ADB:Krukenberg, Peter

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Artikel „Krukenberg, Peter“ von August Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 237–239, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Krukenberg,_Peter&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 06:25 Uhr UTC)
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Krukenberg: Peter K., Arzt, ist am 12. Febr. 1788 in Königslutter geboren. Seine wissenschaftliche Vorbildung für Universitätsstudien hatte er zuerst auf dem Gymnasium, später auf dem Collegium Carolinum zu Braunschweig genossen, sich auch auf dem mit dem letztgenannten Institute verbundenen anatomischen Theater mit anatomischen Studien beschäftigt und sodann die Universität Göttingen bezogen, wo er unter Hempel, Langenbeck, Richter, Himly und Osiander Medicin studirt und 1810 die Doctorwürde erlangt hat. – Im J. 1813 schloß er sich dem Lützow’schen Freicorps an, mit welchem er zuerst als Jäger, später als Arzt den Feldzug mitmachte; Erkrankung zwang ihn im October 1814 seinen Abschied aus dem Corps zu nehmen, wobei er von Lützow das ehrendste Zeugniß über seinen Muth und seine Pflichttreue erhalten hat. – Noch am Ende desselben Jahres erhielt er, trotzdem er seine Staatsprüfung als Arzt noch nicht abgelegt hatte, einen Ruf als Prof. extraord. nach Halle, mit dem gleichzeitigen Auftrage, die medicinische Klinik, bis zur definitiven Besetzung derselben, provisorisch zu leiten. – Er unterwarf sich zuerst der medicinischen Staatsprüfung in Berlin und trat im März 1815 das ihm übertragene Amt an. Im folgenden Jahre, in welchem Nasse die Direction der stationären Klinik übernahm, errichtete K. eine ambulatorische Klinik und 1821, nach Uebersiedelung Nasse’s nach Bonn, wurde er zum Prof. ord. und zum Leiter des klinischen Institutes, 1837 zum geheimen Medicinalrathe ernannt. – In dieser Stellung hat er 34 Jahre lang gewirkt; 1856 gab er seine klinische Thätigkeit auf, ohne jedoch aus der Facultät auszuscheiden, 1861, nachdem er einen Schlaganfall erlitten, nahm er seinen Abschied und zog sich aus der ärztlichen Praxis zurück. Im J. 1865 trat ein zweiter Schlaganfall ein, inzwischen hatte sich bei ihm auch eine Krebsgeschwulst am Gaumen entwickelt; so war der treffliche Mann die letzten vier Monate seines Lebens ans Bett gefesselt, bis am 13. December 1865 der Tod seinen schweren Leiden, die er mit bewunderungswürdiger Geduld ertragen, ein Ende machte. – K. nimmt unter den deutschen Klinikern der jüngstverflossenen Zeit eine der ersten Stellen ein. Mit umfassendem Wissen ausgestattet, frei von jedem Schuldogmatismus, von jeder Systemsfessel, jedem Autoritätsglauben, war er Eklektiker im besten Wortverstande. – Unbeeinflußt von den wechselnden Strömungen in der medicinischen Welt, welche gerade zur Zeit seines Auftretens und seiner frühesten Wirksamkeit mehr als je den Boden der Heilkunde unsicher und schlüpfrig gemacht hatten, schätzte er die Leistungen der Vergangenheit, mochten sie einer früheren oder späteren Zeit angehören, eben so hoch, als er bemüht war, offenen Blickes den großen Fortschritten zu folgen, welche die Medicin außerhalb und innerhalb Deutschlands in jener denkwürdigen Periode kennzeichnen. Er eignete sich alles an, was die Wissenschaft für die Ausbildung des Arztes bot, und so fanden schon zu einer Zeit, als auf den meisten deutschen medicinischen Schulen noch der alte dogmatische Zopf herrschte, oder naturphilosophische Speculationen die Räthsel des Lebens lösten, die pathologische Anatomie, die vervollkommnete Diagnostik mit physikalischen und chemischen Hülfsmitteln, die Mikroskopie u. a. an K. ihren eifrigsten Verehrer, und durch ihn eine Einführung in die Halle’sche Schule. – Die Skepsis war ihm [238] stets der erste, die nüchterne Beobachtung der zweite Schritt auf dem Wege zur Erkenntniß und was er auf diesem Wege als wahr und richtig erkannt hatte, das hielt er fest. – Dabei war er die verkörperte Idee der Alleinheit in der Medicin: kein Gebiet derselben war ihm fremd geblieben, mit gleicher Gediegenheit des Urtheils und mit gleicher Gewandtheit in der Praxis beherrschte er ebenso die innere Medicin wie die Chirurgie; „die Scheidung zwischen Arzt und Chirurg“, erklärt sein Biograph Barriès, „erschien ihm unnatürlich und widerwärtig und mit kaustischem Hohne geißelte er diejenigen, welchen jene Scheidung den vornehmen Schein einer aristokratischen Kaste eingebracht hatte“. – Das Centrum seiner wissenschaftlichen Thätigkeit war ihm während jener 34 Jahre die von ihm begründete ambulatorische Klinik, mit der er so innig verwachsen war, daß er alle an ihn ergangenen ehrenvollen Berufungen nach anderen Universitäten ausschlug. Er kannte keine Feiertage, keine Schulferien, jeder Tag fand ihn in der Klinik im Kreise seiner ihm enthusiastisch anhängenden Schüler, welche er durch die vollständige Hingabe, die er ihnen zeigte, durch die Jugendfrische, welche er sich bis in sein hohes Alter bewahrt hatte und mit welcher er die Jugend sympathisch an sich zog, durch die Art des Unterrichtes, welche frei von dem Kathederton mehr einer traulichen Unterhaltung glich, ebenso sehr an sich fesselte, als durch die Freude, welche er selbst an der Wissenschaft und an der Kunst hatte, für dieselbe begeisterte. – Musterhaft ist, was K. in der Einleitung zu den von ihm veröffentlichten „Jahrbüchern der ambulatorischen Klinik“ über das Studium der Medicin, über die Aufgabe des Arztes und des klinischen Lehrers sagt; den hier niedergelegten Grundsätzen ist er in seiner akademischen Thätigkeit im vollsten Umfange gerecht geworden: aus der Krukenberg’schen Schule sind eine sehr große Zahl ausgezeichneter, allseitig gebildeter, von wahrer Humanität erfüllter praktischer Aerzte hervorgegangen. – Was außerhalb seiner Wissenschaft lag, interessirte ihn nur oberflächlich; seine Ansichten über Gegenstände der Kunst, der Politik etc., waren zumeist durch äußere, oft augenblickliche Impulse bestimmt oder er machte sie von den Ansichten anderer abhängig, denen er gerade Vertrauen schenkte. – Den Grundzug in dem Charakter Krukenberg’s bildete eine jeder Sentimentalität abgeneigte Nüchternheit, Wahrheitsliebe gegen sich und andere und ein strenges Pflichtgefühl. Uebrigens war er nicht frei von Leidenschaftlichkeit, die ihn nicht selten zu momentanen heftigen, verletzenden Aeußerungen hinriß und die sich in Unduldsamkeit gegen diejenigen aussprach, welche ihm nicht sympathisch waren; hieraus erklärt sich auch das gespannte Verhältniß, welches zwischen ihm und mehreren seiner Amtscollegen bestand. – So rigorös er in seinen Ansprüchen an den Fleiß und den Eifer seiner Schüler war, so freundlich kam er denjenigen entgegen, die diesen Ansprüchen genügten; wöchentlich versammelte sich ein-, auch wohl zweimal ein kleiner Kreis der Bevorzugten um ihn in seinem Hause, wo die Gattin Krukenberg’s, eine Tochter Reil’s, die freundliche Wirthin machte. Bei solchen Gelegenheiten erzählte er gern von seinen Kriegsthaten, auf welche er nicht wenig eitel war. – Den letzten Beweis seines Wohlwollens gegen die studirende Jugend gab er in der Begründung eines Legates von 5000 Thalern, dessen Zinsen alljährlich einem in Halle studirenden jungen Mediciner als Stipendium zuertheilt werden. – Die litterarische Thätigkeit Krukenberg’s ist eine sehr beschränkte geblieben; außer einigen Journalartikeln (in Horn’s Archiv für med. Erfahrung und Rust’s Magazin für Heilkunde) hat er „Jahrbücher der ambulatotischen Klinik zu Halle“, 2 Bde., 1820, 24, veröffentlicht, welche ein treues Bild seiner wissenschaftlichen Anschauungen und seines rationellen therapeutischen Verfahrens geben. Außerdem hat er Reil’s Entwurf einer allgemeinen Therapie (1816) herausgegeben und [239] eine deutsche Uebersetzung von Thomson’s Werk über Entzündung (2 Bde. 1840) mit einer Vorrede geliefert.

Ueber sein Leben vgl. Braun in Deutsche Klinik, 1866, Nr. 6. Barriès, P. K., Biograph. Skizze und Charakteristik seiner Lehrthätigkeit, Halle 1866. – Einige der oben mitgetheilten Notizen verdankt der Unterzeichnete einem hochgeschätzten Collegen, der längere Zeit, als Assistent an der Klinik, in der unmittelbaren Umgebung Krukenberg’s gelebt hat.