ADB:Neuhof, Johann

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Artikel „Neuhof, Johann“ von Friedrich Ratzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 507–509, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Neuhof,_Johann&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 09:51 Uhr UTC)
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Neuhof: Johann N. (fälschlich Nieuhoff, Nijhof, Nijhov genannt), Reisebeschreiber, geb. am 22. Juli 1618 zu Uelzen in Westfalen, verschollen im October 1672 im nördlichen Madagaskar, gehört zu den thätigsten und productivsten Reisenden des 17. Jahrhunderts. Sein Vater stammte aus Zwolle, seine Familie war angesehen und hat Uelzen mehrere Bürgermeister gegeben. Er verließ schon frühe die Heimath, von einer Reiselust getrieben, die uns aus vielen Stellen seiner Berichte entgegentritt. In Amsterdam hatte er das Glück, mit der besonders in überseeischen Beziehungen einflußreichen Familie Witsen (vgl. Ides, A. D. B. XIII, 747) in Berührung zu kommen, deren Glieder auch mit Südamerika in Verbindung standen. Neuhof’s Bruder widmete später dem Niklas Witsen die brasilianische Reisebeschreibung. Am 24. October 1640 schiffte er sich in Diensten der Westindischen Compagnie als Kaufmann in Texel ein, kam am 12. December in Recife an und verweilte nun in Brasilien neun Jahre, welche er durch eine Reise im Dienste seiner Gesellschaft nach San Tomé unterbrach. Er machte die Kämpfe zwischen Holländern und Portugiesen am Rio S. Francisco und in Recife mit, für deren Verlauf seine brasilianische Reisebeschreibung eine werthvolle, mit Briefen und amtlichen Actenstücken reich ausgestattete Quelle bildet. Nach längerem Aufenthalt in seiner Heimath verließ er 1653 neuerdings Amsterdam, um nach Indien zu fahren, verweilte kurze Zeit am Kap, für dessen ältere Besiedelungsgeschichte er interessante Beiträge gibt, und traf in Batavia am 30. April 1654 ein. Von Batavia aus ging N., dessen Werth rasch erkannt worden zu sein scheint, als erster Hofmeister eines der Schiffe, die die Gesandtschaft der Ostindischen Compagnie an den chinesischen Kaiser nach Kanton brachten, 1655 nach China, machte mit den Gesandten Jakob de Keizer und Peter de Goijer die zweijährige Reise über Nangkin nach Peking und zurück nach Batavia, kam 1658 über S. Helena, das er ausführlich beschrieben hat, für einige Monate nach den Niederlanden, wo er die Beschreibung der chinesischen Reise vollendet seinem Bruder übergab und kehrte in demselben Jahre nach Batavia [508] zurück. Er machte nun einige Handelsreisen nach Sumatra, Amboina, Buru, nach den Factoreien in Malakka, Indien und Persien, und wurde 1661 zum Vertreter der Ostindischen Compagnie und dann zum Kapitein in Coylan oder Kulang, an der Malabarküste ernannt, bei deren Eroberung er mitgewirkt hatte. – Von hier aus machte er mehrere Reisen in die benachbarten Reiche von Porka, Marten, Kotschin, Travancore, wurde 1666 nach Colombo zurückgerufen und kehrte 1667 nach Batavia zurück. Es waren Klagen gegen seine Amtsführung erhoben worden, und es scheint, als sei er einige Zeit in Koilan und Colombo internirt gewesen. Doch spricht es für ihn, daß er ungehindert, wenn auch nicht mehr angestellt, drei Jahre in Batavia bleiben konnte. Ende 1670 trat er die Heimreise an, wurde in Amsterdam als Mann von Verdienst durch Moritz von Nassau u. a. hervorragende Männer empfangen. Im December 1671 schiffte er sich dann zum dritten Male nach Indien, als Führer eines Handelsschiffes ein, besuchte einige Plätze an der Küste von Mozambique und auf Madagascar, hauptsächlich um Sklaven zu kaufen, und kehrte von einer Reise, die er von Kap Conquiso am 1. October landeinwärts antrat, nicht mehr zurück. Es ist nicht aufgeklärt worden, inwieweit den Führer seines Schiffes ein Verschulden trifft. Derselbe scheint genauere Nachforschungen nicht angestellt zu haben. 1676 sandte auf Betreiben von Heinrich N. die Ostindische Compagnie ein Schiff nach Madagascar, das die Gegend besuchte, wo N. geblieben war, jedoch nichts in Erfahrung bringen konnte. Doch war die Ansicht allgemein, daß N. mit einigen seiner Gefährten, bald nachdem er ans Land gegangen, erschlagen worden sei.

Das erste Werk Neuhof’s, welches ans Licht trat, ist die Beschreibung der Gesandtschaftsreise nach China, die 1665 zu Amsterdam in holländischer, 1666 und 1669 in deutscher, außerdem in französischer und lateinischer Sprache erschien, im Original ein Prachtwerk, mit 150 Kupferplatten und Karten ausgestattet: „Beschryving van’t Gesandschap der Nederlandsche Oost-Indische Compagnie aen den Grooten Tartarische Chan nu Keyser van China.“ 1682 erschienen als zusammenhängendes Werk: „J. Neuhof’s Gedenkweerdige Brasiliansche Zee- en Lant-Reize“ und „Zee- en Lant-Reize door verscheide Gewesten van Oostindien“, beide ebenfalls mit Bildern und Karten ausgestattet. Die zahlreichen Bilder und Karten in diesen Werken scheinen alle nach Neuhof’s Zeichnungen gefertigt zu sein. Eine noch nicht veröffentlichte Skizze von S. Helena hat Bodel Nijenhuis in seiner Biographie Neuhof’s (zugleich mit einem gleichfalls ungedruckten Gedicht Neuhof’s „Op de gelegentheyt van Sant Helena“) veröffentlicht. Nach Skizzen Neuhof’s dürften auch einige Platten in Dappers 1668 erschienenem Werk über die afrikanischen Inseln gezeichnet sein. N. war ein vielseitiger, rasch auffassender Geist, poetisch und musikalisch beanlagt, fleißig in der Aufzeichnung der verschiedensten Beobachtungen und Mittheilungen, doch nicht gebildet genug, um es besonders in den naturgeschichtlichen Dingen mit seinen Vorgängern Piso und Marggraf aufzunehmen. Seine kaufmännische und politische Laufbahn gab ihm Gelegenheit, tiefer in die wirthschaftlichen und politischen Verhältnisse fremder Länder einzudringen und es ist auf dieser Seite wohl der Hauptwerth seiner Reisebeschreibungen zu suchen, die eben darum werthvolle Beiträge zur Geschichte der niederländischen Politik in Ost- und Westindien darstellen. Neuhof’s Reiseschilderungen sind alle von seinem Bruder Heinrich herausgegeben. In der Vermischung von Tagebuchaufzeichnungen, breiteren Ausführungen, Briefen und anderen Documenten machen sie oft den Eindruck von Memoiren. Sie lassen eben darum den Mangel einer sachkundigen Anordnung und Sichtung des Materials häufig vermissen. Es tritt dieses besonders störend in der brasilianischen Reise hervor. Von der chinesischen Gesandtschaftsreise, die den Eindruck gründlicherer Durchbildung macht, sagt N. selbst, daß er das Manuscript [509] derselben seinem Bruder Heinrich übergeben habe, um es unter dessen Aufsicht drucken zu lassen. Dieselbe behält durch ihre Ausführlichkeit und ihre zeichnerischen Beigaben den Werth eines Quellenwerkes über das China jener Tage. Auch für die Kenntniß der Beziehungen der Niederländer zu China und Formosa sind Neuhof’s Angaben unentbehrlich. Kleine Monographien, die nicht immer am passendsten Ort eingeschoben sind, naturgeschichtlichen, politisch-geographischen und ethnographischen Inhaltes möchten theilweise wol von diesem Herausgeber erst mit Hilfe der vorhandenen Litteratur nach den Notizen seines Bruders ausgearbeitet sein und lassen vermuthen, daß mit den Tagebüchern und Briefen Bruchstücke einer beabsichtigten allgemeinen Beschreibung jener Länder zusammengegossen worden seien. Wo N. selbst urtheilt und spricht, und das ist offenbar besonders in den politischen und handelspolitischen Angelegenheiten der Fall, ist er klarer und sachlich. Jene Einschiebung kleiner Schilderungen in den Gang der Reisebeschreibung verschuldet es, wenn dem N. die wunderbarsten Kreuz- und Querfahrten angedichtet wurden, da der Leser den Autor in der Reihenfolge seiner Capitel die Welt durchreisen ließ. N. ist auch als Dichter aufgetreten und mehrere Gedichte von gewandter Form sind seinen Reisebeschreibungen einverleibt.

A. J. van der Aa XIII. – Ausführlichere Biographie von J. T. Bodel Nijenhuis in Bijdragen voor vaderl. Geschiedenis. N. R. III. – Zahlreiche autobiographische Angaben in den Werken Neuhof’s. Bildnisse vor beiden Reisebeschreibungen und vor der deutschen Ausgabe der Gesandtschaftsreise.