ADB:Napiersky, Karl Eduard von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Napiersky, Karl Eduard“ von Heinrich Julius Böthführ in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 250–253, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Napiersky,_Karl_Eduard_von&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 17:27 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Naogeorg, Thomas
Nächster>>>
Narhamer, Johann
Band 23 (1886), S. 250–253 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karl Eduard von Napiersky in der Wikipedia
Karl Eduard von Napiersky in Wikidata
GND-Nummer 116882891
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|23|250|253|Napiersky, Karl Eduard|Heinrich Julius Böthführ|ADB:Napiersky, Karl Eduard von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116882891}}    

Napiersky: Karl Eduard N., hochverdienter, epochemachender Schriftsteller auf dem Gebiete der Geschichte Liv-, Ehst- und Kurlands, insbesondere auch auf dem der Litterärgeschichte dieser Provinzen. Er war geboren zu Riga am 21. Mai 1793 und bezog nach erhaltener Vorbildung im Riga’schen Gymnasium die Universität Dorpat, wo er von 1810–1812 Theologie studirte und 1811 bei der Preisvertheilung die silberne Medaille erhielt. Nachdem er sich als Candidat zu einem Predigtamte vorbereitet hatte, wurde er 1814 zum Pastor zu Neu-Pebalg in Livland vocirt. Hier lebte er in segensreicher Wirksamkeit auch schon litterarisch thätig, besonders durch Herausgabe lettischer Schriften, als er im Jahr 1829 den Ruf zum Rigaischen Gouvernements-Schulendirector erhielt und zugleich zum Censor in Riga ernannt wurde. Von diesen Aemtern wurde er 1849 auf sein Ansuchen mit voller Pension entlassen, trat aber 1851 wieder in den Staatsdienst als Mitglied des Rigaischen Censurcomités. Als Anerkennung seiner Verdienste in diesen Stellungen erhielt er nicht bloß mehrere Orden, sondern wurde auch zum Staatsrath erhoben, womit die Ertheilung des erblichen Adels verbunden war. Bereits im Jahr 1832 wurde er von der Universität Königsberg zum Doctor der Philosophie creirt, wie es in dem Diplom heißt: „propter luculentam eruditionem libris historicis compluribus publice comprobatam“. Er starb am 2. September 1864 zu Riga.

In der ländlichen Stille auf dem Pastorat Neu-Pebalg hatte N. begonnen, sich den historischen Studien zuzuwenden und namentlich die Geschichte seiner Heimath zum Gegenstande seiner Betrachtung und seiner Arbeit zu machen. Als erste Frucht derselben legte er am 23. März 1823 der kurländischen Gesellschaft für Litteratur und Kunst im Manuscript vor die an Gadebusch’s fünfzig Jahre früher erschienene Abhandlung von livländischen Geschichtschreibern anknüpfende „Fortgesetzte Abhandlung von livländischen Geschichtschreibern“, die 1824 in Mitau gedruckt wurde. Am Schlusse dieser Abhandlung stellt er gewisse Postulate hinsichtlich dessen auf, was zunächst in Sachen der Landesgeschichte zu geschehen habe. Damit hatte er zugleich ein Programm für seine eigene weitere litterarische Thätigkeit gegeben, indem er diese Postulate theils [251] allein, theils unter Hinzuziehung und Mitwirkung anderer Gelehrten erfüllte. Die vier Punkte betrafen: 1. Herstellung eines wohlgeordneten und möglichst vollständigen inländischen Schriftstellerlexikons, um eine bei den meisten litterarischen Arbeiten empfindliche Lücke auszufüllen. 2. die Veranstaltung neuer Ausgaben der alten gedruckten oder nur handschriftlich vorhandenen Landeschroniken. 3. die Herausgabe der Urkundensammlung, welche aus dem geheimen ehemaligen Deutschordensarchiv zu Königsberg in den Jahren 1809–1816 abschriftlich entnommen war, und sich im Archiv der livländischen Ritterschaft befand. 4. die Ausarbeitung und Veröffentlichung eines beschreibenden Verzeichnisses über alle in inländischen Bibliotheken und Archiven vergraben liegenden handschriftlichen Materialien zur Landesgeschichte. – Das erste dieser Desiderien ging bald in Erfüllung durch N. selbst, der in Johann Friedrich von Recke, dem Begründer des kurländischen Provinzialmuseums, einen Mitarbeiter fand, der schon 1812 und wieder 1814 mit der Ankündigung eines solchen Werks hervorgetreten war, dasselbe aber wegen mangelnder Beihilfe wieder hatte fallen lassen. N. hatte schon während seines Landaufenthalts Vorarbeiten gemacht, und so erschien schon 1827 der erste der vier Bände des „Allgemeinen Schriftsteller- und Gelehrtenlexikon der Provinzen Livland, Ehstland und Kurland, bearbeitet von Johann Friedrich von Recke und Carl Eduard N.“; der letzte Band folgte im Jahre 1832. Später in den Jahren 1859 und 1860 erschienen zwei Bände Nachträge und Fortsetzungen zu demselben von Dr. Theodor Beise unter Mitwirkung Napiersky’s. Das nächste der größeren Werke Napiersky’s war nochmals literärgeschichtlicher Art: der im Jahre 1831 erschienene „Chronologische Conspect der lettischen Litteratur.“ Er enthält ein vollständiges bibliographisches Verzeichniß aller von 1587, dem Jahre des ersten lettischen Druckes, bis 1830 herausgekommenen lettischen Druckschriften. N. hat später diese Arbeit noch zweimal wieder aufgenommen und bis zum Jahre 1855 fortgeführt. Das zweite Desiderium wurde ebenfalls von ihm realisirt, allerdings unter Zuziehung auch anderer Kräfte (Tielemann, Pauker, von Bunge) durch die Herausgabe der „Monumenta Livoniae antiquae. Sammlung von Chroniken, Berichten, Urkunden und andern schriftlichen Denkmalen und Aufsätzen, welche zur Erläuterung der Geschichte Liv-, Ehst- und Kurlands dienen.“ Erschienen zu Riga und Leipzig von 1835–1847 in fünf Quartbänden. N. hat nicht bloß die Anregung zu diesem Werke gegeben, sondern auch das Ganze angelegt, das meiste geliefert und bis auf die Druckcorrectur besorgt. N. lieferte dazu: „Thomae Hiaern’s ehst-, lyf- und lettländische Geschichte. Nach der Originalhandschrift herausgegeben“ (macht den ganzen ersten Band); im zweiten Bande: „Nachtrag zu Thomae Hiaern’s ehst-, lyf- und lettländischer Geschichte. Zum erstenmal herausgegeben“; „Actenstücke zur Geschichte der Nolde’schen Händel in Kurland zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts“; im 4. Bande: „Kurze Uebersicht der älteren Geschichte der Stadt Riga von 1200 bis 1581, nebst einem Anhang von Urkunden“; „Das Buch der Aeltermänner großer Gilde in Riga“ und „Melchior Fuchs, weiland Bürgermeisters der Stadt Riga, Historia mutati regiminis et privilegiorum Civitatis Rigensium 1654“; im 5. Bande: „Der letzte Erzbischof von Riga, Markgraf Wilhelm von Brandenburg. Eine Relation nach Urkunden als Einleitung zu diesem Bande.“ Diesem Werke folgte zur Erfüllung desselben Desideriums alsbald ein anderes: „Scriptores rerum Livonicarum. Sammlung der wichtigsten Chroniken und Geschichtsdenkmale von Liv-, Ehst- und Kurland in genauem Wiederabdrucke der besten bereits gedruckten aber selten gewordenen Ausgaben.“ 2 Bde. 1848 und 1853. Er lieferte darin namentlich: „Animadversiones nonnullae ad Silvam documentorum, Hansenianae editioni Originum Livoniae adjectam“; in der Ausgabe der livländischen Reimchronik von Th. Kallmeyer, die Paraphrase, das Glossar [252] und einige Anmerkungen; den Auszug aus der deutsch Ordenschronik mit abweichenden Lesarten, Anmerkungen und einem kleinen Wörterbuche; das Vorwort zum zweiten Bande und „Balthasar Russows Chronika der Provintz Lyfflandt nebst Wörterbuch und Register“, ferner die kleineren Schriften von Thomas Homer, Augustinus Eucaedius, Dionysius Fabricius, Fridericus Menius, Olaus Hermelin, Friedrich Engelken, Johann Wolfg. Boecler und Daniel Printz von Buchau. – Zur Erfüllung des dritten Desideriums, der Herausgabe des ganzen Königsberger Urkundenschatzes war die Möglichkeit noch nicht gegeben. Aber er machte sich daran, ein Regestenwerk zu liefern, wobei er die richtige Deutung der Ausstellungsdaten und die genaue Feststellung der Chronologie zu seinem Hauptaugenmerk machte. So erschien denn im Jahr 1833 der erste Theil und im Jahr 1835 der zweite Theil des mit typographischem Luxus ausgestatteten auf Kosten der livländischen Ritterschaft gedruckten Werks: „Index corporis historico-diplomatici Livoniae, Esthoniae, Curoniae“. Dasselbe war epochemachend für die weitere Bearbeitung der livländischen Provinzial-Geschichte. N. hatte sich dieser mühsamen und schwierigen Arbeit unterzogen, wie er selbst sagt, „als einem der Wissenschaft und dem Vaterlande zu leistenden Dienste“ ohne Anspruch auf irgend eine Vergeltung. Doch erhielt er für dieselbe von dem Kaiser von Rußland, Nicolaus I. eine werthvolle goldene Tabatière, von dem König Friedrich Wilhelm III. von Preußen eine goldene Medaille und von dem König Karl XIV. Johann von Schweden eine eben solche. Das letzte von ihm aufgestellte Desiderium, die Anfertigung und Veröffentlichung eines beschreibenden Verzeichnisses aller in den inländischen Bibliotheken und Archiven vorhandenen handschriftlichen Materialien zur Landesgeschichte ist zwar in der von ihm gedachten Weise nicht zur Erfüllung gekommen, – in einer andern Form hat später Winkelmann in seiner ausgezeichneten, jetzt nicht mehr zu entbehrenden Bibliotheca Livoniae historica Ersatz geschaffen, – aber N. selbst hat fast alle ihm zugänglichen Lagerstätten solcher Materialien durchforscht und die dadurch gewonnenen Urkundenschätze in den Monumenta Livoniae antiquae und andern Werken, namentlich in Bunge’s Archiv und in den von der Gesellschaft für Geschichte und Altertthumskunde der Ostseeprovinzen Rußlands herausgegebenen Mittheilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Ehst- und Kurlands veröffentlicht. Die zur Förderung der provinziellen Geschichtserkenntniß geschehene Stiftung dieser gelehrten Gesellschaft war wesentlich sein Werk. In den Jahren 1853–1859 stand er als Präsident derselben vor, aber schon vorher war er die Seele derselben, ihr thätigstes Mitglied und ihr Repräsentant nach Außen. – Ein größeres Werk Napiersky’s sind seine „Beiträge zur Geschichte der Kirchen und Prediger in Livland“, deren erstes Heft: „Livländische Kirchen- und Predigermatrikel“ im Jahr 1843 erschien, das zweite bis vierte, enthaltend „Lebensnachrichten von Livländischen Predigern in alphabetischer Ordnung“ in den Jahren 1850–1852. Die letzte große Arbeit Napiersky’s sind seine russisch-livländischen Urkunden. Im Rigaischen Rathsarchiv finden sich höchst merkwürdige Urkunden in russischer Sprache aus dem 12., 13. und 14. Jahrhundert, welche er mit noch anderen, die älteren Beziehungen Livlands zu Rußland betreffenden deutschen und lateinischen Urkunden aus verschiedenen Archiven abschriftlich zusammengestellt und chronologisch geordnet hatte. Diese Sammlung bot er der archäographischen Commission in St. Petersburg, deren correspondirendes Mitglied er war, im Jahr 1852 zur Herausgabe an. Die Commission beschloß auch dieselbe, sie gerieth jedoch aus unbekannten Gründen ins Stocken und erst im Jahr 1857 wurden die neun merkwürdigsten russischen Urkunden in prachtvoller Facsimileausgabe allein veröffentlicht. Das ganze Werk kam erst nach Napiersky’s Tode im Jahr 1868 zur Herausgabe unter [253] russischem und daneben auch unter dem deutschen Titel: „Russisch-Livländische Urkunden. Gesammelt von K. E. Napiersky. Herausgegeben von der archäologischen Commission“. XXIII u. 462 S. 4°. N. war Mitglied, zum größten Theil Ehrenmitglied, fast aller inländischen gelehrten Gesellschaften, auch mehrer ausländischen in Deutschland und stand mit vielen gelehrten Zeitgenossen des In- und Auslandes in Verbindung und Correspondenz. Die lettisch-litterarische Gesellschaft, begründet 1827, zählte ihn zu ihren Stiftern und eifrigsten Mitarbeitern. Außer den oben angeführten größern Werken hat er noch eine Menge anderer, zum Theil in lettischer Sprache, deren Ausbildung er sich angelegen sein ließ, geschrieben und zahlreiche größere und kleinere Aufsätze, meistens historischen Inhalts, in verschiedenen inländischen Zeitschriften, so in den Mittheilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Ehst- und Kurlands, im Magazin der lettisch-litterärischen Gesellschaft, in den Sendungen der kurländischen Gesellschaft für Litteratur und Kunst, im Inlande, in Bunge’s Archiv, in den Riga’schen Stadtblättern und in noch mehren andern veröffentlicht. Eine Aufzählung seiner sämmtlichen Schriften finden sich in mehren der nachstehenden Werke.

Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrtenlexikon der Provinzen Livland. Ehstland und Kurland von J. F. von Recke und K. E. Napiersky. Bd. III. 1881, S. 300. – Th. Beise. Nachträge und Fortsetzung zu demselben. Bd. II. 1861. S. 65–75 (Napiersky). – Beiträge zur Geschichte der Kirchen und Prediger in Livland. Drittes Heft 1851, S. 89–96. – A. W. Keußler. Dr. Napiersky’s Beiträge zur Geschichte der Kirchen und Prediger in Livland, fortgesetzt von etc. 1877. S. 119. – Rigaische Stadtblätter 1864, S. 299. – G. Berkholz’s Gedächtnißrede auf Carl Eduard Napiersky in den Mittheilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Ehst- und Kurlands, Bd. XI. 1868. S. 270–286. – Rigaischer Almanach für 1871, S. I– VI mit Porträt. – Winkelmann. Dr. Eduard, Bibliotheca Livoniae historica. Systematisches Verzeichniß der Quellen und Hilfsmittel zur Geschichte Ehstlands, Livlands und Kurlands. Zweite Ausgabe. Berlin 1878. S. 578.