ADB:Niedt, Friedrich Erhardt

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Niedt, Friedrich Erhardt“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 667–668, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Niedt,_Friedrich_Erhardt&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 13:21 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Niehenck, Georg
Band 23 (1886), S. 667–668 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich Erhard Niedt in der Wikipedia
Friedrich Erhard Niedt in Wikidata
GND-Nummer 122044916
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|23|667|668|Niedt, Friedrich Erhardt|Robert Eitner|ADB:Niedt, Friedrich Erhardt}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=122044916}}    

Niedt: Friedrich Erhardt N., ein bedeutender Musiktheoretiker des 17. bis 18. Jahrhunderts, soll nach Walther’s Musiklexikon in Thüringen geboren sein. Um 1700 lebt er als Notarius in Jena, geht bald darauf nach Kopenhagen und tritt dort als Componist und Theoretiker auf, hatte aber durch seine freigeistigen Ideen viele Verfolgungen zu erleiden, bis er im J. 1717 starb. Mattheson in Hamburg interessirte sich für den Schriftsteller lebhaft und gab auch seine nachgelassenen sowie die früheren Werke in zweiter Auflage heraus, doch hat er uns trotz seiner sonstigen Schreibseligkeit nichts von Niedt’s Leben mitgetheilt. Die damalige Musiklehre hatte mit den Fortschritten in der Composition nicht Schritt gehalten. Die Theoretiker beharrten eigensinnig auf den Lehren früherer Jahrhunderte, und wenn sie etwas über die Behandlung des Generalbasses sagten, so waren dies so geringe Anweisungen, daß die praktische Uebung das beste thun mußte. Die alten Tonarten hatten in der Praxis der Dur- und Molltonleiter weichen müssen, die einstigen strengen Gesetze über die [668] Stimmenführung waren durch die Erkenntniß des Dreiklanges und Septimenaccordes nebst ihren Umkehrungen verwischt, die reine Gesangsmusik hatte ihre Alleinherrschaft eingebüßt und der Sologesang mit Begleitung, sowie die reine Instrumentalmusik wurden mit Vorliebe betrieben. Man suchte nach Formen und Vorbildern und die Theoretiker gaben darauf stets nur mit ihren alten, nicht mehr zupassenden Lehren Antwort. Mattheson, der hauptsächlichste Verfechter der Neuerungen, der zeitlebens ein scharfes Gemetzel gegen die Anhänger des Alten führte, fand in N. einen Gleichgesinnten und trotz seiner Eitelkeit, die schwer jemanden neben sich aufkommen ließ, war er doch klug genug den Verbündeten in jeglicher Weise zu unterstützen. Daher die für Mattheson so merkwürdige Erscheinung, daß er Werke eines anderen für werth hielt, sie selbst von neuem herauszugeben. N. hat vom musikalischen ABC-Buch ab bis zur Composition seine Lehren in Büchern niedergelegt, die alle in Hamburg erschienen. Sein erstes Werk kam 1700 heraus und behandelt die Lehre vom Generalbaß; diesem folgte 1706 der zweite Theil, der von der Composition von Instrumentalwerken handelt, während der dritte, erst nach seinem Tode 1717 erschienene sich mit der Composition von Gesangswerken beschäftigt. Jedem der Theile sind zahlreiche Musikbeispiele beigegeben, die zwar sowenig wie Mattheson’s Compositionen einen hohen musikalischen Werth haben, doch als Anleitung für Schüler vollständig ihren Zweck erfüllen. 1708 sollen in Kopenhagen auch sechs Suiten für Oboen und Violinen, „Deutscher Franzos“ betitelt, herausgekommen sein, doch hat sich bis jetzt noch kein Exemplar gefunden, während die theoretischen Werke vielfach auf unseren öffentlichen Bibliotheken vorkommen, wie in Berlin, Wien etc. Der Kampf zwischen den Verfechtern der alten Lehre und denen, die der Zeitströmung Rechnung trugen, dauerte noch bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts und legte sich dann hauptsächlich durch die Entwickelung der Harmonielehre. Dies war ein Feld, durch die Franzosen angeregt, welches bald alle tüchtigen Köpfe in einem Maße beschäftigte, daß der alte Streit darüber vergessen wurde, freilich nur um modernen Streitigkeiten das Feld zu räumen.