ADB:Liudprand

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Artikel „Liudprand“ von Wilhelm Wattenbach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 19–20, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Liudprand&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 08:13 Uhr UTC)
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Liutprand, von 961–72 oder 73 Bischof von Cremona, ist eine der merkwürdigsten Persönlichkeiten des 10. Jahrhunderts. Aus vornehmem langobardischen Geschlechte stammend, erhielt er seine Erziehung am königlichen Hofe zu Pavia, wo er (um 931) durch seine schöne Stimme die Gunst des Königs Hugo gewann. Er hat, außer den nothwendigen theologischen Studien, in bedeutendem Umfange eine Bekanntschaft mit der römischen profanen Litteratur sich angeeignet und liebt es, mit Citaten daraus und mit Anspielungen zu prunken. Auch zeigt er Gewandtheit im Gebrauch verschiedener Versmaße, mit denen er sein Hauptwerk verziert hat. Dennoch hat er es zu einer correcten Schreibart nicht gebracht und läßt sich arge grammatische und metrische Fehler zu Schulden kommen. Zum Diakonus an der Kirche zu Pavia geweiht, wurde er doch für den Hofdienst bestimmt und seine Familie erwarb für ihn durch große Geschenke eine Stelle in der Kanzlei des Königs Berengar, bei dem er große Gunst genoß und in die Geheimnisse der Politik eingeweiht wurde. Um 949 wurde er als Gesandter nach Constantinopel geschickt, auf Kosten seines Stiefvaters, dem König Berengar vorstellte, wie nützlich es ihm sein würde, wenn er Land und Sprache der Griechen kennen lernte. Auch hat er diese Gelegenheit gut benutzt, wobei er durch die Verbindungen begünstigt wurde, welche sein Vater und sein Stiefvater als Gesandte des Königs Hugo dort angeknüpft hatten. Die Bekanntschaft mit der griechischen Sprache trägt er mit fast kindischer Eitelkeit in seinen Schriften zur Schau. Was ihm dann König Berengar und die Königin Willa zu Leide gethan haben, erfahren wir nicht; wir finden ihn von heftigem Groll gegen diese erfüllt als Flüchtling bei König Otto wieder, wo er 956 mit dem Bischof Recemund von Elvira, Gesandten des spanischen Khalifen Abderrhaman, Freundschaft schloß und auf dessen Zureden es unternahm, die Begebenheiten in Europa seit dem Tode Karls III. zu beschreiben. Er nannte das 958 in Frankfurt begonnene Werk das Buch der Vergeltung, weil er darin seinen Freunden und seinen Feinden vergelten wollte, was sie an ihm gethan. Mit mehreren Unterbrechungen hat er bis 962 daran gearbeitet, es dann aber, wie es scheint, wegen der ganz veränderten Lage der Dinge unvollendet liegen lassen, obwol er nur bis 950 gekommen war. Lebendig und unterhaltend geschrieben, bietet uns dieses Werk eine Fülle wichtiger Nachrichten, [20] wenn auch, vorzüglich über ferner liegende Dinge, oft ungenau; auch ist auf seine Leidenschaftlichkeit und Schmähsucht Rücksicht zu nehmen; doch erweist er sich in wesentlichen Dingen zuverlässig und für die Geschichte Italiens in dieser Zeit ist er die Hauptquelle. Als nun Otto I. in Pavia sein neugewonnenes Reich ordnete, erhielt er das Bisthum Cremona und erwies sich fortan als eifrigen und zuverlässigen Anhänger des Kaisers, der ihn zunächst 963 als Gesandten an den Papst schickte. Er war zugegen auf der Synode, welche Johann XII. entsetzte und hat im Auftrage des Kaisers die Geschichte dieser Begebenheiten bis zum Juni 964 beschrieben. Hier bedient er sich einer würdigern, mehr geschäftsmäßigen Sprache und ist glaubwürdig in dem, was er berichtet, indem er andererseits aber, was ihm nicht paßte, mit Stillschweigen übergeht. In der Folgezeit finden wir L. für sein Bisthum thätig, dem er den nach damaligen Begriffen unschätzbaren Leib des hl. Hymerius verschaffte, 967 war er in der Synode zu Ravenna, 968 aber begab er sich noch einmal als Gesandter nach Constantinopel, mit der Hoffnung, für Otto II. die Kaisertochter Theophano zu erhalten, und als Mitgift Apulien und Calabrien, welche den Griechen doch keinen Nutzen brächten. Allein er hatte sich vollständig getäuscht; voll Erbitterung über die schlechte Aufnahme, welche er gefunden, verfaßte er nach der Rückkehr 969 seinen Reisebericht, welcher für uns eine reiche Quelle der merkwürdigsten Mittheilungen aus dem griechischen Reiche ist. Auch diesen beiden zuletzt erwähnten Schriften fehlt das letzte Ende, und in der Meinung, das Autographon Liudprand’s zu besitzen, glaubte Pertz, daß L. selbst sie unvollendet gelassen habe. Diese Meinung ist jedoch gründlich widerlegt durch eine Abhandlung des Director Koehler in Reval (Neues Archiv d. Gesellschaft f. ältere deutsche Geschichte, VIII, 47–89), und da hierdurch die ganze Grundlage der Textkritik verändert ist, wird eine neue Ausgabe seiner Werke nothwendig. – Nach der Ermordung des Kaisers Nikephoros (11. Decbr. 969) kam nun jene Vermählung doch zu Stande, aber ohne die gehoffte Mitgift; ob eine Nachricht, daß L. an der Gesandtschaft zur Einholung der Theophano theilgenommen habe und auf der Reise gestorben sei, zuverlässig ist, wissen wir nicht; am 5. März 973 aber war ein anderer Bischof sein Nachfolger in Cremona. Seine Werke sind in Muratori’s Script. Rer. It. II, dann auf Grundlage des vermeintlichen Autographs von Pertz, Mon. Germ. SS. III und im Separatabdruck in 8° herausgegeben, die kleine Ausgabe neu bearbeitet von Dümmler 1877. Von bleibendem Werth ist die Untersuchung von R. Koepke, De vita et scriptis Liudprandi, Berol. 1842.