ADB:Ligne, Karl Joseph Fürst de

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Artikel „Ligne, Karl Joseph Fürst de“ von Adolf Schinzl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 642–644, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ligne,_Karl_Joseph_F%C3%BCrst_de&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 17:58 Uhr UTC)
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Ligne: Karl Joseph Fürst de L. (vor der französischen Revolution erster Pair von Flandern, Pair, Maréchal, Grand-Baillif und souveräner Offizier der Land- und Grafschaft Hennegau, Gouverneur von Mons, Pair von Namur und Artois), Grand von Spanien 1. Klasse, k. k. geheimer Rath und Kämmerer, Ritter des goldenen Vließes, Commandeur des Militär-Maria-Theresien-Ordens, k. k. Feldmarschall und Hauptmann der Trabanten-Leibgarde und Hofburgwache, Oberstinhaber des Infanterieregiments Nr. 30, wurde den 23. Mai 1735 zu Brüssel geboren und starb den 13. December 1814 zu Wien. Er war ein regententreuer Unterthan, kühner Befehlshaber, geschmeidiger Diplomat und gewandter Schriftsteller, dabei auch noch sprühenden Geistes und von anmuthigen Umgangsformen, so daß seine Persönlichkeit als Musterbild der höheren Gesellschaft seiner Zeit anzusehen ist. Das Vertrauen mehrerer Monarchen ehrte die Ritterlichkeit seines Denkens und seiner Thaten; seine Offiziere nannten ihn treffend „die letzte Blume der Wallonen“; das Urtheil der meisten geistigen Koryphäen und ersten Vertreter der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts schätzte Ligne’s geniales Wesen. L. entstammte der angesehenen belgischen, seit 1130 nachweisbaren Fürstenfamilie de L. und erhielt seine in Folge öfteren Wechsels der Hofmeister nicht ganz systematische Erziehung und Ausbildung im Hause seines Vaters, des k. k. Feldmarschalls Claudius de L.; seine Lieblingsbeschäftigung war das Studium der Classiker, der Geschichte und der Militärwissenschaften, welchem er auch später in Mitte kriegerischer Aufregungen, im Rausche der Vergnügungen ergeben blieb. 1752 trat L. in das k. k. Infanterieregiment Nr. 38; 1755 ehelichte er die Prinzessin Maria Franziska von Liechtenstein; 1756 zog er mit seinem Regimente in das Feld. L. hat fast an allen größeren Actionen des siebenjährigen Krieges Theil genommen, vielfach selbstthätig, ungestüm, erfindungsreich im Ausnützen jedweden Vortheils, immer ehrenvoll kämpfend, immer durch sein Beispiel die Truppe mit sich fortreißend. Seine Leistungen fanden in den rasch aufeinander folgenden Ernennungen zum Major, Oberstlieutenant und Oberst Anerkennung; das schönste, schmeichelhafteste Lob ward aber selben durch die Worte, welche die Kaiserin Maria Theresia an den für die Beförderung dankenden jungen Obersten richtete: „Mein lieber Ligne! [643] Ich habe Sie zum Obersten im Regimente Ihres Vaters ernannt; ich verstehe schlecht meine Interessen. Sie haben mir in der vorigen Campagne ein Bataillon in den Tod geführt; jetzt werden Sie mir zwei tödten lassen! Mäßigen Sie mindestens Ihre Tollkühnheit. Der Staat und ich wollen Sie erhalten wissen.“ Nicht gleichen Sinnes war jedoch die Anschauung seines Vaters, welchen des Sohnes verschwenderischer Aufwand tief verstimmte; er antwortete auf die schriftliche Meldung der Beförderung: „Es war schon genug des Unglücks für mich, Sie, mein Herr, zum Sohne zu haben, ohne Sie erst noch als meinen Oberst zu sehen.“ Erst 1766 in den letzten Lebenstagen des harten, aber streng rechtlichen Fürsten Claudius schwand die Bitterkeit zwischen Vater und Sohn und beklagte letzterer lebhaft die durch Leichtlebigkeit seinem Vater bereiteten trüben Stunden. Nun aber Besitzer eines wahrhaft fürstlichen Vermögens, konnte L., der 1764 zum Generalmajor, 1771 zum Feldmarschalllieutenant und Inhaber des Infanterieregiments Nr. 30 ernannt worden war, neben seinem militärischen Berufe in Brüssel dem Sehnen nach Erweiterung seiner Kenntnisse und dem Verlangen nach Zerstreuung sorglos und unbehinderter nachgehen. Er bereiste in der Friedenszeit 1764–1778 wiederholt Frankreich, Deutschland, die Schweiz, England, Italien, Polen und Rußland; empfing hohe Besuche auf seinen Schlössern; wurde zu der Begegnung Josefs II. und Friedrichs II. im Lager zu Neustadt in Mähren beigezogen; trat mit den bedeutendsten Größen in Wissenschaft, Litteratur und Kunst namentlich Frankreichs, sowie mit den tonangebenden Vertretern der Gesellschaft in Verbindung, wobei allerorts sein schlagfertiges, witziges, offenes, der Berechnung und Intrigue abgeneigtes Wesen unverholene Achtung und Werthschätzung fand. Schon damals widmete sich L. eifrig schriftstellerischen Arbeiten, doch blieben dieselben einstweilen vorwiegend poetischen Ergüssen und geistvollem Briefwechsel zugewendet. Bei Ausbruch des baierischen Erbfolgekrieges 1778 übernahm L. das Commando eines Grenadiercorps anfänglich in Mähren, dann in Böhmen, ohne in diesem meistentheils auf manövrirende Marschbewegungen beschränkten Kriege seiner Liebe zum Ruhme Befriedigung bieten zu können. 1780 begab sich L., einer Einladung Friedrichs II. folgend, nach Berlin, von dort reiste er an den Petersburger, dann an den Warschauer Hof und, sobald es der Dienst zuließ, wieder nach Paris, wo er das Königspaar in bestgemeinter Absicht durch die Denkschrift über Paris zu rechtzeitigen Reformen zu bestimmen suchte. Als aber 1784 die Uneinigkeit mit Holland wegen der Schelde-Schifffahrt zum Ausbruche kam und kriegerische Vorbereitungen nothwendig wurden, da eilte L. wieder zur Truppe; seine damals entwickelte Rührigkeit, Energie und Verdienstlichkeit brachten ihm die Ernennung zum Feldzeugmeister. Ein Jahr später verließ L. Belgien, von dessen Bürgern als Kenner und Beschützer des Landes geehrt und geliebt, reiste im kaiserlichen Auftrage nach Petersburg und begleitete 1787 die Kaiserin Katharina auf einem Theile ihrer Fahrt nach der Krim, wo er mit mehreren Ländereien beschenkt wurde. Daß Ligne’s während dieser Jahrzehnte so unruhiges Leben mit großen Anstrengungen und vielem Zeitverluste verbunden gewesen, ist im Hinblick auf die Verkehrsverhältnisse jener Zeit leicht erklärlich; staunenswerth bleibt aber, daß er noch Muße fand, jene selbständigen militärischen Studien zu verfassen, welche 1780–1786 in seiner Druckerei auf dem Schlosse Beloeil vervielfältigt wurden (s. Thürheim und Wurzbach). Im Herbste 1787 führte ein diplomatisch-militärischer Auftrag L. vor Beginn des Türkenkrieges in das russische Hauptquartier, in welch’ schwieriger Stellung er bis 1789 verblieb, worauf er das Commando eines Armeecorps in Syrmien übernahm. Ungeachtet eines heftigen Lagerfiebers ermüdete er nicht in der Sorge um Semlin’s Sicherheit und hat bei Belgrad durch Errichtung und Ausnutzung von Laufgräben und Batterien, sowie durch die Verwendung der [644] Kriegsflottille an der Einnahme der Festung solch’ rühmlichen Antheil genommen, daß ihm das Commandeurkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens verliehen wurde. Wie L. selbst sagte, hat er „mit großem Vergnügen als Soldat, aber mit tiefem Bedauern als Philosoph gefochten“. Ligne’s kriegerische Thätigkeit endete mit dem Türkenkriege und einer kurzen Verwendung in Mähren; die ungerechtfertigte Verdächtigung, er begünstige die Bewegung in Belgien, war Ursache seiner Belassung ohne Commando, selbst als Kaiser Josef II. im Februar 1790 dies Unrecht durch die Worte gut zu machen suchte: „Ich danke Ihnen für Alles, was Sie für mich geleistet, ich danke Ihnen für Ihre Treue, opfern Sie mir nicht Ihre Interessen, Sie haben Kinder.“ Nachdem L. noch bis 1793 vorübergehend als Gouverneur von Mons zum Wohle seines Heimathlandes zu wirken bestrebt gewesen, wählte er 1794 nach dem Uebergange Belgiens in französische Gewalt Wien zum bleibenden Aufenthalte. Durch diesen Entschluß bewies L. in selten hochherziger Art seine selbstlose Treue zum Habsburgischen Regentenhause, denn mit dem Verlassen Belgiens verlor er all’ seine dortigen Besitzungen; seine Rechte über letztere übertrug er aber 1803, als die Sequestration aufgehoben wurde, an seinen Sohn Ludwig Lamoral. L. lebte nunmehr nur der Wissenschaft und Kunst, und als er 1807 zum Hauptmann der Trabanten-Leibgarde und Hofburgwache und 1809 zum Feldmarschall erhoben worden war, ließ er sich gerne bei militärischen Berathungen zuziehen, immer bemüht, seine reichen Erfahrungen zum Nutzen des Heeres zu verwerthen. Allgemein ernst betrauert schied L. aus diesem Leben; in seinem schriftlichen Nachlasse, wenngleich eines einheitlichen Planes entbehrend, spiegeln sich nutzreich seine vielfachen Kenntnisse, seine geistreiche, originelle Auffassung und tiefe Menschenkenntniß. Seine Memoiren dürfen erst nach dem Ableben aller darin genannten Persönlichkeiten veröffentlicht werden.

Wurzbach, Biogr. Lexik. d. Kaiserth. Oesterr. etc., 3. Thl., Wien 1858. Hirtenfeld, Der Militär-Maria-Theresien-Orden etc., 1. Bd., Wien 1857. Ritter v. Rittersberg, Biogr. d. ausgezeichnetsten Feldh. etc., Prag 1829. Schweigerd, Oesterr. Helden u. Heerf., 3. Bd., Wien 1854. Teuffenbach, Vaterländ. Ehrenbuch etc., Wien u. Teschen 1877. Thürheim, F.-M. Karl Jos. Fürst de Ligne etc., Wien 1877.