ADB:Müller, Friedrich von

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Artikel „Müller, Friedrich von“ von Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 535–537, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCller,_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 04:46 Uhr UTC)
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Müller: Friedrich v. M., großherzoglich sächsischer wirklicher Geheimer Rath und Kanzler, ward geboren am 13. April 1779 zu Kunreuth, einem Schlosse der alten fränkischen Adelsfamilie v. Egloffstein, deren ansehnliches Familienfideicommiß unter der Verwaltung seines Vaters stand. Er ward in der Engelhard’schen Anstalt zu Baireuth erzogen und besuchte dann die Universitäten Erlangen und Göttingen. Hier fügte es sich, daß er eine aus dem Weimarischen an die Universität zum Urtheilsspruch eingesandte Proceßsache zur Bearbeitung bekam und durch die Art und Weise, wie er sich dieser Aufgabe erledigte, die persönliche Aufmerksamkeit des Herzogs Karl August auf sich zog. Er ward veranlaßt nach Weimar zu kommen und schon 1801 als Assessor bei der Regierung, dem oberen Justizcollegium, angestellt und im J. 1804 zum Regierungsrath befördert. Seine während dieser Jahre vielfach dargelegte Arbeitskraft, persönliche Gewandtheit und Rechtlichkeit hatten ihm bereits eine ganz besondere Geltung verschafft, als nach der Schlacht von Jena die Schrecken des Krieges über Weimar hereinbrachen. Der Herzog stand damals in preußischen Kriegsdiensten und war mit seinem Truppentheile bis nach Arnstadt gekommen, als ihn die Kunde von jener unglücklichen Schlacht zum Rückmarsch hinter Erfurt [536] nöthigte. Der Kaiser Napoleon hatte seine sofortige Heimkehr nach Weimar unter Aufhebung seiner bisherigen Stellung zur Bedingung der Fortdauer der Souveränetät gemacht, und es ward demnach versucht den Herzog aufzufinden, um ihn hiervon in Kenntniß zu setzen. Da dies nicht gelang, ward M., der zufällig die Bekanntschaft des berühmten Denon gemacht hatte und von ihm zur Begleitung nach Naumburg eingeladen war, von der Herzogin beauftragt, in das dortige Hauptquartier des Kaisers zu reisen, um eine längere Frist für die Rückkehr des Herzogs zu erbitten. Der ununterbrochene Vormarsch der Armee ließ ihn jedoch den Kaiser erst in Potsdam erreichen, und es gestalteten sich die Umstände jetzt so eigenthümlich, daß M. nicht nur längere Zeit in Berlin verweilen, sondern dem Kaiser auch nach Posen folgen mußte, und zwar jetzt als Geheimer Regierungsrath v. M., da die Verleihung eines höheren Titels und des Adels dem inzwischen in Berlin eingetroffenen Herzog als nothwendig war angerathen worden. In Posen kam dann ein förmlicher Friedensvertrag zu Stande und der Beitritt des Herzogs zum rheinischen Bund. Im Januar 1807 mußte M. nach Warschau reisen, um wiederholte Vorstellungen gegen die übermäßigen Contributionen und Requisitionen zu machen, mit denen Weimar überbürdet worden war, was jedoch ohne Erfolg blieb. Alles dies sowie seine spätere diplomatische Verwendung in Paris vom August bis December 1807, bei dem Erfurter Congreß 1808 und bei den ferneren kriegerischen Ereignissen bis zum October 1813 hat M. in seinen „Erinnerungen aus den Kriegszeiten von 1806–1813“ ausführlich und lebendig dargestellt. Nach Wiederherstellung des Friedens arbeitete er an einer verbesserten Criminalordnung und an der Hebung des Gemeindewesens durch Einführung freisinniger Städteordnungen. Unter seiner wesentlichen Betheiligung ward die Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung ausgeführt und er trat dann 1815 als Kanzler an die Spitze der Justiz. Im folgenden Jahre schloß er den Vertrag mit den herzoglich sächsischen und fürstlich reußischen Staaten über die Errichtung eines gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts zu Jena. Im J. 1835 in den Landtag gewählt, war er ununterbrochen ein treufleißiger Mitarbeiter an dessen Geschäften und gehörte seit 1841 wiederholt zu dessen Vorstand. Seine vielfachen Verdienste wurden 1843 durch Ernennung zum wirklichen geheimen Rathe mit dem Prädicate Excellenz und durch Verleihung des Großkreuzes vom Falkenorden anerkannt. Seine durch vielseitige Kenntnisse gehobene persönliche Liebenswürdigkeit, verbunden mit hervorragendem dichterischen Talent und fein durchbildeten künstlerischem Geschmack, stellte ihn nicht nur auf den ersten Platz in allen geselligen Beziehungen, sondern vermittelte auch seine Anerkennung bei allen bedeutenden Repräsentanten der Kunst und Wissenschaft, selbst über die Grenzen Europa’s hinaus. Insbesondere war es Goethe, der den thatkräftigen, lebendigen, unermüdlichen Mann seit seinem Eintritt in die weimarischen Verhältnisse mit Gunst, Wohlwollen und stets zunehmendem Vertrauen beglückte, was von diesem mit rührender Hingebung und immer steigender Dankbarkeit erwiedert ward. Die Nachwelt ist davon durch Müller’s Aufsätze „über Goethe’s ethische Eigenthümlichkeit“ und „Goethe’s praktische Wirksamkeit“ unterrichtet, sowie durch die „Gespräche mit Goethe“, welche nach Müller’s Tode von Burkhardt herausgegeben worden sind. Von M. rührt der schöne, aus reinster Pietät entsprungene Gedanke her, daß Goethe’s Haus mit sämmtlichen Sammlungen vom deutschen Bunde angekauft und zu einem Nationaldenkmal geweiht werden möge, – ein Plan, der im J. 1845 vom Bundestage bereits genehmigt worden war, als ihn eine entgegengesetzte Ansicht über Pietät von Seiten der hinterlassenen Enkel Goethe’s zerstörte. Weiter ging von ihm der Vorschlag aus, ein Ehrenstandbild Herder’s zu errichten und als eifriger Freimaurer wußte er durch Einwirkung auf die verschiedenen deutschen [537] Logen sowie durch Vermittelung von Sammlungen nach allen Seiten hin manche Schwierigkeiten glücklich zu überwinden; doch sollte er leider die Vollendung des Denkmals nicht mehr erleben. Die Aufregungen des Jahres 1848 brachten ihm, der nach so vielen Seiten hin Zustände und Personen mit treuer Pietät und warmer Begeisterung ehrte und pflegte, viel Schmerzliches und die damit verbundenen, stets sich erneuernden nervösen Spannungen übten auf Körper und Geist des Siebenzigjährigen eine nachtheilige Wirkung aus. Nach seinem Austritte aus dem Staatsdienst, dem er 47 Jahre lang angehört, dachte er wol daran, die über sein Verhältniß zu Goethe gesammelten Papiere zu einer Denkschrift über den großen Mann zu verarbeiten, doch ließen es die immer mehr abnehmenden Kräfte nicht dazu kommen. Am 21. October 1849 entrückte ihn ein sanfter Tod diesem Erdenleben.