ADB:Raule, Benjamin

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Artikel „Raule, Benjamin“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 398–401, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Raule,_Benjamin&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 11:00 Uhr UTC)
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Raule: Benjamin R., Generaldirector der kurfürstlich brandenburgischen Marine, lebte als Schöffe und Rheder zu Middelburg auf der holländischen Insel Seeland, als Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, durch den Erwerb von Hinterpommern in den Besitz einer leidlichen Grundlage für die Gründung einer Seemacht gelangt und nach seinem Siege bei Fehrbellin sich mit Gedanken an den Erwerb von Stettin, Stralsund und anderen Küstenplätzen tragend, [399] damit umging, eine Flotte zu schaffen, mit welcher er zunächst den Schweden entgegentreten könnte. Nachdem die letzteren im J. 1675 in die Mark eingefallen waren, hatte R. im Verein mit einigen anderen holländischen Kaufleuten, sich erboten, Kaperschiffe auszurüsten, welche den Schweden die Zufuhr an Getreide und an Salz abschneiden und sie durch den Mangel daran zum Frieden nöthigen sollten; der brandenburgische Gesandte im Haag übermittelte den Antrag dem Kurfürsten, welchem der lockende Erfolg über die Bedenklichkeiten gegen die ihm ungewohnte Art der Kriegführung hinweghalf; der Geheimrath Blaspeil zu Cleve und der Vicekanzler Remswinkel leiteten die ferneren Unterhandlungen mit R., welcher sich damals in arger Bedrängniß befand, weil er wegen einer Schuld von 40 000 Gulden an die holländisch-ostindische Compagnie in seinem Hause, in welchem er nicht verhaftet werden durfte, gefangen gehalten wurde. Auch das Bedenken, sich mit einer solchen unter allen Umständen zweifelhaften Persönlichkeit, deren Ruf in Raule’s Heimath kein günstiger war, überhaupt in eine Verbindung einzulassen, hielt den Kurfürsten nicht ab, ihm zunächst einen Vorschuß von 10 000 Thalern und, nachdem R. diesen Posten zu Abzahlungen verwendet hatte, weitere 25 000 Gulden zu geben, wogegen jener drei Fregatten und zwei kleinere Schiffe in die Nordsee sandte, welche bald neunzehn schwedische Schiffe auf- und nach Seeland brachten. Da aber unter den gekaperten Schiffen sich holländische unter schwedischer Flagge segelnde befanden und die Generalstaaten auch aus anderen Gründen Einwendungen erhoben, gab der Kurfürst die gemachte Beute wieder frei. R. aber, der Seeräuberei angeklagt, wurde landesflüchtig; er begab sich nach Berlin und schloß mit dem Kurfürsten einen Vertrag, durch welchen er sich verpflichtete, demselben jene Schiffe auf vier Monate, gegen eine Entschädigung von 135 000 Gulden, zum Dienst gegen die Schweden zu überlassen. Nach einem mißlungenen Anschlage gegen die am Einflusse der Geeste in die Weser gelegene schwedische Feste Karlsburg betheiligten sich die Schiffe im Laufe des Jahres noch an der Einnahme mehrerer schwedischer Plätze in Pommern, Ereignisse, denen R. indessen persönlich fremd blieb. Er war überhaupt mehr Kauf- als Seemann und wurde lediglich durch Handelsinteressen geleitet; seine Absicht war, durch Errichtung einer Kriegsflotte den Kauffahrern Schutz zu gewähren und letztere von der Nothwendigkeit zu befreien, sich selbst mit einer kostbaren und beschwerlichen kriegerischen Ausrüstung zu versehen; zugleich aber suchte er in der Bereitstellung von Schiffen für den Dienst des Kurfürsten einen kaufmännischen Gewinn, für dessen Erzielung er sich nicht immer ganz lauterer Mittel bediente; die Verfolgung politischer Absichten, wie sein Kriegsherr solche hegte, lag ihm fern. Dieser richtete im folgenden Jahre seinen Sinn auf die Eroberung von Stettin und schloß zu dem Ende am 10. Febr. 1676 zu Berlin mit R. einen neuen Vertrag, durch welchen „dero Rath und Schiffs-Director“ sich verpflichtete, am 1. April zu Vliessingen oder Middelburg fünf Fregatten und sechs Schaluppen gegen eine Heuer von 40 400 Thalern zu stellen. Den Befehl der Flottille sollte Raule’s Bruder, Jakob R. führen, welchem darüber ein eigenes Patent ausgestellt und dem, da er des Deutschen nicht mächtig war, in der Person von Gerhard Neuhaus ein kurfürstlicher Commissar als Dolmetscher zur Seite gestellt wurde. Als aber die Schiffe ausliefen, ward Jakob, theils als Bürge für seinen Bruder, theils eigener Verschuldung halber, in Seeland als Gefangener zurückgehalten und Benjamin übernahm das Commando selbst, Jakob’s thut die Geschichte fernerhin keine Erwähnung. Ersterer hatte Ende Mai an dem den Schweden von Dänen und Holländern unter den Admiralen Juel und Tromp bei Jasmund gelieferten siegreichen Treffen Theil, dann widmete er sich eifrig der Kaperei in der Ostsee, in der Aussicht auf Prisengewinn lag ein großer Sporn [400] für seine Thätigkeit, seine mißliche Vermögenslage forderte sehr zu solcher auf. Wie hoch der Kurfürst Raule’s Dienste schätzte, zeigt das Geschenk von zwei Pferden aus den hinterpommerschen Stutereien und der Befehl, Raule’s Gattin, welche nach Berlin übergesiedelt war, so lange die Schiffe in Dienst gestellt sein würden, monatlich 100 Thaler zu zahlen. Dergleichen Gunsterweisungen trugen aber R. zahlreiche Neider ein; die Verleumdungen, denen er schon damals ausgesetzt war, bewogen ihn, den Kurfürsten zu bitten, es möge ihm ein kundiger Seemann als Richter bestellt werden. Friedrich Wilhelm aber dachte groß genug, R. durch das Nichterfüllen dieses Gesuches und somit durch seine eigene fürstliche Meinung gegen die erhobenen Verdächtigungen in Schutz zu nehmen. Vielleicht hielt er auch für politisch, sich des Beistandes des brauchbaren Mannes nicht zu berauben. Er ernannte diesen zum Generaldirector der Marine und schloß einen neuen Vertrag mit ihm auf Stellung von fünf Schiffen auf vier Monate für 27 000 Thaler, woneben er bereits eigene kurfürstliche Fahrzeuge in See stechen ließ; R. rüstete außerdem Kaperschiffe auf eigene Hand aus. Die junge Flotte hatte an den kriegerischen Ereignissen des Jahres ihren redlichen Antheil; R. war anscheinend persönlich nicht betheiligt, dagegen hatte er sich wieder mehrfacher Angriffe zu erwehren, welche wegen seiner Geschäftsführung gegen ihn erhoben wurden, sie lassen diese in einem günstigen Lichte nicht erscheinen; dazu befand er sich in steter Geldverlegenheit. 1678 stellte er sieben Kriegsschiffe gegen eine monatliche Miethe von 10 000 Thalern, außerdem brachte er die Fahrzeuge zusammen, welche benutzt wurden, um das Heer am 9. und 10. September nach Rügen überzuführen. Die Erfolge der kriegerischen Thätigkeit des Kurfürsten hatte aber die Zahl von dessen Widersachern und seiner Neider vermehrt, so daß dieser für das Jahr 1679 vermehrte Anstrengungen machte, ihnen entgegentreten zu können; bereits am 1. Januar forderte er R. zu einem neuen Vertrage auf, welcher festsetzte, daß dieser neun Schiffe stellen solle; wenn dieselben im Dienste standen, erhielt er 5020, wenn sie im Hafen lagen 1000 Thlr. monatlich; alle Kriegsgefahr trug der Kurfürst, alle Seegefahr R., Beute und Ertrag der Kaperei gehörten ersterem. Da vereitelte der am 29. Juni 1679 zu Saint Germain en Laye abgeschlossene Friede die meisten von Raule’s Hoffnungen. Ein großer Theil der neugewonnenen Seeküste war verloren gegangen, eigentlich waren nur noch zwei zu Werft- und Hafenanlagen geeignete Punkte geblieben, Pillau und Königsberg; aber Raule’s thätiger Geist wandte sich sofort neuen Unternehmungen zu. Seine Wünsche und Ziele kamen hier wieder mit denen seines Fürsten überein. Dieser stellte ihn an die Spitze einer Commission, welche zusammentrat, um über die zur Förderung der Handelsthätigkeit einzuschlagenden Wege zu berichten. Die 1680 zu Königsberg geschehene Errichtung einer Handelsgesellschaft war die nächste Folge. Dem zu Pillau gebildeten „kurfürstlichen Commerz- und Admiralitäts-Collegium“, an dessen Spitze R. trat, ward die Leitung der Geschäfte übertragen. Daneben ward Raule’s Thätigkeit dadurch in Anspruch genommen, daß in demselben Jahre sechs Schiffe in Dienst gestellt wurden, welche die seitens der Krone Spanien rückständig gebliebenen Subsidiengelder beitreiben mußten. Der Verkauf der bei diesem Anlaß brandenburgischerseits gemachten Prisen verwickelte R. in neue Anklagen; eine infolge davon unter dem Vorsitz des Generalmajors Graf Dönhoff niedergesetzte Untersuchungscommission berichtete aber wiederum, daß gegen R. nichts vorliege. Des Kurfürsten Zuneigung und Beifall blieben ihm erhalten; er war ein Abenteurer und moralisch mindestens zweifelhaft; aber er war unternehmend und brauchbar, daher blieb er in Gunst und Ansehen und in steter Verwendung. Jetzt trat er mit anderen Kaufleuten, namentlich mit einem holländischen Landsmanne, zu einer afrikanisch-brandenburgischen Handelsgesellschaft zusammen, welche 1682 die [401] landesherrliche Genehmigung erhielt und in Guinea Verbindungen anknüpfte; schlau und unbedenklich in der Wahl der Mittel, wußte er die des Staates den eigenen Zwecken dienstbar zu machen, indem er das Budget der Flotte mit dem der Handelsgesellschaft in einen unentwirrbaren Knäuel brachte. Sein damaliges Gehalt betrug 4800 Thaler jährlich, mehr als ein Generallieutenant fortlaufend erhielt. Sein ganzes Sinnen und Trachten war jetzt den Zielen der Handelsgesellschaft und der Ansiedlung in Westafrika zugewendet; in Eberhard v. Danckelmann, dem kurfürstlichen Rath, war ihm ein neuer Gönner entstanden und mit dem Aufblühen der Colonisationsbestrebungen stieg sein Stern. Die ganze Angelegenheit trat in ein neues noch mehr Erfolg versprechendes Stadium, als Brandenburg in Ostfriesland festen Fuß faßte und dadurch weiteren Boden für seine Flotte und seine Handelsbestrebungen fand, und im J. 1684 kaufte der Kurfürst R. die noch in dessen Besitz befindlichen neun Schiffe für 110 000 Thlr. ab. Damit waren letzterem freilich der unmittelbare Einfluß auf die Kriegsflotte und der ergiebige Zusammenhang mit derselben entzogen, immer aber wußte er von neuem die Kräfte des Staates für die Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse nutzbar zu machen und auf die verschiedenste Art den Kurfürsten zu bestimmen, daß er für die Verluste der Handelsgesellsckaft eintrat. Ueber die letztere hatte er seit Mai 1687 fast uneingeschränkte Verfügung. Da starb am 29. April 1688 der Kurfürst. Mit ihm wurden Brandenburgs Bestrebungen zur Gründung einer Seemacht und für eine großartige Handelspolitik zu Grabe getragen. Die diesen Zielen und R. feindliche Partei setzte noch in dem nämlichen Jahre durch, daß letzterer zur Verantwortung gezogen wurde, aber zum dritten Male ging er gerechtfertigt aus der Untersuchung hervor; aus dem Gefängniß zu Spandau trat er im Jahre 1691 von neuem an die Spitze der Handelsgesellschaft und war wiederum Mitglied des Admiralitätscollegiums. Der Kurfürst ließ ihm sogar ein moralisches Schmerzensgeld von nahe an 10 000 Thlrn. auszahlen. Aber er konnte nicht wieder zu Einfluß und zu Bedeutung gelangen; seine Pläne waren fehlgeschlagen, seine Entwürfe gescheitert, sein Eigennutz, welcher das Staatsinteresse dem eigenen zu Liebe in den Hintergrund gedrängt hatte, war nur Vorwand bei dem Streben, Brandenburg eine Seemacht zu geben und mit seines redlicheren Gönners Danckelmann’s Sturze schied auch R. aus dem öffentlichen Leben. Noch einmal der Veruntreuung und der Unterschlagung angeklagt, hatte er seit 1698 von neuem in Spandau langwieriges Gefängniß zu erdulden, im J. 1702 ward er in Freiheit gesetzt, weil man ihm nichts beweisen konnte. Im J. 1707 ist er auf seinem Gute Wittenberge gestorben. Das Vermögen, welches er hinterließ, war weit geringer als man es geschätzt hatte; es fiel dem königlichen Schatze zu. Die Bestandtheile waren das Gut Rosenfelde (jetzt Friedrichsfelde) bei Berlin, welches er schon vor dem Jahre 1688, also zu einer Zeit, wo seine Stellung noch eine gesicherte war, dem Kurfürsten vermacht hatte; ein Haus in Berlin, welches ihm bereits 1678 geschenkt worden und in welchem sich auch die Geschäftsräume der Marine und der Handelsgesellschaft befanden, das frühere Ballhaus, in der jetzt Rauleshof benannten Gasse im Innern der Stadt belegen, 10 000 Thaler baar und 26 000 Thaler in Antheilsloosen der Handelsgesellschaft.

P. F. Stuhr, Geschichte der See- und Kolonialmacht des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Berlin 1839. – L. v. Orlich, Geschichte des preußischen Staates im 17. Jahrhundert, Berlin 1839. 2. Bd. S. 426 ff. – A. Jordan, Geschichte der brandenburgisch-preußischen Kriegs-Marine, Berlin 1856. – F. Meyer. Berühmte Männer Berlins in ihren Wohnstätten, Berlin 1875, 1. Bd. S. 132.