ADB:Kühn, Gustav

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Artikel „Kühn, Gustav“ von Carl Leisewitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 428–430, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:K%C3%BChn,_Gustav&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 10:21 Uhr UTC)
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Kühn: Dr. Gustav K., königl. Professor und Vorstand der sächsischen Landwirthschaftlichen Versuchsstation zu Möckern bei Leipzig, † am 2. April 1892 infolge der Amputation eines Beines in der Klinik zu Leipzig. Als Sohn des im Exil lebenden Philologen Paul Kühn, dermaligen Directors einer Gymnasial-Erziehungsanstalt in Paris, am 20. Januar 1840 daselbst geboren, wurde er von seinem Vater, welcher schon 1826 als Mitglied der Leipziger Burschenschaft nach Verbüßung einer mehrjährigen Haft nach Paris ausgewandert war, im Spätsommer des Jahres 1848 aus der Fremde in die elterliche Heimath zurückgeführt, um dort in der Sphäre vaterländischer Institutionen [429] und socialer Beziehungen seine Erziehung bezw. Schulbildung zu empfangen. Dieser Bestimmung gemäß besuchte er von Ostern 1849 an das Gymnasium in Leipzig und erwarb sich dort bis zum Herbst 1857 die Maturitas. Während eines zur Erholung gewählten Aufenthaltes in Havre, wo nahe Verwandte von ihm weilten, entstand bei ihm unter dem Einfluß der um jene Zeit sich in Deutschland regenden nautischen Interessen der Plan, bei der Marine in Dienst zu treten. Von diesem Gedanken geleitet widmete er sich dort mit großem Eifer dem Segelsport, den Schwimm- und Turnübungen, welchen letzteren er schon als Gymnasiast mit Fleiß gehuldigt hatte. Ohne weitere Schritte zur Verfolgung dieses Planes gethan zu haben, kehrte er binnen Jahresfrist nach Leipzig zurück, ließ den Gedanken an seine Ausbildung zum Seemann fallen und bezog die dortige Universität, um sich mathematischen und naturwissenschaftlichen Studien zu widmen. Von Leipzig wandte er sich im Herbst 1859 nach Göttingen, wo er sich für das Studium der Chemie als Fachstudium entschied und Gelegenheit fand, in nähere Beziehungen zu dem Analytiker Limprichs zu treten, dem er auch 1860 nach Greifswald folgte. Nachdem er bei der dortigen philosophischen Facultät gegen Ende 1861 die Doctorwürde erlangt und zunächst als Assistent im chemischen Laboratorium bei Limprichs Verwendung gefunden hatte, ging er zu Ostern 1862 nach Weende, um dem Professor Wilhelm Henneberg zu assistiren und sich zugleich unter dessen Leitung eine treffliche Schulung für das Gebiet der Agriculturchemie zu erwerben. So war es ihm ermöglicht, an allen wichtigeren Arbeiten Henneberg’s theilzunehmen und sich zugleich auf eine selbständige Wirksamkeit vorzubereiten. Die erste Gelegenheit dazu bot sich ihm mit der im J. 1866 übernommenen Leitung der landwirthschaftlichen Versuchsstation in Braunschweig dar. Seine Aufgaben bestanden hier vorzugsweise in der Ausführung von Controluntersuchungen, mit welchen er zwar den landwirthschaftlichen Interessen zu dienen, aber nicht wissenschaftliche Zwecke zu fördern vermochte. Es mußte ihm daher sehr willkommen sein, als das kgl. sächsische Ministerium des Innern 1867 einen Ruf an ihn zur Uebernahme der Vorstandschaft in der Versuchsstation Möckern ergehen ließ. An der Hebung dieses Institutes hatte schon W. Knop seit zehn Jahren mit Erfolg gearbeitet und somit für seinen Nachfolger eine in weiteren Kreisen beachtete Pflegestätte der Wissenschaft erschlossen. Hier verfolgte auch K. die Aufgabe, der ihn übertragenen Anstalt ihren vornehmen Ruf bei den weiter gesteigerten Anforderungen der Wissenschaft und Praxis zu erhalten. Er befaßte sich hauptsächlich mit experimentellen Arbeiten auf dem Gebiete der thierischen Ernährung, ohne indeß andere wichtige Aufgaben zu vernachlässigen, sorgte für angemessene Ausrüstung der Station und für entsprechende Ausdehnung ihres Wirkungsbereichs und dabei kam ihm der Beistand des Curatoriums zu Hülfe, so daß er auch der nöthigen Subventionirung seitens des Staates theilhaftig wurde. Durfte er sich also der vollen Anerkennung in den nächstinteressirten Kreisen der Landwirthe wie bei der sächsischen Staatsregierung erfreuen, so hielt er sich auch verpflichtet, der ihm anvertrauten Anstalt treu zu bleiben und verschiedene ehrenvolle Rufe, welche in den 70er Jahren nach einander von Zürich, Brüssel, Wien, Königsberg und von München an ihn ergangen waren, abzulehnen. Den von ihm gewählten Arbeitsrichtungen blieben somit die ihm zur Verfügung stehenden Kräfte und Mittel gesichert und es gelang ihm auch, durch seine planmäßig durchgeführten Untersuchungen über die Bedingungen der Fettbildung, der Futterausnützung bei verschiedenen Hausthieren, über den Einfluß der Futterbehandlung bezw. der verschiedenen Zubereitung auf die [430] Verdaulichkeit der Futtermittel, sowie über den Einfluß der Ernährung auf die Milchproduction wichtige Aufschlüsse zu gewinnen.

Sein von wissenschaftlichem Streben und Uneigennützigkeit beherrschtes Verhalten wie seine thatsächlichen Leistungen trugen ihm nicht nur Ehrungen seitens der Staatsregierung, wie die Ernennung zum Professor und die Decoration mit dem Albrechtsorden I. Cl. ein, sondern bestimmten auch seine Berufsgenossen, ihm Beweise von Hochschätzung zu vindiciren. So fand er sich veranlaßt, eine dirigirende Mitwirkung bei der Gründung des Verbandes landwirthschaftlicher Versuchsstationen im Deutschen Reiche zu übernehmen und fortgesetzt das Mandat zur Leitung und Vertretung dieses Verbandes auszuüben. Den damit verbundenen schwierigen Aufgaben widmete er sich unbeschadet seiner vielseitigen dienstlichen Inanspruchnahme mit großem Interesse und voller Hingebung, wobei ihm sein umfassendes Wissen, seine mit Scharfsinn gepaarte Energie und die ihm eigene große Beredsamkeit sehr zu statten kamen.

Im übrigen ließ er sich in seiner Berufsthätigkeit stets von wissenschaftlichem Ernste leiten und suchte die ihm verfügbaren Kräfte und Mittel nach Möglichkeit im Interesse der Landwirthschaft nutzbar zu machen, dabei haschte er nicht nach Popularität, trachtete auch nicht nach Ehrungen und suchte vielmehr in der Pflichterfüllung wie in der Wahrung der eigenen Anforderungen eine erwünschte Befriedigung zu finden. Als Mann von lauterem und edlem Charakter, in dem sich hoher Sinn und Seelengüte regten, wurde er überall hochgeschätzt, wo seine gewinnende Persönlichkeit bekannt geworden war. Sein früher Tod wurde daher allgemein bedauert und um so mehr beklagt, als damit eine auserlesene Kraft, die noch zur Lösung weitergehender Aufgaben berufen zu sein schien, wider Erwarten plötzlich lahmgelegt werden sollte.

Vgl. Deutsche landwirthschaftliche Presse, Jahrg. 1892, Nr. 15: Nekrolog über Prof. Dr. G. Kühn von Geh. Hofrath Dr. Nobbe.