 in Thun (Schweiz). – Die ursprüngliche Heimath des Geschlechtes v. H. ist Tirol, von wo dasselbe im [620] vorigen Jahrhundert nach Baiern einwanderte. Hoffstetter’s Vater war bairischer Officier (zuletzt Major) und diente mit Auszeichnung in den Feldzügen des ersten Napoleon; von seinen beiden Brüdern, die sich gleichfalls dem Soldatenstande gewidmet hatten, starb der eine als Hauptmann in der Schlacht bei Wörth (6. Aug. 1870) den Heldentod. Seine erste Ausbildung erhielt H. in der Münchener Kadettenschule, in welche er 1829 eintrat. Die strenge, ja harte Zucht dieser Anstalt widerstrebte seinem schon damals stark entwickelten Unabhängigkeitssinn und veranlaßte wiederholte Conflicte zwischen ihm und dem beaufsichtigenden General. Nachdem er die sechs Klassen der Schule durchlaufen hatte, wurde er als Unterofficier in ein zu Würzburg garnisonirendes Artillerieregiment eingereiht. Wenn er sich hier auch durch vorzüglichen Lerneifer auszeichnete, so bot doch die stille Friedenszeit keine Aussicht auf baldige Beförderung, weshalb er 1841 mit Freuden die Gelegenheit ergriff, als Officier in das Contingent von Hohenzollern-Sigmaringen einzutreten und sich an der Neugestaltung des dortigen Wehrwesens zu betheiligen. Seine Absicht, darauf nach Algier zu gehen, wurde durch die Verweigerung des Urlaubs vereitelt; dagegen erhielt er die Erlaubniß, dem schweizerischen Sonderbundskriege von 1847 beizuwohnen. Weil aber der eidgenössische Oberbefehlshaber, General Dufour, in der Erwägung, daß es sich hier nicht um einen Krieg, sondern nur um eine Execution handele, alle fremden Officiere von der Theilnahme am Feldzuge ausschloß, so wußte sich H. dieselbe dadurch zu verschaffen, daß er als Oberlieutenant in ein Berner Bataillon eintrat. Er wohnte mehreren Gefechten bei und zeichnete sich namentlich in demjenigen von Gislikon (23. Nov.) durch Tapferkeit aus. 1848 übernahm er mit Zustimmung der fürstlichen Landesregierung den Befehl über die Bürgerwehr in Sigmaringen. Im folgenden Jahre, als der Aufstand in Baden durch preußische Truppen unterdrückt worden war, sah sich der demokratisch gesinnte H. mit Gefangennahme bedroht und entzog sich derselben durch die Flucht nach der Schweiz. Da sich seine Hoffnung, hier eine militärische Anstellung zu finden, nicht sobald erfüllte, ging er Ende April 1849 nach Rom, um der nach der Flucht Pius’ IX. entstandenen jungen „römischen Republik“ seine Dienste anzubieten; betheiligte sich am 9. Mai 1849 unter Garibaldi an dem siegreichen Gefecht bei Palestrina gegen die Neapolitaner und erhielt gleich darauf eine Anstellung als Hauptmann im Generalstabe Garibaldi’s. Als solcher machte er am 19. Mai das Gefecht bei Velletri gegen die Neapolitaner mit und war ebenso am 3. Mai in dem blutigen Kampfe vor der Porta S. Pancrazio gegen die Franzosen. Am 26. Juni zum Major und am 30., dem Tage der Capitulation von Rom, zum Chef des Stabes an des gefallenen Obersten Manara Stelle ernannt, übernahm er eine hervorragende Rolle bei dem am 2. Juli Abends 10 Uhr erfolgenden Rückzuge Garibaldi’s. Er traf die Vorkehrungen zum Abmarsch und sorgte für die Deckung der Nachhut. Das kleine Garibaldische Heer, welches 2500 Mann Fußvolk, 400 Pferde und eine einzige vierpfündige Kanone zählte, nahm seinen Weg ostwärts nach Tivoli und hierauf nordwärts über Mentana, Terni, Orvieto, unweit des trasimenischen Sees und am Chianakanal vorüber nach Arezzo, um von da nordöstlich über den Monte Luna und Macerata nach dem Gebiete der Republik S. Marino zu gelangen, wo die Ankunft am 31. Juli erfolgte. Bis dahin den nachfolgenden Franzosen glücklich entgangen, sah man sich hier von einer österreichischen Uebermacht bedroht, so daß Garibaldi, um unnützes Blutvergießen zu vermeiden, mit dem feindlichen Befehlshaber eine Uebereinkunft schloß, infolge deren die nur noch 1800 Mann starke Colonne am 1. August die Waffen streckte. Wie Garibaldi, so hielt es auch H. gerathen, sich der ihm drohenden Gefangennahme zu entziehen. Mit Hülfe italienischer Patrioten gelangte er durch das von den Oesterreichern besetzte Land [621] über Bologna und Mailand nach Chiasso, wo er mit erleichterter Seele die schweizerische Grenze überschritt. Diesen kurzen, aber ereignißvollen Abschnitt seines Lebens hat H. in dem „Tagebuch aus Italien 1849“, 1851 (2. Aufl. auch u. d. T.: „Garibaldi in Rom 1849“, 1860) in anziehender Weise geschildert. Nachdem er in der Schweiz durch die Bemühung von Freunden das Bürgerrecht von Eggenwyl (Aargau) erlangt hatte, hielt er 1851 zunächst eine Anzahl kriegswissenschaftlicher Vorträge in den Kantonen Zürich und Aargau, welche mit dazu beitrugen, daß ihm im folgenden Jahre die Stelle eines Oberinstructors des Kantons St. Gallen verliehen wurde. Die Wirksamkeit, welche er nun entfaltete, war eine so erfolgreiche, daß die ihm untergebenen Truppen sich bald als die bestgeschulten der Schweiz erwiesen. 1859 wurde er kantonaler und 1860 eidgenössischer Oberst. Während er bisher schon mehrfach zur Leitung der Instructorenschule in Thun beigezogen worden war, trat er 1866 als Oberinstructor der Infanterie und Adjunct des Militärdepartements völlig in den Dienst der Eidgenossenschaft. Auch auf diesem schwierigeren Posten war seine Thätigkeit eine tief eingreifende. Kenntnißreich und energisch, dabei offen und gerade, bereitete er die erst in neuester Zeit vollzogene Centralisation des eidgenössischen Milizwesens wirksam vor. Mit pädagogischem Geschick ertheilte er den Unterricht im Generalstabsdienst, und wie er schon in St. Gallen an Beispielen aus dem französisch-preußischen Feldzuge von 1806 Taktik gelehrt hatte, so that er es in Thun nach dem von ihm gesammelten Material über die Kriege von 1859 und 1866. Die Schlachtfelder in Böhmen nahm er zu diesem Zwecke persönlich in Augenschein. An einer ähnlichen Behandlung des Krieges von 1870/71 verhinderte ihn der Tod. Sodann wendete er dem Kartenlesen eine besondere Aufmerksamkeit zu, wobei zugleich das theoretisch Gelernte auf Recognoscirungen geübt und verwerthet wurde. In nicht geringerem Maße sorgte er für die Ausbildung der Infanterie und rief hier namentlich durch die Gründung einer Corporalschule eine einheitliche Lehrmethode für die gesammte Schweiz ins Leben. Auch das Turnen wurde durch ihn in die Soldatenschule eingeführt. Als Schriftsteller seines Faches hat er außer dem oben erwähnten „Tagebuch“ noch Folgendes veröffentlicht: „Die Obliegenheiten der einzelnen Grade nebst dem Wach- und Sicherheitsdienst nach dem eidgenössischen Dienstreglement. Mit einem Plan und mehreren in den Text gedruckten Figuren“, 1853; „Das Exercierreglement für die eidgenössischen Truppen mit taktischen Erläuterungen und Begründungen“, 1855; „Der Bedeckungsdienst bei Geschützen“, 1856. Außerdem lieferte er eine Reihe fachwissenschaftlicher Aufsätze in die „Allgemeine Schweizerische Militär-Zeitung“. – H. erlag nach kurzem Krankenlager einem Unterleibsleiden, das ihn seit 1871 mit öfteren Rückfällen heimgesucht hatte. Seine Leiche wurde von Thun nach Bern übergeführt und mit militärischen Ehren am 12. Februar 1874 auf dem dortigen Friedhofe beigesetzt.

Der Bund (Bern), Nr. 40 vom 10. Februar 1874. – Neue Zürcher Zeitung Nr. 80 u. 82 vom 13. u. 14. Febr. 1874. – Le Lien Fédéral nr. 14, 17. Février 1874. – Schweizer Grenzpost (Basel), Nr. 46 u. 47 vom 24. u. 25. Febr. 1874. – Allgemeine Schweizerische Militär-Zeitung (Basel) Nr. 11 vom 21. März 1874, S. 85–89. Familiennachrichten.