ADB:Meinert, Johann Georg

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Artikel „Meinert, Johann Georg“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 226–227, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meinert,_Johann_Georg&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 15:20 Uhr UTC)
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Meinert: Johann Georg M., Litterat, geb. 1775 zu Leitmeritz in Böhmen, vollendete seine Studien an der Prager Hochschule, überging hierauf ins Lehrfach, vorerst am Prager Altstädter Gymnasium als Professor der vierten – „Syntax“ benannten Classe; aufsteigend in die anschließende für „Poesie und Litteratur“, begünstigte ihn der 1806 erfolgte Abgang Prof. August Meißners nach Fulda, für das Vorrücken auf den Lehrstuhl für Aesthetik, mit dessen Verlassen – 1811 – auch seine Lehrthätigkeit wieder abschloß. Der Grund hierfür lag in seiner Vorliebe für litterarische Beschäftigung, der M. schon während der letzten Studienjahre fortgesetzt auch neben dem Lehramte oblag. Aus ersteren datirt: „Franz Petrarka“, 1794 erschienen; von 1801 an redigirte er das periodische Blatt: „Der böhmische Wandersmann“, dem er von 1803–1804 die historisch-belletristische Zeitschrift: „Libussa“ folgen ließ. In das J. 1807 gehört die Antrittsrede: „Ueber das Interesse der Aesthetik, Pädagogik, Geschichte der Gelehrtheit und Philosophie für gebildete Menschen“. – Unverkennbar zeigt sich M. nach dieser Richtung im Gefolge von Männern wie Karl Heinr. Seibt und Aug. Meißner – der erstere, ein geborner Schlesier, von Maria Theresia als Professor der schönen Wissenschaften; der andere, 1784 durch Kaiser Joseph II. von Dresden für Aesthetik und klassische Litteratur berufen – welchen es vorbehalten war dem in den deutschen Nachbarlanden aufflammenden, das Culturgebiet durchleuchtenden Humanismus, Eingang und Nachwirkung in Böhmen zu vermitteln. Unseres Erachtens gewann auch M. gerade erst in der Gefolgschaft dieser Männer seine Bedeutung für jene denkwürdige Periode, in welcher die Prager Hoch- und Mittelschule vom Geiste Kaiser Josephs durchdrungen, dem Weckrufe der Geister in Deutschland Widerhall gab, und die deutsche Sprache in Schrift wie im Worte unangefochten wieder Verständigungsmittel wurde zwischen den Tschechen und Deutschen des Landes. – Eine getreue Abspiegelung vom Charakter und Streben Meinert’s findet sich in seinen Publicationen, zum Theil schon in ihren Bezeichnungen. Denn unabhängig vermöge einer sorglosen Lebensstellung, dazu im Gunstgenusse des im mährischen Kuhländchen begüterten Grafen Pachta, konnte er je nach Belieben auf dessen Schlosse zu Partschendorf Aufenthalt nehmen für ungestörtes Arbeiten. Reflex solchen Aufenthaltes war sein „Fylgie oder alte deutsche Volkslieder in der Mundart des Kuhländchens“. Als „1. Hälfte“ 1817 in Hamburg bei Perthes erschienen, aus welchem mehreres Werthgeschätzte in verschiedene Sammelwerke überging, so in die Abhandlungen der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften (Bd. VII, 1820): „Joannis von Marignola, Reise in das Morgenland 1339–1353“; weiter in die „Wiener Jahrbücher für Litteratur“; in Hormayr’s „Archiv für Geschichte“, wie in die Fortsetzung unter Riedler. Die namhaftesten, also weiter verbreiteten Bruchstücke der „Fylgie“ sind: „Die Annales [227] Gradicenses“, – mährische Urkunden des 14. und 15. Jahrhunderts, als Beitrag zur Geschichte der Krawake (Kuhländler), des mährischen Städtewesens, der Probstei Fulnek, der hussitischen Verhältnisse; – die auf Oesterreich sich beziehenden Stellen in den alten Minnesängern Deutschlands: „Die Trübauer Handschrift“; „Die Königinhofer Handschrift“; „Lobgesang auf die mährischen Apostel Cyrill und Methud“; „Die böhmischen Geschichtsschreiber der ersten Zeiträume“; „Beiträge zur böhmischen Münzkunde“. – Der in Vorbereitung befindliche 2. Band gelangte nicht zur Herausgabe. – Ueberrascht von einem aus dem Befreiungskriege hervorgegangenen Nachwuchse mit vollständig verändertem Endziele, dem Folge zu leisten ihm die Eigenschaft fehlte, fand sich M. denn auch je weiter, desto isolirter; es behagte ihm weder Prag noch Wien, wo er vordem abwechselnd die Wintermonate zubrachte: denn da wie dort glaubte er seine Wege gekreuzt durch die „Neuromantiker“. M. zog sich demnach für die letzten zwei Jahrzehnte seines Lebens gänzlich nach Partschendorf zurück und ist auch da am 17. Mai 1844 verstorben. Die im Klar’schen Jahrbuch „Libussa“ für 1851 erhobene Klage, als hätten „die außerordentlichen Geistesanlagen dieses Mannes“ in Deutschland bessere Anerkennung gefunden wie in Oesterreich, beruht auf einem Mißverständnisse. – Anerkannt wurde, was M. seiner Zeit zu Gute gethan, schon in jener Zeit; zu Ehren brachten ihn ebenfalls wieder die neueren Culturhistoriker, insbesondere Dr. Ludw. Schlesinger in seiner 1870 zu Prag erschienenen: „Geschichte Böhmens“. Daß er vorübergehend vergessen wurde, ist zurückzuführen auf das selbstwillige außer Action treten, als es galt den „Befreiungskrieg“ mittelst geistigen Waffen zu Austrag zu bringen. – Im Nachlasse Meinert’s fanden sich vor: „Eine Lebensbeschreibung des Bischofs Zdik“ – eines der vorzüglichsten Bischöfe Mährens im 12. Jahrhundert, und Sohnes des Geschichtsschreibers Cosmas; „Briefe und Nachrichten über Cardinal Guido“ – den von 1143 bis Anfang des 13. Jahrhunderts höchst einflußreichen, zum Theil reformatorisch wirkenden päpstlichen Legaten unter Wladislaw II.

Geschichte Böhmens v. Dr. Ludw. Schlesinger. – Moravia, Brünner Blatt von 1815. – Raßmann, Pantheon deutscher, jetzt lebender Dichter, Helmstedt 1823. – Oesterr. National-Encyklopädie v. Gräffer und Czikann, 1835, Bd. III. – Ludw. Schreyer, die Schriftsteller Oesterreichs in Reim und Prosa etc. Wien 1858. – Biographisches Lexikon d. Kaiserthums Oesterreich, v. Wurzbach.