ADB:Meier, Ernst Julius

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Artikel „Meier, Ernst Julius“ von Georg Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 288–290, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meier,_Ernst_Julius&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 08:11 Uhr UTC)
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Meier: Ernst Julius M., angesehener sächsischer Geistlicher, † 1898. – Als Sohn eines Steueramtsrendanten wurde Ernst Julius M. am 7. September 1828 zu Zwickau in Sachsen geboren, besuchte hier das Gymnasium unter Raschig’s Directorat und bezog 1847 die Universität Leipzig, um Theologie zu studiren. Während das Fachstudium zurücktrat, aus dem nur Niedner’s kirchen- und dogmengeschichtliche Vorlesungen, wie dessen kirchenhistorisches Seminar ihn dauernd fesselten, wurden die philosophischen Studien um so eifriger getrieben. Christian Hermann Weiße wurde ihm „sein lieber, lieber Professor, zu dem er einen natürlichen Zug der Sympathie von Anfang an zu haben fühlte“. Bei ihm hörte er sämmtliche philosophische Collegien, wurde auch zur Vertiefung in Hegel, Schelling, Spinoza und Jakob Böhme, in Schleiermacher und Richard Rothe angeregt und zu einem selbständigen Eindringen in religiöse und kirchliche Fragen geführt. „War doch bei dem Philosophen Weiße mehr Begeisterung für die Ideale des Christenthums zu finden, als bei den meisten theologischen Docenten Leipzigs in jener Zeit.“ Daneben trieb er mit Vorliebe litterarische und ästhetische Lectüre; besonders fesselten ihn Shakespeare, Jeremias Gotthelf und die deutschen Classiker. 1849 trat er in die Lausitzer Predigergesellschaft ein, betheiligte sich an ihren wissenschaftlichen und praktischen Uebungen, war auch Mitbegründer eines unter Dr. Bornemann’s Leitung stehenden katechetischen Vereins, in dem er mehrmals katechetische Entwürfe eingab, auch Lectionen hielt.

Nachdem er 1850 die erste theologische Prüfung bestanden hatte, wandte sich der junge Candidat nach Dresden, wo er an der Privatschule des Directors [289] Petasch als Lehrer und Erzieher wirkte. In seine Stimmung beim Weggange von Leipzig läßt folgende Niederschrift blicken: „Ich bin ein Freier, Gott sei Dank! In eure spanischen Stiefel, meine Herren Theologen, komme ich aber hoffentlich nicht sobald wieder. Uebrigens keinen Groll: gründlich verachten habe ich euch und eure Sippschaft lernen, um desto wahrer, inniger und tiefer an dieser einen Welt- und Menschenüberwindenden Gestalt des Gottmenschen mit Leib und Seele zu hangen.“ Persönliche Beziehungen zu Otto Ludwig, Ludwig Richter und Heydrich trugen zu seiner Vertiefung bei, auch gründliche Versenkung in Luther’s Schriften und die Zeit der Reformation. Nach bestandener Prüfung siedelte er nach Leipzig-Stötteritz über als Hauslehrer in der Familie seines verehrten Gönners Weiße. Während dieser Zeit gewann Ahlfeld als Prediger und Lehrer im Candidatenverein auf ihn großen Einfluß. Nach vorhergehender Thätigkeit als Katechet zu St. Petri in Leipzig trat er am 10. September 1854 das Pfarramt Flemmingen mit Frohnsdorf an, wurde 1864 Superintendent und Oberpfarrer zu Lößnitz im Erzgebirge, Anfang des Jahres 1867 Superintendent der Ephorie Dresden II und Stadtprediger, nach Theilung der Parochien Pfarrer an der Frauenkirche in Dresden. 1890 erfolgte seine Berufung als Oberhofprediger und Vicepräsident des evangelisch-lutherischen Landesconsistoriums, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode am 6. October 1898 verblieb.

Seine Bedeutung lag in seinen Leistungen als Prediger. Mit einem durchdringenden Organe und glänzender rednerischer Begabung ausgestattet, wußte er bei feierlichen Gelegenheiten, z. B. bei der Lutherfeier 1883, mit seiner Beredsamkeit die Herzen zu packen, bei Casualreden in schwierigen Fällen das rechte Wort zu finden; aber auch jede einzelne Predigt zeichnete sich durch Gedankenfülle, glänzende Sprache, treffende Dialektik, musterhafte Verwendung der deutschen Litteratur und feine psychologische Entwicklung aus. Ein großer Theil liegt gedruckt vor in den Sammlungen „Wir sahen seine Herrlichkeit“, 1. Sammlung (Leipzig 1871, 2. Auflage 1877); 2. Sammlung (1877, 2. Auflage 1891), „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte“ (Leipzig 1866, 2. vermehrte Auflage 1894), sowie in Zeitschriften, wie in der von seinem Freunde Zimmermann herausgegebenen homiletischen Monatsschrift „Gesetz und Zeugniß“, den späteren Pastoralblättern, in zahlreichen Einzeldrucken, unter denen die Predigten zur Eröffnung des Landtags und der Synode erwähnt seien.

Daneben entfaltete er eine eifrige seelsorgerische Thätigkeit. Während der drei Jahrzehnte langen Dresdener Wirksamkeit sammelte er neben der ihm in seinem Amte anvertrauten Gemeinde eine zahlreiche persönliche Gemeinde, zu der namentlich viele Beamten- und Officiersfamilien gehörten. Großen Nachdruck legte er auf den Confirmandenunterricht, in dem er die jungen Herzen gewann, die ihm ihr Lebenlang in treuer Verehrung zugethan waren.

Einen großen Theil seiner Kraft nahm die Verwaltung in Anspruch; schon in seiner Stellung als Ephorus der großen, sich immer stärker bevölkernden Landephorie Dresden mit ihren ins Ungemessene wachsenden Vororten, in denen ihm bis zum Jahre 1874 auch das Schulwesen unterstand, noch mehr in dem einflußreichen Amte eines Oberhofpredigers; die Besetzung der geistlichen Stellen, die Prüfung der jungen Theologen, die Vorbereitungen zu den Vorlagen an die Landessynode, diese selbst, die von ihm erneuerten Kirchenvisitationen, die Theilnahme an den Eisenacher Conferenzen nahmen ihn stark, eigentlich gegen seine Neigung, in Anspruch. Die Erziehung des theologischen Nachwuchses in den Candidatenvereinen war ihm eine wichtige Aufgabe. Die [290] Ansprachen an die Geistlichen und Lehrer der Ephorie sind gesammelt in den „Feststunden brüderlicher Gemeinschaft“ (1871), „Stunden der Weihe für den Dienst in der Gemeinde“ (1878).

Wissenschaftlich beschäftigte er sich mit der Reformationszeit. Eine Frucht dieser Studien war sein „Nicolaus von Amsdorf“ in Meurer’s Leben der Altväter der lutherischen Kirche. Auch für Caspar Aquila hatte er die Vorarbeiten begonnen. Eine Freude waren ihm dogmatische und ethische Studien. Viel Erfolg hatte er mit seinen volksthümlichen Vorträgen, wie „Judas Ischarioth, ein biblisches Charakterbild“, „Johannes, der Jünger, der nicht stirbt“, „Der Dienst der evangelischen Kirche am deutschen Volke während der Zeit des dreißigjährigen Krieges“, wie mit den oft mit Spannung erwarteten, gern gelesenen und viel besprochenen Artikeln zu den Bußtagen und Festzeilen in der Leipziger Zeitung.

Verheirathet war M. seit 1854 mit Therese Schmidt, die aus einer Dresdner Künstlerfamilie stammte. Von drei Söhnen widmete sich einer der juristischen, einer der Marine-, einer der geistlichen Laufbahn; die Tochter ist an den Pfarrer D. Kühn an der Johanniskirche in Dresden verheirathet, der die untenstehende Biographie verfaßt hat.

Vom Königlich Sächsischen Verdienstorden besaß M. den Comthur II. Cl., vom Albrechtsorden den Comthur I. Cl., vom Sachsen-Ernestinischen Hausorben den Comthur II. Cl.

B. Kühn, Oberhofprediger Dr. theol. et phil. Ernst Julius Meier in den Beiträgen zur sächsischen Kirchengeschichte, hrsg. von Dibelius und Brieger. 12. Heft (Jahresheft für 1897)). Leipzig 1898, S. 1–55. – G. Rietschel in Hauck’s Realencyklopadie für protestantische Theologie und Kirche. 3. Aufl. XII, 503 f. – R. Zöpffel im Lexicon für Theologie und Kirchenwesen von H. Holtzmann und R. Zöpffel. 2. Aufl. Braunschweig 1888, S. 717b. – Kohlschmidt in: A. Bettelheim, Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog III (Berlin 1900), S. 393 bis 395. – Oberhofprediger D. Meier. Allgemeine evangelisch-lutherische Kirchenzeitung (Leipzig), Jahrgang 1897, Sp. 1014–1018. – Temper, D. Kunze und Kluge, Fünfundzwanzig Jahre Candidatenverein. Dresden 1892. – H. J. Scheuffler, Die evangelisch-lutherische Landessynode im Königreiche Sachsen in ihrem ersten Vierteljahrhundert 1871–1896. Selbstverlag des Verfassers, in Commission der Buchdruckerei Julius Reichel, Dresden (1897), S. 165. 2. 39. 273. 282. – Meier’s Bild befindet sich auf den drei photographischen Porträtgruppen, die von dem Photographen A. Strube in Löbau (Sachsen) zusammengestellt worden sind (Löbau 1897).