ADB:Knipperdollinck, Bernd

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Artikel „Knipperdollinck, Bernt“ von Carl Adolph Cornelius in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 293–295, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Knipperdollinck,_Bernd&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 11:13 Uhr UTC)
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Knipperdollinck: Bernt K. Datum der Geburt unbekannt, vermuthlich kurz vor dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Aus einem angesehenen Geschlecht der Stadt Münster; sein Haus lag in der Mitte der Stadt, unter den Bogen, am St. Lambertskirchhofe, gegenüber der Salzstraße. Er war Kaufmann. Unruhigen [294] Sinns, den Kopf voll seltsamer Gedanken und Anschläge, nicht gewohnt seine Handlungen sorgsam zu erwägen, stattlich von Ansehen, durch Geberde und Rede der Einwirkung auf den gemeinen Mann mächtig, hoffärtig und aufrührisch, geneigt Muthwillen gegen die Obrigkeit zu üben, in unruhiger Zeit leicht Führer des Haufens zur Gewaltthat. Die erste sichere Erwähnung seines Namens fällt ins J. 1527, wo er als Theilnehmer an dem Auflauf erscheint, durch welchen der Frevler gegen das geistliche Gericht, Tonies Kruse, dem Bischof und dem Stadtrath zum Trotz, mit Gewalt aus dem Gefängniß befreit wurde. Um nicht zu lang des sicheren Geleits zu entbehren, dessen er zu seinen Geschäftsreisen bedurfte, machte er seinen Frieden mit dem Stadtrath und zahlte eine Buße; aber er täuschte sich, indem er dadurch auch vor dem Landesherrn sicher zu sein glaubte; auf der Reise verhaftet, blieb er ein Jahr lang im Gefängniß und mußte sich dann mit einer ungewöhnlich hohen Summe auslösen. Voll Ingrimm zurückkehrend begann er einen langwierigen Proceß gegen Bischof und Landschaft vor dem Reichskammergericht. Dann kam es zu der evangelischen Bewegung, in die er sofort mit allem Eifer eintritt. Er ist unter den thätigen Gönnern Rothmanns, als dieser noch zu St. Mauritz im Amt steht. Er zählt zu der evangelischen Partei Münsters, als Rothmann in die Stadt gezogen ist und führt im Einverständniß mit Rothmann das Wort für ihn und die evangelische Sache gegenüber dem widerstrebenden Stadtrath. Er gehört zu den Fürsprechern der Gewaltthat und es geschieht nach seinem Sinn, daß der Ueberfall von Telgte im December 1532 die Friedensverhandlungen mit dem Bischof unterbricht. Der Sieg der evangelischen Sache im Februar 1533 entfernt die alten Rathmannen und bringt evangelische Notabeln ans Ruder. Er gehört nicht zu den neuen Herrn. Erst die radikale Bewegung des Jahres 1533 macht die Demokraten zu Gebietern und erhebt ihn durch die Rathswahl vom Februar 1534 zum Bürgermeisteramt. Ob er an den religiösen Bestrebungen, welche dieser neuen Bewegung Anlaß und Stärke geliehen, einen inneren Antheil genommen, kann mit Bestimmtheit nicht versichert werden; doch läßt der Zusammenhang der Dinge es vermuthen. Heinrich Roll, die Seele und der Vorgänger des religiösen Radikalismus, scheint sein Hausgenoß gewesen zu sein. Dagegen ist offenbar, daß das melchioritische Prophetenthum in K. einen der ersten und feurigsten Anhänger gefunden hat. Johann v. Leiden kehrt bei ihm ein, als er die Botschaft von Johann Mathyß bringt. K. erhebt den Bußruf, der die Einleitung zum Sturm bildet. Als die Parteien sich am 8. Februar mit den Waffen entgegentreten, ist er vom Täufergeist ergriffen, so daß er unbewehrt zu den Gegnern eilt, um sie zur Buße aufzufordern und vor Gottes Strafe zu warnen, worüber er in Gefangenschaft geräth. Dann kommt der Prophet Jan Mathys nach Münster und es wird Knipperdollings Haus für die nächsten Wochen das der Partei. Er ordnet sich und seine volksthümliche Macht, dann seine obrigkeitliche Gewalt völlig dem Prophetenthum unter. Nach Jan Mathys Tode ist seine vertraute Freundschaft mit Johann v. Leiden, der bis zur Errichtung des Königthums sein Hausgenoß bleibt, die Hauptgrundlage des Regiments. Er erscheint vom Anfang bis zum Ende als der Repräsentant der Münsterischen, unter welchen keiner an Ansehen und Bedeutung ihm gleich kommt; und darum ist sein inniges Verhältniß zu Johann Symbol und Unterpfand des Bundes zwischen den Fremden und den Einheimischen. Johann stellt ihn stets an den ersten Platz. Nachdem er willig, der Errichtung der Aeltesten-Regierung zu Liebe, sein Bürgermeisteramt aufgegeben, empfängt er das Schwertträgeramt, bei der Errichtung des Königthums die Statthalterwürde. Die stürmenden Landsknechte erblicken in ihm das kriegerische Haupt der Belagerten. Als die Gegner der Vielweiberei unter Mollenhecke sich [295] erheben, nehmen sie Johann und K. gefangen und glauben damit den Sieg in Händen zu haben. Nur einmal tritt eine Störung ein: K. ist mit der Errichtung des Königthums nicht einverstanden, er zieht sich mißvergnügt zurück, dann gibt seine Opposition sich plötzlich vor der ganzen Gemeinde kund, in kindischen und vermessenen Reden und Handlungen, in einer Weise, die zugleich die Herrschaft des Täufergeistes über ihn offenbart und zugleich an die Seltsamkeiten seiner Jugend erinnert. Dies Beginnen bleibt eine Zeit lang unbestraft; Niemand, auch der König nicht, wagt ihm entgegenzutreten, bis Unfälle den Gedanken erzeugen, der Vater gebe seinen Unwillen darüber kund, daß man K. nicht ebenso wie alle anderen in Zucht nehme. Darauf kommt er ins Gefängniß, bis er bußfertig vor der Gemeinde erklärt, daß er damals von einem bösen Geist verführt worden sei. Bei dieser Erklärung der Sache ist er auch später geblieben. Seine Bekehrung war vollständig: er ist von da an wieder und bis zum Ende der treueste Gefährte, der rechte Arm des Königs geblieben. Bei dem Kampf um die Eroberung der Stadt wird er nicht erwähnt; erst in den folgenden Tagen aus einem Versteck gezogen, theilte er dann die lange Gefangenschaft des Königs und im Januar 1536 seinen qualvollen Tod.

Niesert, Münsterische Urkundensammlung, Bd. I. – Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd. II. – Cornelius, Geschichte des Münsterischen Aufruhrs.