ADB:Otmar (Drucker- und Verlegerfamilie)

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Artikel „Otmar (Drucker- und Verlegerfamilie)“ von Karl Steiff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 548–551, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Otmar_(Drucker-_und_Verlegerfamilie)&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 01:41 Uhr UTC)
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Otmar: O. (Othmar, Ottmar) ist der Name einer Buchdruckerfamilie, die im ersten Jahrhundert der Druckerkunst geblüht hat und von welcher wenigstens die beiden ältesten Glieder, Johann und Silvan, bedeutend genug sind, um auf diesen Blättern genannt zu werden. – Johann O., der Stammvater der Familie, war von Reutlingen, woher ja auch ein Günther und ein Joh. Zainer stammte. Er nennt sich Magister (ist auch in die Tübinger Universitätsmatrikel mit dieser Bezeichnung eingetragen) und muß demnach studirt haben, was für ihn bei seinem späteren Berufe den Vortheil hatte, daß er seinen eigenen Corrector machen konnte. Wo er jedoch studirt hat, ist uns trotz der Nachforschungen in den Matrikeln von Basel, Freiburg i. Br., Heidelberg, Erfurt, Köln, Tübingen, Ingolstadt und Wien festzustellen nicht gelungen. Als Buchdrucker war er zunächst in Reutlingen selbst thätig und zwar gilt als sein erster dortiger Druck die Summa Pisani (d. h. des Rainerius von Pisa), die nach der Schlußschrift in den ersten Tagen des Jahres 1482 vollendet wurde, sodaß die Errichtung der Presse jedenfalls schon 1481 erfolgt sein muß. Uebrigens gibt es, worauf erstmals Heinr. Klemm in dem Beschreibenden Katalog seines bibliographischen Museums, 1884, S. 266, aufmerksam gemacht hat, mehrere undatirte Drucke, welche mit ganz denselben Typen, wie sie Johann O. verwendet hat, gedruckt sind, aber vor 1482 fallen, so namentlich des Joh. Nider Praeceptorium, [549] das auch nach Hain 11783 nicht nach 1479 angesetzt werden kann. Es ist hiernach zwar nicht gewiß – die betreffenden Typen könnten, ehe sie in Johann Otmar’s Besitz kamen, ja auch einem anderen Drucker gehört haben – aber doch höchst wahrscheinlich, daß unser O. schon 1479 in Reutlingen als Drucker thätig war. Wie dem aber auch sei, jedenfalls ist er und nicht, wie vielfach angegeben wird (auch oben Bd. IX, S. 651) Mich. Greyff, der erste Buchdrucker in der schwäbischen Reichsstadt gewesen; denn der angeblich erste Druck des Letzteren von 1480 gehört vielmehr dem Jahre 1490 an, sein nachweisbar erster Druck aber fällt erst in das Jahr 1486. Von Reutlingen ist Johann O. einer Aufforderung des Paul Scriptoris in Tübingen folgend gegen Ende des Jahres 1497 in letztere Stadt übergesiedelt, wo Anfang 1498 sein erster dortiger Druck, des Paul Scriptoris Lectura über Occam erschien, der allererste Druck, welchen die genannte Universitätsstadt aufzuweisen hat. Doch nicht lange hielt es ihn an diesem Ort; denn schon 1502, wenn nicht noch 1501, verlegte er seine Presse nach Augsburg, ohne Zweifel von der Hoffnung geleitet – die ihn schließlich auch nicht getäuscht hat – hier eine noch bedeutendere Wirksamkeit entfalten zu können. Seine Officin befand sich in Augsburg beim St. Ursula-Kloster am Lech (schräg gegenüber). Bis zum Jahr 1513 war er hier unausgesetzt thätig; dann scheint er sich nach und nach vom Geschäft zurückgezogen zu haben. Denn in dem genannten und im folgenden Jahre kommt bald sein, bald des Silvanus O. Name auf den Drucken vor; das letzte bekannte Preßerzeugniß, das seinen Namen trägt, ist der Dionysius Cato von 1517. Was nun die Bedeutung unseres Meisters anbelangt, so ist dieselbe zunächst in dem großen Umfange seiner Thätigkeit zu suchen. Etwas mehr als hundert Drucke haben wir verzeichnet, die aus seiner Presse hervorgegangen sind; und es sind darunter viele große, umfangreiche Werke, die eine stattliche Bibliothek miteinander ausmachen würden. Ungefähr 40 der Drucke fallen in seinen Reutlinger, 18–19 in seinen Tübinger, circa 50 in seinen Augsburger Aufenthalt. Hat er in Reutlingen vorzugsweise auf den Bedarf der praktischen Geistlichkeit und des (lateinischen) Schulunterrichts Rücksicht genommen, so treten in Tübingen neben derartige Schriften auch wissenschaftliche Werke, unter welchen diejenigen des Gabriel Biel und des Konrad Summenhart hervorzuheben sind. Hier wie dort sind es fast nur Werke in lateinischer Sprache, mit denen wir es zu thun haben. Dies wird in Augsburg anders, indem nunmehr – und dieses ist ein Zweites, was seine Thätigkeit bemerkenswerth macht – die deutsche Litteratur ganz entschieden in den Vordergrund tritt. Etwa zwei Drittheile seiner dortigen Drucke gehören hierher. Meist sind es Werke religiösen Inhalts und zwar solche, die auf Vertiefung des christlichen Lebens dringen. Es genügt Namen wie Suso, Tauler, Geiler von Kaisersberg zu nennen, um die Richtung, welche durch Johann Otmar’s Presse gepflegt wurde, zu bezeichnen. Auch die Herausgabe der deutschen Bibel im J. 1507 – man zählt sie als die dreizehnte der vorlutherischen Bibelausgaben – stimmt dazu. Von seinen Drucken nicht-theologischen Inhalts sei nur noch Ulrich Tenngler’s „Neuer Layenspiegel“ genannt, dessen erste und dessen zweite für alle folgenden maßgebend gewordene Ausgabe eben aus seiner Presse 1509 bezw. 1511 hervorgegangen ist (noch ein drittes Mal hat er ihn 1512 gedruckt). Joh. Rynmann von Oehringen, der auch sonst viel bei Johann O. drucken ließ, war der Verleger dieses epochemachenden Rechtsbuches. Viele von unseres Otmar’s Augsburger Drucken – so gleich der eben genannte – sind mit Holzschnitten der besten Augsburger Künstler reich verziert und das ist es, worin weiterhin und nicht am wenigsten die Bedeutung von seiner, wie sodann auch von des Silvan O. Presse liegen dürfte. daß sie es wie sonst keine andere in Augsburg verstanden [550] haben, die Kunst so namhafter Meister, wie Hans Burgkmair, Hans Schäuffelin, Daniel Hopffer und der unbekannte Meister mit dem Monogramm H. F. waren, für die Illustration ihrer Bücher sich dienstbar zu machen. Burgkmair speciell ist auf dieses ihm vorher fremde Gebiet, wie Muther a. u. a. O. I, S. 131 sagt, erst durch Johann O. hingelenkt worden.

Silvan O. also ist es, der, was den künstlerischen Schmuck der Drucke anbetrifft, unmittelbar neben Johann O. gestellt werden muß. Daß der Erstere zu Letzterem im Verhältniß des Sohnes zum Vater gestanden ist, dafür fehlt es zwar bis jetzt an einem ausdrücklichen Zeugniß. Aber dieses Verhältniß der Beiden zu einander kann nicht zweifelhaft sein, wenn wir bedenken, daß Silvan mit dem Beisatz de Rütlingen am 31. October 1495 als Student in die Tübinger Universitätsmatrikel eingetragen ist, daß er sodann wie Johann O. nach Augsburg geht und hier in demselben Maß, wie dieser sich vom Geschäft zurückzieht, als sein Nachfolger auftritt. Und er leitete das Geschäft ganz im Geiste seines Vaters. Nicht blos daß er wie dieser die Augsburger Künstler für die Ausschmückung seiner Bücher in Anspruch nahm – Daniel Hopffer insbesondere lieferte ihm hübsche Titeleinfassungen –, auch der Charakter der von ihm gedruckten Schriften erinnert ganz an Johann O. Dem Layenspiegel des Letzteren möchten wir bei Silvan den mehrmals (1516 u. 1517) von ihm herausgegebenen Sachsenspiegel in niederdeutscher Sprache, den Schriften von Suso und Tauler möchten wir die Deutsche Theologie von 1518 an die Seite stellen und der dreizehnten deutschen Bibel, die Johann O. 1507 herausgegeben hat, entspricht die vierzehnte (und letzte vorlutherische), die 1518 aus Silvan’s Presse hervorgegangen ist. War es sonach ganz die Richtung seine Vaters, die er in der Pflege der religiösen Litteratur einhielt, so war es nicht zu verwundern, wenn er, als Luther auftrat, seine Presse in den Dienst der reformatorischen Bewegung stellte. Was man aber weniger erwarten konnte, ist der Eifer, mit welchem er dies that. Alle andere Thätigkeit tritt von 1518, mehr noch von 1519 ab in den Hintergrund gegenüber der Verbreitung von Luther’s und der ihm Gleichgesinnten Schriften. Auch das Verbot des Augsburger Raths vom 28. August 1520 „in den irrungen, die sich halten zwischen den geistlichen und Doctorn der heiligen geschrift“, etwas ohne seine, des Raths, Vorwissen zu drucken, konnte ihn nicht abschrecken; es hatte nur die Folge, daß er ohne Nennung des Orts seine Drucke ausgehen ließ. Seine bekannten Titelrandleisten machten sie aber wol damals schon und machen sie heute noch leicht erkennbar. Mit dieser Thätigkeit hat sich unser Meister zwar zum Theil in die Reihe jener Nachdrucker gestellt, über welche sich Luther einmal energisch beklagt, aber er ist andererseits damit dem Bedürfniß des Volks, das die Wittenberger Drucker weit nicht befriedigen konnten, entgegengekommen und hat zur Verbreitung der Reformation in Süddeutschland in einem Umfang beigetragen, wie wenig andere seiner Berufsgenossen. Außer der Luther’schen Bibelübersetzung, von welcher er das alte Testament 1523–25, das Neue Testament 1523 und 1524, und zwar letzteres in diesen Jahren nicht weniger als viermal druckte, waren es, wie natürlich, meist kleinere Schriften, die er in solcher Weise ausgab; um so mehr derselben aber konnte er drucken, und so ist denn die Zahl seiner Preßerzeugnisse trotz der kürzeren Dauer seiner Wirksamkeit größer als die von Johann Otmar’s Drucken: es sind gegen 150, die wir gezählt haben. Die Hauptthätigkeit seiner Officin fällt in die erste Hälfte der zwanziger Jahre; dann nimmt sie ganz bedeutend ab und im vierten Jahrzehnt lassen nur noch einzelne Drucke mit seinem Namen sich feststellen. Der letzte derselben fällt, soviel wir finden, in’s Jahr 1533. – Silvan’s Nachfolger war Valentin O., ohne Zweifel sein Sohn. Obwohl dessen Presse namentlich in den vierziger Jahren ziemlich thätig gewesen ist und [551] obwohl man noch aus den sechziger Jahren Drucke von ihm kannte, so ist er doch nicht mehr von eigentlicher Bedeutung. An die Wirksamkeit seiner Vorgänger reicht die seinige lange nicht hin. Außer ihm giebt es noch einen weiteren Buchdrucker des Namens O. Ein Johann Othmar druckt gegen Ende des 16. und am Anfang des 17. Jahrhunderts in Prag. Ob derselbe mit der Augsburgischen Druckerfamilie zusammenhängt, darüber haben auch Erkundigungen an letzterem Ort keinen Aufschluß gebracht. Von Bedeutung ist er jedenfalls auch nicht gewesen.

Vgl. Zapf, Augsburg’s Buchdruckergeschichte I. II, 1788, 91, wo übrigens die Augsburger Drucke der Otmar weit nicht vollständig verzeichnet sind. Es sind dazu Panzer’s bibliographische Werke und Weller’s Repertorium typogr. mit seinen beiden Supplementen (letzteres Werk aber nicht bloß nach dem Register) hinzuzunehmen, und diese selbst wieder finden durch Weigels Thesaurus libellorum historiam reformationis illustrantium nebst Supplement und ähnliche Schriften Ergänzung; ferner Steiff, der erste Buchdruck in Tübingen. 1881; derselbe, Reutlingen und das erste Jahrhundert des Buchdrucks in der Literarischen Beilage des Staats-Anzeigers für Württemberg, 1882, S. 385 ff., (auch abgedruckt im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel); Butsch, die Bücherornamentik der Renaissance I, 1878 (s. Reg.), und Muther, die deutsche Bücherillustration der Gothik und Frührenaissance, 1884, (s. das Reg. des I. Bandes und in Band II die Taff. 176. 177. 186–189. 202).