ADB:Karsten, Lorenz

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Artikel „Karsten, Franz“ von Heinrich Klenz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 69–71, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karsten,_Lorenz&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 05:26 Uhr UTC)
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Karsten: Franz Christian Lorenz K., Landwirth, geboren am 3. April 1751 zu Pohnstorf bei Groß-Wüstenfelde in Mecklenburg-Schwerin, † am 28. Februar 1829 zu Rostock. K. war der jüngste Sohn eines Rittergutspächters, der früher Apotheker in Neubrandenburg gewesen war, wo er durch eine Feuersbrunst seine ganze Habe verloren hatte. Er besuchte das Pädagogium zu Bützow und die Domschule zu Güstrow bis zu seinem siebzehnten Lebensjahre und wurde dann durch seinen Vater zur Landwirthschaft, besonders zum ökonomischen Rechnungswesen angeleitet. Aber der lebhafte Geist des jungen Mannes fand hieran kein Genügen; es trieb ihn, die Welt zu sehen, und so nahm er eine Stellung in einer Tuch- und Seidenhandlung zu Riga an, von wo er jedoch bald nach manchen Mühseligkeiten in die Heimath zurückkehrte. Er ließ sich nun auf der Bützower Universität immatriculiren, an welcher sein ältester Bruder Wenceslaus Johann Gustav als Mathematiker wirkte, und hörte Vorlesungen über Mathematik, Naturwissenschaften, Länder- und Völkerkunde; daneben vervollkommnete er sich in den alten Sprachen sowie im Französischen und Englischen. Als er 3 ½ Jahre diesen Studien obgelegen hatte, wurde er den 11. Mai 1773 am Bützower Pädagogium als Präceptor mit 70 Rth. Gehalt bei freier Wohnung und Beköstigung angestellt. In seinen Mußestunden arbeitete er unter Beihülfe seines vorhin erwähnten Bruders eine „Rechenkunst“ aus, die 1775 in erster, 1786 in zweiter und 1805 in dritter Auflage (besorgt von seinem Sohne Jacob) erschien. Am 10. März 1778 erwarb er die Würde eines Magisters und damit das Recht, auch an der Universität zu lehren. Dies führte, als das Pädagogium aufgelöst wurde, am 6. October 1780 zu seiner Ernennung zum außerordentlichen Professor der Oekonomie mit einem Gehalte von 400 Rth. Als solcher kündigte er Vorlesungen über Landwirthschaft und Cameralwissenschaften an, fand jedoch keine Zuhörer; ein mathematisches Collegium, mit dem er es darauf versuchte, hatte nicht mehr Glück. So war ihm freie Zeit genug zu schriftstellerischen Arbeiten beschieden. Nachdem er schon 1780 aus G. Th. F. Raynal’s „Histoire philosophique et politique des établissements et du commerce des Européens dans le deux Indes“ (1771) einen Auszug in deutscher Sprache als „Europens Handel mit beiden Indien“ veröffentlicht hatte, machte er sich an die Uebersetzung eines Werkes des Engländers Thomas Nugent († 27. April 1772), die er unter dem Titel „Reisen durch Deutschland und vorzüglich durch Mecklenburg“ in den Jahren 1781 und 1782 in zwei Bänden erscheinen ließ, und zwar anonym (als Verfasser nannte er sich in den Neuen Annalen der Mecklenburgischen Landwirthschafts-Gesellschaft, Jahrg. XI, 1824, S. 27, Anm.). Diese auf guten Sprach- und Sachkenntnissen beruhende Uebersetzung versah er noch mit theilweise recht interessanten Anmerkungen, in denen er sich z. B. über die Leibeigenschaft erging. In einem gewissen Gegensatz zu dem Rostocker Professor der Moral, Dr. jur. Jacob Friedrich Rönnberg, der am 11. März 1781 in einer Festrede von dem moralischen Unrecht der Leibeigenschaft gesprochen und dadurch Anstoß erregt hatte, verdammt K. dieselbe nicht unter allen Umständen, sondern ist vielmehr der Meinung, daß sie manches Gute haben möge und ihre plötzliche Abstellung eine große Verwirrung hervorrufen würde. Indessen sollten die Bauern separirt, von Frondiensten befreit und auf billige Pacht gesetzt werden; dann würde die Leibeigenschaft ganz von selbst aufhören. Bekanntlich wurde ihre Aufhebung in Mecklenburg erst am [70] 18. Januar 1820 verfügt. – Michaelis 1783 wurde K. zum ordentlichen Professor der Oekonomie befördert. Im J. 1785 schrieb er über den Zustand der damaligen Aufklärung und deren Nutzen für den praktischen Landwirth. Aber noch immer konnte er kein landwirthschaftliches Collegium zu Stande bringen. Da kam Ostern 1789 die Wiedervereinigung der Bützower Universität mit der Rostocker Akademie, und fortan wirkten nach beinahe dreißigjähriger Trennung die herzoglichen und die räthlichen Professoren wieder an der einen Landes-Universität zu Rostock in fruchttragender Gemeinschaft.

Mit neuem Muthe nahm K. in Rostock seine landwirthschaftlichen Vorlesungen auf, die er sofort mittelst eines Programms „Ueber das theoretische Studium der Oekonomie“ anzeigte, und bekam jetzt die lange entbehrten Zuhörer. Auch cameralistische und mathematische Collegien las er und versah bis Ostern 1792 die Stelle eines Professors der Botanik. Im J. 1793 richtete er ein kleines, von ihm Neuenwerder genanntes Gehöft in der Rostocker Vorstadt zu einer landwirthschaftlichen Lehranstalt ein, dem ersten Institut dieser Art in Deutschland. Er wollte dadurch künftigen Landwirthen die Gelegenheit bieten, sich nicht bloß eine wissenschaftliche, sondern auch einigermaßen eine praktisch-anschauliche Kenntniß ihres Faches zu verschaffen. Da jedoch der Ertrag die ausgelegten Kosten nicht deckte, war Karsten’s Schöpfung nur von kurzem Bestande; ihre Geschichte ist seiner Schrift: „Sind ökonomische Institute Akademien nützlich?“ (1795) angehängt. Im J. 1795 gab er auch unter dem Titel: „Die ersten Gründe der Landwirthschaft, sofern sie in Deutschland und vorzüglich in Mecklenburg anwendbar sind“ einen Leitfaden für seine Zuhörer heraus, der zwar keine neuen Theorien, aber manche beherzigenswerthe Wahrheiten in übersichtlicher Anordnung brachte und 1804 eine zweite Auflage erlebte. Ferner trat er in der „Neuen Monatsschrift von und für Mecklenburg“ sowie in besonderen Schriften unter anderem für die Herstellung von feuersicheren Dächern ländlicher Wirthschaftsgebäude, für die Aufbesserung der Bauernwirthschaften durch den Kleebau, für die Anlegung ökonomischer Lehrschulen, für die Nutzung der Dünen zu Warnemünde, für die Sicherung gegen die Rindviehpest ein, und machte die Landwirthe auf den Kartoffelpflug, auf die von Pastor Peßler erfundene Dreschmaschine u. s. w. aufmerksam. In einer Einladungsschrift vom Jahre 1800 stellte er Betrachtungen über die fortschreitende Ausbildung des Menschengeschlechtes in staatswirthschaftlicher Hinsicht an. Auch war er Mitarbeiter an der bekannten Nicolaischen „Allgemeinen Deutschen Bibliothek“ und deren Fortsetzung, der „Neuen allgem. Deutschen Bibliothek“. Hauptsächlich aber war K. als Erster Secretär der von ihm zusammen mit dem Geh. Legationsrath Grafen Schlitz auf Burg Schlitz im J. 1798 begründeten Mecklenburgischen Landwirthschafts-Gesellschaft oder des (seit 1817 so genannten) Mecklenburgischen patriotischen Vereins und als Herausgeber der Annalen desselben thätig. (Annalen der Mecklb. Landwirthschafts-Gesellsch., 3 Bände, 1803, 1805 u. 1809. – Neue Annalen u. s. w., 15 Jahrgänge, 1814–1828.)

Karsten’s mannichfache Verdienste um die Landwirthschaft wurden nicht bloß im engeren Vaterlande anerkannt, dessen Fürst ihm gelegentlich seines 50jährigen Dienstjubiläums im J. 1823 den Charakter eines Geh. Hofrathes verlieh, sondern weit über Mecklenburgs Grenzen hinaus. So ernannten ihn verschiedene auswärtige Gesellschaften zu ihrem correspondirenden bezw. Ehrenmitgliede.

Verheirathet war K. seit dem 14. November 1780 mit einer Tochter des Qualitzer Pastors Johann Jacob Engel, Katharina Elisabeth Charlotte (1757–1834), die ihm eine Reihe von Söhnen schenkte, welche sich größtentheils [71] in angesehenen Stellungen auszeichneten und unter deren Nachkommen sich wiederum tüchtige Männer finden.

Vgl.: J. Ch. Koppe, Jetztlebendes gelehrtes Mecklenburg 1783. – Kritische Sammlungen zur neusten Geschichte der Gelehrsamkeit VIII, 1783, S. 309–313. – Eschenbach in den Beilagen zu den wöchentlichen Rostockschen Nachrichten u. Anzeigen 1820, Stück 22. – Neue Annalen der Mecklenburgischen Landwirthschafts-Gesellschaft XVI, 1829, S. I–XXXII (mit Bildniß). – F. Brüssow im Neuen Nekrolog der Deutschen, Jahrg. VII, S. 201–211. – Uvo Hölscher, Urkundl. Geschichte der Friedrichs-Universität zu Bützow 1885.