ADB:Quistorp, Johann (evangelischer Theologe)

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Artikel „Quistorp, Johann der Aeltere“ von Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 51–53, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Quistorp,_Johann_(evangelischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 11:13 Uhr UTC)
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Quistorp: Johann Q., seines gleichnamigen Sohnes wegen später der Aeltere genannt, † am 2. Mai 1648 als Professor und Superintendent zu Rostock, war einer der berühmtesten lutherischen Theologen der Zeit des 30jährigen Krieges. Er war daselbst geboren am 18. August 1584 als zweites von den acht[1] Kindern des Weißgerbers und Beutlers Joachim Q. († 1604), besuchte die Große Stadtschule unter Nathan Chyträus und Tarnow, ging dann nach Berlin auf die Schule zum Grauen Kloster, studirte bis 1604 zu Frankfurt a. O. Philosophie, dann in Rostock Theologie. 1613 promovirte er zum Magister und wurde Docent in der philosophischen Facultät, begleitete aber alsbald bis 1616 einen vornehmen Lübecker, Nicolaus Ritter, auf der damals üblichen Reise über Holland und Flandern. 1614 erhielt er vom Rathe der Stadt die durch Berufung des Christian Sleidanus nach Schleswig erledigte städtische Professur der Theologie mit der Erlaubniß, vor dem Antritt noch andere Akademien zu bereisen. So besuchte er in Jahresfrist Leipzig, Wittenberg, Jena, Marburg, Gießen, Altorf, Heidelberg, Tübingen, Köln, Straßburg, Basel, trat dann 1615 sein Amt an, wurde 1616 daneben zum Archidiakonus zu St. Marien erwählt und promovirte 1616 zum Doctor der Theologie. In seiner Gemeinde und an der Universität erlangte er einen sehr bedeutenden Einfluß, zehn Mal wurde er Rector. 1645 wurde er zum Pastor zu St. Marien und in demselben Jahre zum Stadtsuperintendenten (als siebenter in der Reihe) ernannt und 1646 eingeführt, Senior der Universität war er schon längere Zeit. Er starb zu Doberan, wohin ihn Herzog Adolf Friedrich hatte kommen lassen, angeblich an „skorbutischem Asthma“ und bei der Hoftafel zu viel genossenem Sauerkraut. Seine theologisch-wissenschaftliche Bedeutung, für damals hervorragend, steht hinter der pastoralen und seelsorgerischen zurück. Krabbe sucht jene wesentlich in der tieferen Begründung und Auffassung des Gewissens; er nahm Theil am Lütkemann’schen Streite, auch an der Rostocker Anabaptisten-Disputation von 1646 gegen die „Mennisten“ Boye Ovens, Jacob Tatens und Arend Paulsen. Zum Thorner Colloquium charitativum von 1645 wegen Ausgleichung und Vereinigung der „Pontificii“ und der Protestanten, zu denen jetzt auch die Reformirten gezählt wurden, war er direct vom Großen Kurfürsten aufgefordert. Er sollte mit dem Hofprediger D. Johannes Berg von Berlin zusammen abreisen, um den Wünschen des Königs Wladislaw IV. von Polen entgegen zu kommen. Q. lehnte aber, in Voraussicht des nachfolgenden Streites unter den Evangelischen selber, ab, und als dieser zwischen D. Calixt und D. Myslenta wirklich ausbrach, versuchte er wenigstens durch Abraham Calov, der am Religionsgespräch theilgenommen hatte, aufklärend zu wirken. Von seinen gedruckten Predigtsammlungen hebt Krabbe die Pestpredigten hervor; auch in den Häusern brachte Q. in den Seuchenzeiten muthigen und erhebenden Zuspruch. In dem Streite, welchen der Pastor Joachim Schröder wegen Aufführung terentianischer [52] Stücke durch die Schüler in einer leerstehenden Klosterkirche, die allerdings nachher wieder zum Gottesdienst gebraucht ist, erhob, sprach er sich für diese Aufführungen aus. Höchst anerkennenswerth sind seine seit 1621 anhaltenden Bestrebungen, den namentlich in Rostock sehr rohen Pennalismus zu brechen. Er hielt damals eine Aufsehen erregende Rede gegen die „Schoristen“ (Stromer). Als während der Besetzung der Stadt Rostock durch Truppen Wallenstein’s als Herzogs von Mecklenburg der Licentiat Jacob Varmeyer, in religiösem Wahne sich als Judith fühlend, dem kaiserlichen und Wallenstein’schen Obersten von Hatzfeld, Wildenbrock und Schönstein als einem Holofernes am 22. Januar 1631 den Kopf abgehauen und heimlich fortgeschleppt hatte, verdankte die Stadt und Universität ihre Rettung vor den wüthenden Soldaten allein der Umsicht und dem energischen Auftreten Quistorp’s, der damals Rector war. Er ließ Varmeyer sofort den Proceß machen, nach dreimaliger härtester Tortur starb jener im Gefängniß, worauf sein Leib geviertheilt und aufgepfählt wurde. Quistorp’s Versuch, Schweden gegenüber für seine Stadt einen Verzicht auf den Warnemünder Zoll zu erreichen, scheiterte, ebenso dessen Wiederholung während der westfälischen Friedensverhandlungen. Mit dem berühmten Arzt und Botaniker Jungius (s. A. D. B. XIV, 721 ff.) hielt er dauernde Freundschaft. Am weitesten bekannt wurde Quistorp’s Name durch seine Anwesenheit bei der Todeskrankheit des Hugo Grotius (s. A. D. B. IX, 767 ff.) und des Zuspruches, den er ihm milde und ernst in seiner schweren Stunde leistete. In einem Briefe an den Professor der Theologie Elias Taddel, früher zu Rostock, damals in Amsterdam (nicht an Abraham Calov), hat Q. den ganzen Hergang geschildert; nur hatte nicht Grotius, sondern dessen Wirthin den Pastor rufen lassen; Krabbe’s Worte, die Grotius eine Absicht unterschieben, „um ihm beichtväterlich und seelsorgerisch beizustehen“, beruhen auf subjectiver Annahme. Ein vermuthlich für die schwedische Regierung aufgenommenes Protokoll über das Krankenlager und den Tod, das in Wolfenbüttel aufgefunden wurde, beweist ebenso wie Quistorp’s Brief selbst, daß nicht einmal versucht ist, den Kranken zum Lutherthum zu bekehren; er starb am 18. August a. St. 1645 in seinem reformirten Glauben. Bei der dritten Säcularwiederkehr von Grotius’ Geburtstage ist der Streit um seine Confession bei seinem Tode in Holland wieder aufgenommen und von Professor Conrad (Cohn) nach dem genannten Wolfenbütteler Funde festgestellt worden. Quistorp’s Schriften sind vollständig bei Taddel, die wichtigsten bei Krabbe aufgezählt; bei ersterem auch alle älteren Schriften (bis 1767) über die Familie von Q., einschließlich der Leichenprogramme etc. Ein lateinisches Gedicht von Q. steht noch in den „Lachrymae“ etc. auf den Tod des Generalmajors und Commandanten Wilh. v. Kalcheym, genannt v. Lohausen, 1640 (s. A. D. B. XIX, 114 f.). Am Tage seiner Promotion verheirathete er sich mit Barbara Domann, Tochter des Rechtsgelehrten Stephan Domann zu Osnabrück, die bei ihrem Oheim, dem hanseatischen und Rostocker Syndicus Johann Domann erzogen war (s. A. D. B. V., 323 und Krause, in Hans. Gesch.-Bl. 1879 [1881] S. 93 f.). Sie war 1597 geboren, starb 1663 und gebar ihrem Manne zwei Söhne und acht Töchter, von ersteren kam nur Johann Q., der Jüngere, (s. d.) zu seinem Alter, von letztern heirathete Katharina den Professor der Theologie Thomas Lindemann zu Rostock, der später Pastor in Kopenhagen wurde, und Barbara den Diakonus zu St. Marien Nicolaus Ridemann; von ihr hat Q. noch elf Großkinder erlebt. Sein Bild steht in Westphalen, Monum. inedit. III, 1758 in einem Stiche von Bernigroth; das in Freher, Theatr., ist mislungen.

Heinr. Friedr. Taddel, Versuch einer – vollst. Nachr. von dem – berühmten Quistorpischen Geschlechte, in: Erneuerte Berichte von Gelehrten Sachen. 1767 S. 89 ff., 137 ff., 241 ff., 289 ff., 345 ff. und 393–402; wo alle [53] älteren Quellen, Leichenprogr. etc. – Krey, Andenken II, 44 und Anh. S. 55. – Krey, Beiträge I. (s. Reg.) und II, S. 75 f. und 79. – A. Tholuck, Lebenszeugen der lutherischen Kirche. – O. Krabbe, Aus dem wissensch. Leben Rostocks (s. Reg.) – Ueber Grotius’ Tod: Conrad (Cohn) im Nederlandsche Spectator 1884, Nr. 34. – Mecklenb. Anz. 1884, Nr. 262.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 51. Z. 15 v. o. l.: als eines von den acht. [Bd. 45, S. 670]