ADB:Müller, Karl Emanuel

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Artikel „Müller, Emanuel“ von Placid Meyer von Schauensee in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 523–525, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCller,_Karl_Emanuel&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 15:35 Uhr UTC)
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Müller: Karl Emanuel M., Landammann von Uri, Oberstlieutenant und Ingenieur, geb. zu Altorf am 18. März 1804, † daselbst am 1. Decbr. 1869, stammte aus der angesehenen urnerischen Familie Müller, aus der schon sein Großvater die Stelle eines Landammanns, das höchste Amt in Uri, sein Vater, ein gewesener Offizier in französischen Diensten, diejenige eines Landschreibers bekleidet hatte. Nach erhaltener Gymnasial- und Lycealbildung in Altdorf und Solothurn, dem Besuche der Universität Heidelberg, wo neben technischen Vorbereitungsstudien auch staatswissenschaftliche Collegien besucht wurden, ging M. 1826 nach Wien, um sich ganz den technischen Studien im Fache des Hochbaus und des Straßen- und Brückenbaus zu widmen. Nach seiner Rückkehr in die Heimath sofort in die Landesbaucommission berufen, übernahm M. bei Herstellung der Kunststraße über den Gotthard die Ausführung der schwierigsten Partie durch die Schöllenen mit der neuen Teufelsbrücke, den Bau der Brücke über den Schächenbach bei Altdorf sowie noch andere trefflich gelungene Bauten, die seinen Ruf als Ingenieur weit über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus begründeten. Später unternahm M. zu seiner weiteren Ausbildung noch Reisen nach Italien und England und wurde dann von dort zurückgekehrt von der Regierung von Glarus zum Straßeninspector gewählt, welche Stelle er 1840 niederlegte, um den Bau der großen steinernen Nydeckbrücke bei Bern zu übernehmen. Diese prächtige Brücke, eine der größten baulichen Leistungen jener Zeit, vollendete er innerhalb 4 Jahren, während die accordgemäße Frist 5 Jahre betrug, was ihm große Anerkennung und reichen Gewinn brachte. In dieser [524] Zeit ließen die politischen Zerwürfnisse in der Schweiz den Ausbruch eines Bürgerkrieges als nahe bevorstehend erscheinen. M., ein entschiedener Anhänger der katholisch-conservativen Partei und streng festhaltend an den Principien der Kantonalsouveränetät, lehnte daher die ihm von der Regierung von Bern gemachten glänzenden Anerbietungen für Uebernahme der Stelle eines Kantonalbauinspectors ab, stellte sich seinem Heimathkanton, der ihn zum Commandanten der Landwehr erkor, zur Verfügung, folgte aber, da er die Interessen der Sonderbundstände als solidarisch betrachtete, schon 1845 einem Rufe des Kantons Luzern in den dortigen Regierungsrath, wo er das Baudepartement übernahm und 1846 den Stand Luzern auf der Tagsatzung vertrat. Als die Tagsatzung die Auflösung des Sonderbundes durch Waffengewalt beschlossen und der Bürgerkrieg zum Ausbruch gekommen, wurde M., im sonderbündischen Generalstab zum Obercommandanten des Genies ernannt, an die Spitze der Gotthardexpedition gestellt. Unter seiner Führung machten am 17. Novbr. 1847 1700 Mann Sonderbundstruppen mit 4 Geschützen vom Gotthardhospiz aus einen Einfall in den Kanton Tessin, welcher den Zweck hatte, den Weg nach Mailand zu öffnen und für Verproviantirung des sonst rings vom Feinde umschlossenen Sonderbundsgebietes zu sorgen. In dem Gefecht bei Airolo siegten die Truppen Müller’s über die ungeübte Mannschaft des tessinischen Obersten Luvini und drangen bis vor die Mauern von Bellinzona vor, wo die Expedition wegen Mangels an Geschützesmunition und wegen der inzwischen in Luzern eingetretenen Ereignisse umkehren mußte. Obwohl diese Expedition für den Ausgang des Sonderbundskrieges resultatlos blieb, so trug sie doch M., der dieselbe als Oberstlieutenant leitete, den Ruhm eines einsichtsvollen und kaltblütigen Anführers ein. Nach Beendigung des Sonderbundskrieges wurde M. in den von der siegenden Partei gegen die Mitglieder der abgetretenen Regierung angestrengten sog. Hochverrathsproceß verwickelt, erlangte jedoch später, allerdings erst nach vielen Jahren vollständige Restitution und kehrte nach Uri zurück, wo er, obwohl von verschiedenen Ehrenämtern in Anspruch genommen, doch wieder in seinem eigentlichen Berufe und Fache thätig war. Von 1850–53 vollführte er das schwierige Werk der Reußcorrection im Thale von Altdorf und sicherte mittels der Kanalisirung des wilden Flusses die fruchtbare Ebene vor der früher stets wiederholten Verwüstung. Beim Bau der schweizerischen Centralbahn concurrirte er ohne Erfolg für die Uebernahme des Hauensteintunnels. 1856 entschied seine Expertise für die Stellung des Bahnhofs Solothurn, wofür ihm das Bürgerrecht der Stadt und ein kostbares Ehrengeschenk zu Theil wurden. In den Jahren 1856–58 sowie 64–65 berief die Urner Landsgemeinde M. zum höchsten Amte, demjenigen des Kantonslandammann und 1862–64 vertrat er den Kanton Uri im schweizerischen Ständerath. Neben dem Bau der katholischen Kirche in Bern, der ihm im J. 1859 übertragen und für ihn die Quelle mannigfaltigen Verdrusses wurde, beschäftigten M. auch verschiedene Unternehmungen privater Industrie, von denen wir hier die neugegründete Papierfabrik an der Isleten im Kanton Uri, den Betrieb der alten Papierfabrik in Horw und ganz besonders die für ihn sehr fruchtbare Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee nennen. Weniger günstig fiel die Güterspeculation in Slavonien aus, durch die er in zahlreiche Processe der unangenehmsten Art mit seinem Verwandten und früheren Freunde Vincenz Müller verwickelt wurde. M., der schon 1853 mit Ingenieur Koller Pläne und Gutachten für das Unternehmen der Gotthardeisenbahn gearbeitet, den Kanton Uri bei allen diesfallsigen Conferenzen und Verhandlungen vertreten und dessen Einfluß es hauptsächlich gelungen, das Volk von Uri zu der Subvention von einer Million zu vermögen, beschäftigte sich im Delirium der Todesstunde mit der Gotthardbahn, für die er die [525] letzte und größte Begeisterung empfand. In Müller’s Leben erscheint neben seiner Bedeutung als eines der ersten schweizerischen Ingenieure besonders charakteristisch seine große Anhänglichkeit an sein Heimathland Uri sowie seine seltene Gemeinnützigkeit. Müller’s Tüchtigkeit und Ehrenhaftigkeit wurden überall und von allen Parteien anerkannt und seine technischen Gutachten hatten, wie Dr. Segesser richtig bemerkt, nicht nur den Werth der Expertise, sondern mehr noch den eines unbestechlichen, gewissenhaften Urtheils.

Vgl. Geschichte der Erbauung der Nydeckbrücke in Bern in den Jahren 1840–1844 von Landammann Müller, Zürich, Friedrich Schultheß, 1848, ferner Dr. A. Ph. v. Segesser, Sammlung kleiner Schriften, 2. Bd., Bern 1879, S. 461 u. ff. und Gallerie berühmter Schweizer der Neuzeit von Alfred Hartmann, Bd. 2. Nr. 87.