ADB:Jachmann, Reinhold Bernhard

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Artikel „Jachmann, Reinhold Bernhard“ von Wilhelm Schrader in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 528–530, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jachmann,_Reinhold_Bernhard&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 07:04 Uhr UTC)
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Jachmann: Reinhold Bernhard J., Dr. phil., Geheimer Regierungs- und Provinzialschulrath, den 16. August 1767 in Königsberg in Ostpreußen geboren, vorgebildet auf dem dortigen Altstädtschen Gymnasium, bezog eben daselbst 1783 die Universität, um Theologie zu studiren. Er trat sofort in nähere Beziehung zu Kant, dessen System er mit vollem Verständniß in sich aufnahm und dessen Zuneigung er in so hohem Grade erwarb, daß seine im J. 1800 erschienene Schrift: „Prüfung der Kantischen Religionsphilosophie in [529] Hinsicht auf die ihr beigelegte Aehnlichkeit mit dem reinen Mysticismus“ von Kant mit einer besonderen Einleitung eingeführt wurde, in welcher dieser ausdrücklich seine stete Freundschaft für J. bezeugt. Diese Schrift beurtheilt mit philosophischer Schärfe und in gefälliger Darstellung den Mysticismus und überhaupt die Möglichkeit einer unmittelbaren Offenbarung nach den in den beiden ersten Kant’schen Kritiken entwickelten Grundsätzen. Und andererseits verlieh J. seiner Verehrung Kant’s und seiner Vertrautheit mit dessen Denk- und Lebensweise einen schönen und dankbaren Ausdruck in seiner 1804 (Königsberg) erschienenen Schrift „I. Kant geschildert in Briefen an einen Freund“; es verdient bemerkt zu werden, daß Kant ihn selbst als Biographen gewünscht hatte. Seit 1794 war J. dritter Prediger und Rector der damaligen gelehrten Schule in Marienburg, welche 1815 erlosch und erst 1860 als Gymnasium wieder ins Leben trat. Auf Grund seiner pädagogischen Bewährung und seiner vorgedachten philosophischen Bildung wurde J. im J. 1801 mit unbeschränkter Vollmacht zum Director des Provinzialschul- und Erziehungsinstitutes berufen, welches aus dem ansehnlichen Vermächtniß des Freiherrn C. F. von Conradi[WS 1] zu Jenkau bei Danzig gegründet wurde. Ursprünglich in zweifacher Gliederung als Elementar- und als höhere Schule, jedoch mit humanistischem Ziele gedacht, nahm die Anstalt, welche sich wesentlich in der Form eines Alumnats bewegte, unter Jachmann’s Einwirkung mehr den Charakter einer Vorbereitungsschule für die Universität an, zumal nach dem ersten Jahrzehnt, welches J. selbst als den Zeitraum des Experiments bezeichnet, Fr. Passow als Mitdirector und August Meineke als Lehrer hinzutraten. Bis dahin hatte J. die Anstalt mit dem pädagogischen Interesse und Verständniß geleitet, welches im Anfange dieses Jahrhunderts die edleren Geister der Nation erfüllte; Passow selbst bezeugt ihm wiederholt neben persönlicher Liebenswürdigkeit eine vortreffliche Einwirkung auf die sittliche und die allgemeine Verstandesbildung der Zöglinge. J. hatte aber auch, hierin über Kant hinausgehend und offenbar im Anschluß an Fichte, bald die nationale Erziehung der Schüler mit klarem Zweckbewußtsein als eine wesentliche Aufgabe erfaßt und deshalb dem deutschen Unterricht unter Herbeiziehung unserer frisch entdeckten mittelalterlichen Volksepen ein besonderes Gewicht verliehen; kein Zweifel, daß er hierin durch die nationale Schmach jener Jahre bestärkt wurde, zumal er schon 1807, wenn auch damals ohne nachhaltigen Schaden für sein Institut, die erste Belagerung Danzigs anschauen mußte. Selbst die Nähe des von ihm sorgfältig gemiedenen französischen Gouverneurs Rapp schreckte ihn in diesen Bestrebungen nicht, die er um so eifriger aufnahm, je engere Geistesbande ihn auch in dieser Hinsicht mit Passow verknüpften. So gewann das Institut unter beiden Directoren eine weit über seinen nächsten Zweck hinausragende Bedeutung; beide gaben vereint und mit der theils zugesagten, theils wirklich ausgeführten Mitarbeiterschaft von Fichte, F. A. Wolf, H. Voß, Fr. Jacobs, Joh. Schulze, Scheffner u. a. im J. 1812 das „Archiv deutscher Nationalbildung“ heraus (4 Hefte, Berlin bei Maurer), welches nach dem Vorwort zum vaterländischen Sammelplatz, zur Berathung derjenigen Gegenstände bestimmt war, von deren Anwendung die höhere Bildung und Veredelung der deutschen Nation abhänge. Hierauf richten sich besonders vier Aufsätze von J. selbst: Ideen zur Nationalbildungslehre, die Nationalschule, die Berücksichtigung der Individualität bei der Erziehung, und das Wesen der Nationalbildung, welche sämmtlich warme Vaterlandsliebe und ein philosophisch geübtes Denken bekunden, wenn gleich der letzte sich überwiegend in formalen Begriffs- und Zweckbestimmungen bewegt. Indeß machte die zweite Belagerung Danzigs 1813 mit ihrer Verwüstung der Conradischen Stiftsgüter der Wirksamkeit des jungen Instituts vorläufig ein Ende, und erst 1819 konnte [530] dasselbe, wenn auch mit veränderter Bestimmung wieder eröffnet werden. J. war inzwischen 1814 zum Regierungsschulrath ernannt und ihm die Wahl seines Berufsorts zwischen Frankfurt und Gumbinnen frei gestellt, er zog die letztere Stadt als geborener Ostpreuße und auch wol aus Bewunderung für den dortigen Präsidenten von Schön vor, der gleich ihm ein überzeugter Schüler Kant’s war. Dort stiftete J. zur Unterstützung begabter Jünglinge die Friedensgesellschaft zum dankbaren Andenken an den eben errungenen Frieden, und als er 1816 mit Schön an die neuerrichtete Regierung in Danzig übertrat, rief er hier eine gleiche Gesellschaft ins Leben, welche beide noch in fruchtbarer Wirksamkeit bestehen. In Westpreußen entfaltete J. unter Schön eine erfolgreiche Thätigkeit nicht nur für die Gymnasien, von denen hauptsächlich das zu Conitz ihm viel zu danken hat, sondern mehr noch durch Neubegründung, Wiederbelebung und Beaufsichtigung des arg darniederliegenden Volksschulwesens, so daß ihm Leben und Thätigkeit in Danzig inmitten eines höchst anregenden Freundeskreises stets besonders lieb geblieben ist. Im J. 1817 wurde J. von der Universität zu Breslau zum Dr. phil. ernannt. Als nach der schon früher vollzogenen Vereinigung von Ost- und Westpreußen für beide auch ein gemeinsames Provinzialschulcollegium in Königsberg eintrat, siedelte J. als Geh. Regierungsrath dorthin über und leitete seitdem nach Dinter’s Tode das Gymnasialwesen der Provinz. In dieser Amtsthätigkeit starb er auf einer Dienstreise in Thorn den 28. Sept. 1843 und hat auch dort seine Ruhestätte gefunden.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Carl Friedrich Freiherr von Conradi (1742–1798), letzter Nachkomme eines alteingesessenen Danziger Patriziergeschlechts und Schulstifter. Siehe den Artikel von Hans-Jürgen Kämpfert über ihn in der Ostdeutschen Biographie.