ADB:Johann Wilhelm (Herzog von Sachsen-Weimar)

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Artikel „Johann Wilhelm, Herzog zu Sachsen“ von Ernst Wülcker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 343–350, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_Wilhelm_(Herzog_von_Sachsen-Weimar)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 09:26 Uhr UTC)
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Johann Wilhelm, Herzog zu Sachsen, geb. am 11. März 1530 zu Torgau, † am 2. März 1573 zu Weimar, war das zweite Kind Johann Friedrich des Großmüthigen, Herzogs zu Sachsen, Kurfürst und der Sibylla, Tochter des Herzogs von Cleve und Jülich. In seiner Kindheit erhielt er mit seinem Bruder Johann Friedrich gemeinsamen Unterricht, früh wird seine Frömmigkeit, besonders seine Begeisterung für Luther, dann seine Vorliebe für Kriegswesen hervorgehoben. In reiferen Jahren hat er sich wol gleich seinem älteren Bruder [344] zur Universität nach Wittenberg begeben. Trotz seiner Freude am Kriegswesen nahm er keinen Theil an den Kämpfen des schmalkaldischen Bundes in Süddeutschland, er blieb in den Kurlanden, leitete die Befestigung Gotha’s und des Grimmensteins, betheiligte sich aber gleich seinem Bruder an der unglücklichen Schlacht bei Mühlberg. Nach des Vaters Gefangennahme übernahmen Johann Friedrich und J. W. gemeinsam die Regierung der ihnen verbliebenen Länder und ihre Wege trennen sich erst im J. 1549, da J. W., dem Bruder die Regierungsgeschäfte überlassend, sich mit kleinem Gefolge an die Höfe fremder Fürsten begiebt. Wir finden ihn in Pommern und in Königsberg. Sein Aufenthalt außer Landes dauerte bis zum September 1552, wo der aus der Gefangenschaft zurückgekehrte Vater ihn nach Hause berief. Im J. 1554 starb Johann Friedrich der Großmüthige. Er hatte in seinem Testamente den Söhnen jede Landestheilung untersagt und die Brüder traten zu gemeinsamer Regierung zusammen. Bis 1557 blieb Alles gemeinschaftlich. Aber man erkannte allmählich, daß das kleine Land nur mit Mühe einen dreifachen Hof bestreiten könne. Die engen Verhältnisse, der knappe Zuschnitt, der am Hofe zu Weimar herrschte, mochten besonders schwer den unternehmungslustigen J. W. drücken und so entschloß er sich auswärts Dienste zu suchen. Aber auch Johann Friedrich der Jüngere fand es angenehmer Weimar zu verlassen. Seine Neigungen führten ihn einem stillen Gelehrtenleben zu und es zog ihn vom geräuschvollen Hofe zur Universitätsstadt. So kam es denn, daß die beiden jüngeren Brüder am 13. Mai 1557 dem älteren Johann Friedrich auf vier Jahre die Regentschaft übertrugen, daß Johann Friedrich der Jüngere nach Jena übersiedelte, um dort seinen Studien zu leben, J. W. aber nach Frankreich eilte, wo Philipp II. und Heinrich II. sich feindiich gegenüber standen. Zunächst wandte sich der thatenlustige Herzog an Spanien. König Philipp hatte sich schon im J. 1556 den Ernestinern genähert, er hatte sogar einen Gesandten nach Weimar geschickt und den Brüdern in einem schmeichelhaften Briefe geschrieben, er versehe sich guter Nachbarschaft gegenüber seinen niederburgundischen Erblanden. So war es denn nicht zu verwundern, daß J. W. zuerst Philipps Dienste aufsuchte. Letzterer hatte kurz zuvor große Vortheile erlangt, seine Feldherren waren in der gewaltigen Schlacht bei St. Quentin Sieger geblieben, die Blüthe des französischen Adels war vernichtet, der König von Spanien war auf die große Kunde hin selbst zum Heere geeilt und hatte nach der glorreichen Schlacht eine minder glorreiche Belagerung der Stadt begonnen. Hier traf ihn der Prinz und blieb bei dem königlichen Heere, bei der Eroberung von St. Quentin soll er betheiligt gewesen sein. Aber bald sehen wir J. W. die spanischen Fahnen verlassen und nach Weimar kehren und nehmen an, daß die katholische Majestät sich zu dem jungen eifrigen Protestanten wenig hingezogen fühlte, wie es denn auch J. W. in der Nähe eines Alba nicht gerade sehr behaglich sein mochte. Zu gleicher Zeit aber, und dies war gewiß das Ausschlaggebende, hatten jene Anerbietungen Seitens Frankreichs stattgefunden, – Anerbietungen, welche günstigere Aussichten eröffneten als der spanische Kriegsdienst. Da war denn der junge Herzog kurz entschlossen und trat in den Dienst seines bisherigen Gegners, allerdings unter der Bedingung, daß man ihn nicht wider Kaiser und Reich verwenden wolle. Sein Bruder Johann Friedrich aber überließ ihm den ganzen Jahresgehalt, den der König zahlte. Ehrenvoller als bei Philipp wurde der Herzog im französischen Heere aufgenommen. Heinrich übertrug ihm die Sorge für ein Reitergeschwader von 2000 Mann, das er nach damaliger Sitte selbst zu werben hatte und schenkte ihm, um ihn noch mehr zu fesseln, die Herrschaft Chatillon sur Seine. Und so leistete Heinrich allerdings unter anderen Verhältnissen dem Herzoge alles, was einst Franz I. dem Erbprinzen vor dem schmalkaldischen Kriege für den Fall [345] versprochen, daß er flüchtig nach Frankreich käme. Im Juni 1558 hatte der Herzog seine Truppen geworben und führte sie nach Frankreich. Damals war auch Grumbach in französische Dienste eingetreten und hatte für Frankreich eine beträchtliche Anzahl Truppen geworben. Kein Wunder, daß diese militärischen Ansammlungen bei dem allgemeinen Mißtrauen mancherlei Beunruhigung hervorriefen. Denn sie fielen in jene Zeiten, da gegen den Bischof von Würzburg der Anschlag ausgeführt wurde, der dem Kirchenfürsten das Leben kostete. Schon beim Auszuge der Truppen nach Frankreich war man in Süddeutschland ängstlich geworden: die Befürchtungen steigerten sich, als im October desselben Jahres der französische Krieg seinen vorläufigen Abschluß fand und die für Frankreich geworbenen Truppenmassen frei wurden. Es wurde erzählt, Herzog J. W. werde die Tochter des Königs von Navarra heirathen, jährlich 100,000 Gulden erhalten, Grumbach und Stein sowie die Räthe des Markgrafen Albrecht Alcibiades stünden ihm berathend zur Seite. Der Herzog wolle sich an die Spitze aller deutschen Söldner in Frankreich stellen und habe vor, im Winter einen Einfall in die bischöflichen Gebiete zu thun, sich an den Ständen des Reichs zu rächen und sich den Kurhut zu verschaffen. Besonders aber sei es auf Baiern abgesehen, das man mit Krieg überziehen wolle. – Aber diese Gerüchte waren durchaus unrichtig. Der Herzog erließ von Amiens aus einen Brief an den Herzog von Baiern, worin er auf das Entschiedenste erklärte, daß er durchaus nichts gegen das Reich beabsichtige, und da im November desselben Jahres der Kaiser die herzoglichen Brüder zu Weimar ermahnte, J. W. von etwaigen reichsfeindlichen Umtrieben abzuhalten, erklärten dieselben, daß ihnen in dieser Beziehung nichts nachtheiliges Seitens des Bruders bekannt sei. J. W. dachte vorläufig nicht daran in die Heimath zurückzukehren. Im October 1558 dankte er seine Truppen ab, blieb aber in Frankreich bis 1559, dann ging er nach England. Der Zweck dieser Reise ist nicht bekannt, fast scheint es, daß der Herzog sich wirklich mit dem Plane getragen, der englischen Königin Heirathsanträge zu machen. Aber dieser Plan scheiterte jedenfalls an der Abneigung der Fürstin gegen eine eheliche Verbindung. Wir erfahren nicht, daß der Herzog Zutritt zu ihr gefunden und treffen ihn im August desselben Jahres wieder in Paris, wo er sich beurlaubte, um nach Weimar zurückzukehren. Am 8. October 1559 kam er dort an. In französischen Diensten ist er aber verblieben und bezog nach wie vor einen bedeutenden Jahresgehalt. In Weimar, wo ihn der Vergleich vom Mai 1557 vorläufig noch vom Regierungsgeschäfte ausschloß, lebte er in Zurückgezogenheit als Privatmann. Die großen Geldsummen, die er aus Frankreich erhielt, verwandte er unter Anderem zum Baue eines neuen Schlosses zu Weimar und zur Verschönerung des alten. Kunstvolle Zeichnungen, Entwürfe zu kostbaren Bechern und Tafelaufsätzen, die man neuerdings im Ernestinischen Gesammtarchive zu Weimar auffand, beweisen auch, daß er mit berühmten Künstlern Süddeutschlands in engem Verkehr gestanden. In jene Zeit fällt die Vermählung des Herzogs mit der Schwägerin seines Bruders Dorothea Susanna, der zweiten Tochter des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz. So kam denn das Jahr 1561 heran: in den ersten Monaten desselben war der Termin des Vertrags mit den Brüdern abgelaufen, aber man entschloß sich am 20. Mai 1561 ihn nochmals auf vier Jahre zu verlängern. Als jedoch der Endtermin dieses Vertrages angekommen, hatten sich die Verhältnisse schon so wenig vertrauenerweckend gestaltet, daß die Brüder Bedenken trugen dem Johann Friedrich die Alleinregierung zu belassen. War schon J. W. und Johann Friedrich der Jüngere wenig von dem Vorgehen des älteren Bruders gegen Flacius und seine Anhänger erbaut, und hatte der Herzog sie manches Mal wol durch sein herrisches Wesen verletzt, so waren sie doch vor Allem mit den Räthen Johann Friedrichs, [346] einem Brück und Grumbach unzufrieden, die waghalsige Politik, zu welcher dieselben riethen, schien alles in Frage zu stellen. Aber Johann Friedrich, der sich durch die jahrelange Alleinherrschaft des Gedankens entwöhnt hatte, mit seinen Brüdern theilen zu müssen, war nicht leicht zu einer gemeinsamen Regierung noch zur Theilung zu bestimmen. So entspann sich denn ein wenig erfreulicher Zank über die Fortführung der Herrschaft, der in der Lebensgeschichte Johann Friedrichs näher geschildert ist und der erst nach dem plötzlichen Tode Johann Friedrichs des Jüngeren sein Ende in einer Landestheilung fand, die unter Beirath des gemeinsamen Schwiegervaters statthatte und das ganze Land in eine weimarische und eine coburgische Landesportion sonderte. J. W. übernahm die Letztere. Aus Pietät vor dem Wunsche des Vaters, der doch eine derartige Auseinandersetzung gewiß nicht gewollt und um nicht den Neid des einen auf den anderen Bruder zu ermöglichen, erklärte man die Theilung für eine sogenannte Mutschirung, d. h. man beschloß nach drei Jahren die zugefallenen Landesportionen zu wechseln. Das Archiv, die Lehensmannen, gewisse Steuern und Zölle, die Landesschulden, Gesandtschaften zu Reichs- und Kreistagen sollten gemeinsam bleiben. Am 21. Februar 1566 wurde dieser Vergleich von Kaiser Maximilian II. bestätigt. Die Landstände der coburgischen Portion wurden an J. W. gewiesen – derselbe zog nach Coburg und errichtete dort seine Residenz. Aber nicht lange sollte er der Ruhe genießen: die traurigen Verwickelungen, in die sich Johann Friedrich in Folge der Grumbachischen Händel verstrickte, berührten J. W. ja in erster Linie, da durch sie ein Theil des Ernestinischen Gesammtbesitzes in Frage gestellt wurde. Zunächst versuchte J. W. den Bruder dem drohenden Geschicke durch Warnungen zu entziehen, wie es denn überhaupt damals nicht an Freunden gefehlt hat, die den verblendeten Fürsten auf gesetzmäßige und reichsfreundliche Pfade zurückzuführen suchten. Noch birgt das Ernestinische Gesammtarchiv einige Fascikel solcher wohlmeinender Schreiben. Da aber nichts half, die Correspondenz vielmehr die Brüder immer mehr auseinander führte, so entschied sich J. W. zu einer feindlichen Politik gegenüber dem Bruder, indem er sich der Executionscommission gegen Johann Friedrich anschloß. Schon im Mai 1566 hatte der Herzog auf dem Reichstage zu Augsburg die Lehen der Ernestiner allein empfangen, da für den Bruder die Reichsacht zu befürchten war. Am 23. December des genannten Jahres beauftragte der Kaiser auch J. W. mit der Ausführung der Execution mit dem Zusatze, er hoffe, daß des Kaisers Befehl, des Reiches Schluß und das Wohl des Vaterlandes ihm mehr gelte als die Verwandtschaft. Der Kurfürst von Sachsen als kaiserlicher Hauptcommissar und als Vorsteher des obersächsischen Kreises sprach Johann Friedrichs Unterthanen vom Gehorsam gegen Letzteren los und ließ sie dem neuen Herzoge schwören. Der nach Saalfeld berufene Landtag der thüringischen Stände erklärte sich zustimmend zu des Herzogs Verfahren und leistete ihm und seinen Erben, unter Ausschluß Johann Friedrichs und seiner Kinder von der Herrschaft, den Eid der Treue, rief aber für den Fall, daß ihnen aus ihrem Verfahren Unheil entstehen werde, die Hülfe des Kaisers und des Kurfürsten an. Das ganze Ernestinische Land fiel nun dem Herzoge J. W. zu. Er erklärte zwar vor dem Landtage, sein Wunsch sei gewesen, daß die Besitzungen seines Bruders den Kindern desselben verbleiben möchten, er selbst nur zum Vormunde eingesetzt würde, der Kaiser aber habe anders beschlossen und so sei er genöthigt das ganze Gebiet vom Kaiser als Lehen zu übernehmen. Nach diesen Vorbereitungen stieß Herzog J. W. im Lager vor Gotha zu Kurfürst August und machte die Belagerung mit. Der bekannte Ausgang der Rebellion entsprach durchaus den Voraussetzungen. Am 14. April 1567 nahm der Herzog Theil am Einzuge in die überwundene Stadt und empfing die Huldigung der Gothaer. Der [347] Kaiser hatte schon am 2. Februar über die bevorstehende Gebietsänderung sein Wohlgefallen ausgesprochen. Auch setzte man sich mit den Erbverwandten auseinander.

So gelangte J. W. durch kaiserliche und kurfürstliche Hülfe zur Alleinherrschaft über das Ernestinerland. Wenn aber Kurfürst August sich vielleicht mit dem Gedanken getragen, bei dieser Gelegenheit einen politisch ihm näher stehenden oder ihm ergebensen Mann zur Herrschaft zu befördern, so hatte er sich getäuscht. J. W. schloß zwar zu Zeitz einen Vertrag mit Kursachsen, in welchem er sich mit dem Kurfürsten über eine Reihe streitiger Punkte einigte, aber sie betrafen unwichtige Gegenstände. Die Hauptsache war, daß der neue Gesammtherrscher an der traditionellen Politik seines Hauses im Allgemeinen festhielt, indem er sich allerdings nicht zu gleich unüberlegten und waghalsigen Unternehmungen, wie sein Bruder, hinreißen ließ, aber auch durchaus keine Zuvorkommenheit in wesentlichen Fragen dem Kurstaate gegenüber bewies. Dies tritt uns vor Allem wieder in den Religionsstreitigkeiten entgegen. Denn das Ereigniß, das den Herzog Johann Friedrich zu Falle gebracht, hatte den theologischen Hader nur auf kurze Zeit schweigen machen, kaum daß sich die Verhältnisse etwas consolidirt hatten und die Kirchenfehde begann von Neuem. Kurfürst August leitete sie diesmal, allerdings in wohlwollender Absicht ein. Er mochte sich mit der Erwartung tragen, daß, da einst der Bruder genöthigt gewesen, einer milderen Richtung die Herrschaft in Jena zu verschaffen, jetzt unter den neuen Verhältnissen vielleicht eine Vereinigung zwischen albertinischen und ernestinischen Theologen zu Stande gebracht werden könne. Auf seinen Wunsch versammelten sich noch im J. 1568 meißnische und thüringische Gelehrten zu Altenburg, unter ersteren wird Paul Eber, unter letzteren Johann Wigand besonders hervorgehoben. J. W. traf selbst dort ein, um den Vorsitz der Versammlung zu übernehmen und der Kurfürst gedachte sich über die Nothwendigkeit der guten Werke und den freien Willen bei dem Acte der Heiligung, ferner über die Beobachtung der Adiaphora oder deren Nichtbeobachtung zu verständigen. Aber er täuschte sich. Der Herzog und seine Theologen waren wenig geneigt zu Concessionen, sondern hielten vielmehr an jenen starreren Formeln fest, die selbst Johann Friedrich, da es die Wahrung seiner Autorität galt, scheinbar verlassen hatte. Die Verhandlungen nahmen das Ende, welches bei der allgemeinen Halsstarrigkeit und Erbitterung der Gemüther zu erwarten war: fünf Monate lang wurde vergebens debattirt (October 1568 bis März 1569), da verließen die meißnischen Theologen den Ort der Versammlung – das Resultat der Verhandlungen war ein durchaus unbefriedigendes. J. W. hatte bis zum Schlusse tapfer ausgehalten, jetzt reiste auch er von Altenburg ab und wandte sich inneren, kirchenpolitischen Aufgaben zu. Zunächst sollte der Confutation der Strigelischen Ansicht Geltung verschafft werden. Es erging somit der Befehl, daß die Theologen des Landes sie zu unterschreiben hätten. Rühmend wird hervorgehoben, daß J. W. bei diesem heiklen Geschäfte die größte Milde anempfohlen und selber sich bemüht habe, die Gegner zu seiner Ansicht herüberzuziehen. Mag ihm dies hier und da geglückt sein, immerhin blieb eine Anzahl Geistlicher übrig, die das Land verlassen mußten. Vor Allem trat der Herzog auch wieder in Gegensatz zu den Jenaischen Professoren, denn in ihren Kreisen hatte die mildere Richtung durchaus Platz gegriffen: Stössel, Widebram und Selnecker wichen und fanden in Kursachsen freundliche Aufnahme. Nach Jena aber berief man Männer der strengsten Richtung, ein Wigand, ein Heshusius hielten ihren Einzug. Ja man dachte auch daran, den unstät umherirrenden Flacius zurückzurufen. Bei solcher Anschauung, bei solcher Umgebung des Herzogs war kaum zu hoffen, daß eine Annäherung an Kursachsen stattfände, aber auch in anderer Richtung gab der [348] Fürst seine alten Verbindungen, die ihm möglicherweise den deutschen Mächten gegenüber Hülfe und Schutz gewähren konnten, nicht auf. Ich meine seine Stellung zu Frankreich. Nach wie vor bezog er eine starke Jahressumme von Frankreich. Seine Unterthanen scheinen sich dabei recht wohl befunden zu haben, in späterer Zeit begegnen wir noch manchmal dem Wunsche, daß sich solche Dienstverhältnisse wiederholen möchten. Als Gegenleistung wollte der Herzog im Juni 1568 dem Könige von Frankreich gegen Condé 2000 in Deutschland geworbene Reiter zuführen. Die Hülfe sollte den König gegen die Hugenotten unterstützen, die ihrerseits wiederum Hülfstruppen vom Landgrafen zu Hessen und dem pfälzischen Kurfürsten erwarteten. Unter so unklaren Verhältnissen hielt es Herzog J. W. für nöthig, dem eigenen Landtage zuvor Rechenschaft abzulegen und erklärte in einem Ausschreiben: er könne sich nicht überzeugen, daß der Aufruhr der Hugenotten aus religiösen Gründen unternommen sei, vielmehr halte er ihn für eine Rebellion gegen den Landesfürsten. Von Letzterem wie von dessen Vorgänger habe er einen starken Jahresgehalt empfangen und finde es somit unpassend, den König in seiner Noth zu verlassen. Auch dem Kaiser und den Erbverwandten hatte der Herzog seinen Plan angezeigt, er hatte eine Statthalterschaft, an deren Spitze Georg Graf von Gleichen stand, eingesetzt und eilte nun nach Frankreich. Am 13. März wurden seine Truppen zu Rethel gemustert. Aber zu kriegerischen Thaten blieb keine Zeit übrig: König Karl sah sich genöthigt schon 10 Tage später seinen Frieden mit dem Gegner zu schließen. Denn katholischer Seits hatte man kein Vertrauen zu den Hauptfeldherren, und mit Besorgniß sah man deutschen Zuzug auch bei dem Feinde anlangen: Kurfürst Friedrich III. sandte seinen Sohn Johann Casimir mit einer starken Truppenmacht den Glaubensgenossen zu Hülfe. Auf französischem Boden standen sich also die Schwäger J. W. und Johann Casimir feindlich gegenüber. Auf reformirter Seite hingegen waren die Kassen erschöpft und die bange Sorge, wie man den deutschen Zuzug befriedigen solle, drängte auch hier zum Frieden, der zu Longjumeau zu Stande kam. Herzog J. W. war wenig erfreut über seine resultatlose Sendung, gern hätte er, das Schwert in der Hand, dem Könige einen wesentlichen Dienst geleistet. Seinen Verdruß konnte auch ein freundlicher Empfang zu Paris nicht heben, und so dankte er seine Truppen ab und kehrte mißmuthig nach Weimar zurück. Von weiteren Unternehmungen zu Gunsten Frankreichs wird uns nicht berichtet, aber auch von dem französischen Jahresgehalte ist nicht mehr die Rede. Und wiederum sind es nach der Rückkehr ins Vaterland vor Allem die religiösen Angelegenheiten, die dem Fürsten am Herzen liegen. Das Consistorium, welches sich bisher in Weimar befand, wurde nach Jena verlegt und dadurch selbständiger gestellt als unter Johann Friedrich, wo es unter des Herzogs specieller Aufsicht stand. Eine Norm, nach welcher die streitigen Punkte zu beurtheilen seien, wurde aufgestellt. Aber die Einsetzung der strengen Eiferer in Jena, wie die Vertreibung der gemäßigteren Mitglieder der Universität erregten allerwärts großen Anstoß und Unzufriedenheit. Zunächst in dem Lande selbst, dann aber auch besonders in Kursachsen. Die Unzufriedenheit kam endlich auf dem weimarischen Landtage 1570 zum Ausbruch, auf welchem die Entfernung der neuberufenen Theologen und Annäherung an Kursachsen aufs heftigste begehrt wurde. Eine Deputation aus Meißen, sowie die Abgesandten verschiedener deutscher Fürsten unterstützten das Verlangen. Denn noch immer gedachte man die Protestanten gegenüber den Katholiken zu einer geschlossenen Phalanx vereinigen zu können. Dazu war vor Allem nothwendig, daß der Ernestiner seinen extremen und exclusiven Standpunkt aufgab. Aber auch dieser Plan gegenseitiger Aussöhnung scheiterte an dem starren Festhalten des Herzogs an seiner einmal gefaßten Ueberzeugung. Er begegnete den Landständen mit [349] freundlicher Herablassung, erklärte aber, nur dann seine Geistlichen entlassen zu wollen, wenn ihnen Ungehörigkeiten und Irrthümer nachgewiesen werden könnten. Da Letzteres nicht geschah und Niemand es versuchte, weil nach den bisherigen Vorkommnissen es wenig Erfolg gehabt hätte, so verliefen alle Ausgleichsbestrebungen im Sande. Den deutschen Fürsten sandte er sein Confutationsbuch zu eventueller Widerlegung. Mittlerweile war aber unter den Theologen des eigenen Landes heftiger Krieg und Hader ausgebrochen, der in irgend welcher Weise der Schlichtung bedurfte, sollten nicht wieder ganz und gar die Wirren, welche einst unter Johann Friedrich die Universität Jena dem Untergange nahe gebracht hatten, sich wiederholen. Damals nämlich, als J. W. Heshus und Wigand berief, waren beide enge Freunde des Flacius. Sie galten für dessen eifrige Anhänger und man dachte, wie oben bemerkt, auch Anfangs daran, dem unstät umherirrenden Gelehrten bald wieder eine Docentenstelle in Jena zu geben. Bald aber zerfielen die neuen Professoren Jena’s mit dem unruhigen Illyrier, ein erbitterter Federkrieg erhob sich, der aber nicht nur dem Flacius galt, sondern auch einer Reihe Theologen, die in des Herzogs Landen, ja in der Universität Jena saßen und seine Ansichten mit aller Energie vertraten. Denn im Lande Johann Wilhelms, das für den Hauptsitz der Orthodoxie galt, hatte sich eine große Anzahl Flacianer zusammengefunden, die gegen die Jenaer auftraten. Die Versöhnungsversuche hatten keinen Erfolg. So trat denn schließlich der Herzog persönlich dazwischen, untersuchte die Beschwerden und griff wiederum zum alten Mittel der Religionsgespräche. Indeß gelang es ihm nicht die Gegner zu überwinden. Die Richtung des Heshus und Wigand wurde von obenher unterstützt, mancher strenge Flacianer mußte weichen, doch konnte die feindliche Richtung nicht ganz unterdrückt werden. – Mag man über das strenge Festhalten an der gefaßten Erkenntniß vom religiösen Standpunkte aus urtheilen wie man will, vom politischen wird man zugeben müssen, daß der Herzog unklug handelte, da er sich in einen immer schärferen Gegensatz zu Kursachsen stellte. Denn der Kurfürst war ein mächtiger Mann, dem Kaiser Maximilian II. eng befreundet und unentbehrlich; sein Wort und seine Wünsche waren maßgebend für die habsburgische Politik. Die schlimmen Folgen des wenig entgegenkommenden Betragens seitens des ernestinischen Herzogs gegen den albertinischen Vetter zeigten sich gar bald. Einst auf dem Reichstage zu Augsburg und dann nach dem Falle Gothas hatte man, wie es scheint, die Absicht, dem Herzoge allein für alle Zeit das ganze Ernestinerland zu übertragen. Allerdings hatte man von den verschiedensten Seiten den Kaiser bestürmt, Johann Friedrichs Kinder mit einer Länderdotation abzufinden, auch hatte ja J. W. sich 1567 den Landständen gegenüber in dieser Hinsicht günstig ausgesprochen. Freilich scheint er sich nachgerade in der Herrschaft des Gesammtlandes gefallen zu haben, jedoch der Kaiser änderte die anfänglichen Entschlüsse. Indeß, wenn auch die Stände des Reiches für die Söhne des Gefangenen mit Fürbitte eintraten, wenn auch die Mutter einen Fußfall vor dem Kaiser that, so würde Letzterer wol kaum eine Belehnung der Kinder vorgenommen haben, hätte nicht Kursachsen gewünscht, seinen Nachbar zu schwächen und dem Kaiser die Restitution empfohlen. So trat denn eine kaiserliche Commission zu Erfurt zusammen, die nach langen Verhandlungen im November 1572 trotz des Protestes des Herzogs J. W., den Eisenachischen und Coburgischen Theil vom Gesammtbesitz für die Kinder des Gefangenen abtrennte und so von wichtigeren Städten ihnen Coburg, Eisenach, Gotha, sowie das Einlösungsrecht der vier an Kursachsen verpfändeten Aemter Weida, Arnshaugk, Ziegenrück und Sachsenburg übertrug. J. W. erhielt den Landestheil mit Weimar, Jena und Altenburg. Alsdann wurde zu Ungunsten der Söhne Johann Friedrichs die Successionsfolge geändert und J. W. und dessen Nachkommen die [350] Primogenitur und Nachfolge am Erzmarschallamte und Kurfürstenthume zu Sachsen sammt der Pfalz zu Sachsen, dem Burggrafenthume Magdeburg und den Ansprüchen an Hessen und Henneberg vor der älteren Linie übertragen. Weiterhin wurde stipulirt, daß Kursachsen beim Aussterben der Linie Johann Wilhelms dessen Länder erben solle, die ältere Linie also jedenfalls erst nach Aussterben der jüngeren Ernestiner und der Albertiner erbberechtigt werden solle. Das Hofgericht zu Jena, dem J. W., wie überhaupt dem Gerichtswesen, stets viel Sorgfalt zugewendet hatte, die Universität und das Consistorium wurden nach mancherlei unerquicklichen Verhandlungen für gemeinschaftlich erklärt. Am 26. Februar endlich wurde die Auseinandersetzung durch den Kaiser bestätigt und J. W. mit den ihm zugefallenen Landestheilen belehnt. Mit dem böhmischen Lehen Saalfeld war er schon im Juni 1571 begabt worden. Diesen Abschluß der Verhandlungen hat J. W. nur um wenige Tage überlebt. Als seine Abgesandten die Belehnung empfingen, lag er schwer erkrankt darnieder, am 2. März 1573 in früher Morgenstunde entschlief er. Er hatte noch nicht das 43. Lebensjahr erreicht, im Volke ging das Gerücht, er sei zwei Jahre früher zu Wien vergiftet worden und habe seitdem gekränkelt. Kurz vor seinem Tode hatte er testamentarisch den Pfalzgrafen Ludwig bei Rhein und den Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg zu Vormündern seiner Söhne bestimmt, den Kurfürsten von Sachsen hatte er ausgeschlossen. In der Lebensgeschichte des Herzogs Johann werden wir erfahren, wie wenig Kurfürst August den Willen des Verstorbenen achtete. Der Herzog war ein tapferer Mann, eifrig besorgt um das Wohl seiner Unterthanen, in politischen Dingen klüger als sein unglücklicher Bruder, aber unnachgiebig bis zur Halsstarrigkeit und einseitig in den Fragen der Religion. Zu Weimar in der Stadtkirche liegt er begraben. Von seiner Gemahlin Dorothea Susanna († 1592) hatte J. W. fünf Kinder, darunter zwei Söhne: Friedrich Wilhelm (geb. 1562, † 1602), Johann (geb. 1570, † 1605).

Beck, Geschichte des Gothaischen Landes (woselbst sich weitere Litteraturangaben befinden). Lobethan im Museum für die Sächs. Geschichte, hrsg. v. Weiße, Bd. I (1794). Schwabe in Meusel’s Geschichtsforscher (1775). Röse in Ersch u. Gruber’s Encyklopädie.