ADB:Meinhard (Heiliger)

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Artikel „Meinhard, Bischof von Livland“ von Georg Dehio in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 227–228, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meinhard_(Heiliger)&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 08:31 Uhr UTC)
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Meinhard, erster Bischof von Livland. – Nach der Beschaffenheit der Ueberlieferung außer Stande ein Bild von persönlichem Gepräge zu zeichnen, geben wir hier einen Umriß seiner geschichtlichen Stellung. – Die gegenwärtig zum russischen Reich gehörenden östlichen Küstenländer des baltischen Meeres, in welche etwa seit dem Jahre 700 die finnischen Stämme der Kuren, Liven und Esthen eingezogen waren, während erst im 13. Jahrhundert von Süden her die Letten in ihre heutigen Sitze vordrangen, sind mit der deutschen Kultur in die früheste, wiewol nur erst streifende Berührung im 11. Jahrhundert getreten. Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen, bewogen durch die ausgezeichneten Erfolge seiner Missionspolitik in Schweden, bestellte den Abt seines thüringischen Klosters Gosek, Namens Hiltin, zum Predigtbischof für Livland, mit dem Sitze im schwedischen Birka. Hiltin hat nur kurze Zeit seines Amtes gewaltet (1062 bis 1064), eine gefährliche Reaction des Heidenthums in Schweden (1066) und die Verflechtung des Erzbisthums in die deutschen Wirrnisse unter Heinrich IV. ließen den Gedanken an Fortsetzung der livländischen Mission nicht aufkommen. Das folgende Jahrhundert brachte dann den Abfall der nordischen Kirchenprovinzen von der deutschen Mutterkirche und den furchtbaren Kampf mit den [228] Wenden um den Besitz der südwestlichen Ostseeküste, der zu Ende geführt sein mußte, bis Livland wieder in den deutschen Gesichtskreis eintrat. Etwa seit 1160 begann sich die Handelsstraße von Lübeck über Wisby an die Dünamündung mit Kaufleuten aus Westfalen, Niedersachsen, Holstein zu beleben. Unter dem Schutze einer solchen Handelsgesellschaft eröffnete zu Anfang der 80er Jahre M. die Missionspredigt. Schon im vorhergehenden Jahrzehnt hatte im Auftrage des Erzbischofs von Lund der französische Mönch Fulko im Gebiete der Esthen in dreimaligem Anlauf umsonst das Bekehrungswerk versucht. Von deutscher Seite ist M. der erste. Er war bis dahin Canonicus im Augustinerstift Segeberg gewesen, wo die Erinnerung an den Stifter St. Wizelin missionarischen Geist wach erhielt; als er nach Livland sich aufmachte, schon bei Jahren „demüthig und fromm“. Der Großfürst von Polozk, dem die Dünaliven Tribut zahlten, gestattete auf Meinhard’s Gesuch die Predigt, gegen deren Pflichten die russische Kirche immer gleichgültig geblieben war, und die Liven, eben von den Letten hart bedrängt, sahen die Erbauung einer steinernen Burg zu Ikrskola[1] (heute Uexküll, einige Meilen oberhalb Riga) nicht einmal ungern, 1184. Im folgenden Jahre forderte Meinhard’s Oberhirt, der Erzbischof von Bremen Hartwich II. vom Papste die Bestätigung der fast zur Fabel gewordenen Herrschaftsrechte seines Stuhles über die nordische Kirche, wurde aber abschlägig beschieden. Gleichwol zögerte er nicht die livländische Mission als Bisthum zu constituiren, weihte M. zu deren Vorsteher, bestimmte Uexküll zum Kathedralsitz, 1186. Hier ist M. bis an seinen Tod, 1196, thätig gewesen. Sein tüchtigster Gehülfe war der Cisterciensermönch Dietrich. Derselbe predigte im Treiden’schen, machte auch eine Recognoscirungsreise nach Esthland, vermochte aber beiderorts nichts auszurichten. So blieb die junge Kirche auf das Gebiet des unteren Dünalaufes beschränkt. Die Taufe wurde von den wenigen livischen Häuptlingen, die sich zu ihr bequemten, lediglich auf irdische Vortheile angesehen, und zu Zeiten lebte M. unter ihnen nicht viel anders wie ein Gefangener. Pilger aus Deutschland kamen, ungeachtet eines päpstlichen Ablaßbriefes, spärlich und unregelmäßig; eine mit dem schwedischen Jarl Birger (?) verabredete Heerfahrt gegen die kurischen Seepiraten verunglückte; gleich nach Meinhard’s Hinscheiden fielen die Getauften allesammt ins Heidenthum zurück. Wenn die Geschichte M. mit dem Namen des „Apostels von Livland“ geehrt hat, so darf dabei nur an sein redliches Streben, nicht an seine Erfolge, die thatsächlich gering waren, gedacht werden. Gegenüber einem Heidenthum auf der Stufe des livischen bleibt der Missionär ohnmächtig ohne die zwiefache Bundesgenossenschaft der Waffen und der Cultur. Erst Meinhard’s größerer Nachfolger Albert hat Dauerndes in Livland gegründet, im geistlichen Gewande in Wahrheit Nachfolger Heinrichs des Löwen und Vorläufer des Deutschordens.

Ed. Pabst, Meinhard, Livlands Apostel. Programme der Ritter- u. Domschule zu Reval. 1847–49. – G. Dehio, Geschichte des Erzbisthums Hamburg-Bremen, Bd. II, Cap. 10.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 228. Z. 15 v. o. l.: Ikaskola (s. Ikrskola). [Bd. 21, S. 797]