ADB:Rittershausen, Konrad

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Rittershausen, Konrad“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 698–701, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rittershausen,_Konrad&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 08:08 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 28 (1889), S. 698–701 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Konrad Rittershausen in der Wikipedia
Konrad Rittershausen in Wikidata
GND-Nummer 104288639
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|28|698|701|Rittershausen, Konrad|Johann August Ritter von Eisenhart|ADB:Rittershausen, Konrad}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=104288639}}    

Rittershausen: Konrad R. (Rittershusius), gründlicher Philologe und einer der bedeutendsten Rechtslehrer an der Altorfer Hochschule, geb. am 25. September 1560 zu Braunschweig, † am 25. Mai 1613 in Altorf. – Konrad’s Vorfahren[WS 1] lebten lange Jahre in angesehener Stellung zu Minden, wo auch dessen Großvater, Heinrich 1503 geboren wurde, welcher (später zum Rath bei den Fürsten von Braunschweig und Lüneburg ernannt), sich deren besonderer Gunst zu erfreuen hatte. Von Heinrich’s 15 Kindern erhielt Balthasar (Konrad’s Vater) nach dem Tode seines Vaters mit Rücksicht auf des letzteren Verdienste das Beneficium zu St. Blasien in Braunschweig und starb dortselbst am 9. August 1603 als Senior des Collegiat-Capitels. Zweimal verheirathet hinterließ er aus zweiter Ehe zwei Söhne, darunter unsern Gelehrten. Konrad bezeichnet selbst in einer von ihm verfaßten Jubiläumsschrift den September nicht allein als „mensis natalis“ sondern zugleich als „mensis fatalis“ wegen mehrerer sein Leben tief berührender Vorgänge, welche sich insgesammt in genanntem Monate zutrugen. So stürzte er (um nur das Wesentlichste herauszugreifen) im September 1574 in die bei Braunschweig vorbeifließende Ocker, wurde jedoch von Vorübergehenden von der Gefahr des Ertrinkens errettet. Im gleichen Monate befand er sich später (1587) abermals in derselben Todesgefahr gelegentlich einer Mainfahrt nach Frankfurt. Ferner war es im September (1580), daß er von tödtlicher Krankheit genas, daß er (1592) zu Basel den Doctorhut erwarb, (1593) seine erste Frau heimführte, und daß er (1594) mit der Geburt seines Erstgeborenen erfreut wurde. – Konrad empfing den ersten humanistischen Unterricht in seiner Vaterstadt Braunschweig, wo er unter dem tüchtigen Rector Matthias Berg, seinem mütterlichen Oheim, namentlich in Sprachen und Poesie glänzende Fortschritte machte. 1580 bezog er Helmstedt, [699] und begann neben philologischen Studien bei Joh. Borcholt und Jagemann das Rechtsstudium. Konrad’s lebhafter Wunsch, Altorf zu besuchen, fand bei dessen Vater um so willigeres Gehör, als mittlerweile Konrad’s Oheim M. Berger, dort als Professor der Moralphilosophie lehrte; und so bezog er denn um die Mitte des Jahres 1584 die Hochschule der Reichsstadt Nürnberg, wo er ein begeisterter Schüler und Anhänger des berühmten Giphanius (Hubert van Giffen) wurde, und ihm diese Anhänglichkeit während seines ganzen Lebens treu bewährte. Als Letzterer im August 1590 den Ruf des Baiernherzogs nach Ingolstadt annahm, siedelten R. und 23 weitere Zuhörer mit dem geliebten Lehrer dorthin über und Konrad disputirte bereits am 23. März 1591 über die von Giphanius bearbeitete These „de actionibus emti et venditi“ (Ingolstadt 1591, 4°). Giphanius begegnete aber auch seinem Schüler mit vieler Zuneigung, und soll ihm letztwillig die Herausgabe der hinterlassenen Werke aufgetragen haben, welche indeß aus unbekannten Gründen unterblieb. … Wie in Altorf so suchte R. auch in Ingolstadt den Umgang mit hervorragenden Docenten auf. Er besuchte die Vorträge des Juristen Fachinäus aus Forli, verkehrte mit dem gelehrten Jesuiten Gregor de Valentia, mit Philipp Menzel, Dr. theol. Wolfgang Hunger und anderen namhaften Personen, die insgesammt seine Anspruchslosigkeit rühmen, und befaßte sich in den Nebenstunden gerne mit griechischer Sprache und Litteratur. – In diesen Zeitraum fallen auch mehrere zu wissenschaftlichen Zwecken unternommene Reisen, auf denen er mehrfach werthvolle Beziehungen anknüpfte. 1587 besuchte er Franken und Hessen, – Frankfurt a. M., Heidelberg, Marburg; im nächsten Jahre Schwaben, 1589 Böhmens Hauptstadt, dann 1591 Oesterreich und Ungarn. Auf dieser Wanderung wurde ihm vom Grafen Julius zu Salm Anfangs Mai 1591 die Stelle eines Rathes angeboten, die er jedoch unter Berufung auf seine schlichten Sitten, welche zu höfischem Leben nicht paßten, in lateinischen Distichen ablehnte.

 „ – –
Nec me delectant strepitus, pompaeque tumentes,
Apta sed ingenio est vita quieta meo.“ –

Das gleiche Loos hatten sowohl eine Einladung, welche zur nämlichen Zeit der Schlesier Hieronymus Arconatus an ihn richtete, als auch die späteren Berufungen an die Hochschulen von Helmstedt und Jena, nach einer ungenannten Reichsstadt und nach Braunschweig, woselbst ihm der Rath in einem sehr höflichen Schreiben vom 20. Februar 1609 die Syndikatsstelle antrug, sowie endlich die lockenden Zusagen, die selbst aus Rom an den Gefeierten ergingen. Im Juli 1591 begab er sich durch Württemberg und den Breisgau nach Basel, um unter dem Rector Johann Gut die juristische Doctorwürde zu erlangen. Seine Disputation handelte de bonis maternis aliisque adventitiis liberorum; seine Rede erörterte das Thema, ob das Häretikern gegebene Wort (data fides) zu halten sei?

Die Promotion erfolgte in feierlicher Weise am 9. September 1591 unter dem Decanate des Samuel Grynäus und wurden „in honorem et gratiam Conrad Rittershusii“ einige carmina gratulatoria veröffentlicht (Basileae 1591 4° et Nic. Taurellus Altorf. 1591). Nach Altorf zurückgekehrt, begann er noch 1591 seine Institutionen-Vorlesungen, und gründete seinen Haushalt, indem er Helena (geboren am 7. April 1569), die Tochter des 1580 verstorbenen Pfarrers von Sulzbach, Georg Staudner heimführte. Sie wurde Mutter von 9 Kindern (unter welchen 3 Söhne die Eltern überlebten) und starb nach vierzehnjähriger glücklicher Ehe, tiefbetrauert von ihrem Gatten am 30. Juni 1607. Nach Ablauf von zwei Jahren (19. Juni 1609) schritt dieser zu einer neuen ehelichen Verbindung mit Katharina Holzschuch, deren Vater als Anwalt und Consulent der [700] fränkischen Ritterschaft in Bamberg lebte. Zwei in dieser Ehe erzeugte Nachkommen starben schon in früher Jugend.

Nachdem R. zu Altorf den Lehrstuhl für Institutionen längere Zeit innegehabt hatte, wurde er 1598 nach Peter Wesenbeck’s Abgang von der Akademie an des Scipio Gentilis Stelle zum Professor der Pandekten befördert, und überdies zum reichsstädtischen Rathsconsulenten ernannt. Der fleißige Docent beschränkte sich nicht auf Pandekten-Vorträge, er las auch über die Unterscheidungsmerkmale des bürgerlichen und canonischen Rechtes, über einzelne Theile des Civilrechtes, auch über Lehenrecht, und gab einen systematischen Ueberblick über Privat- und öffentliches Recht. Mit solch umfassender Wirksamkeit als Lehrer verband er eine nicht gewöhnliche litterarische Thätigkeit, (welche wir alsbald näher besprechen werden), und beschäftigte sich außerdem ernstlich mit theologischen und linguistischen Studien, unter welchen die des Griechischen den ersten Platz behaupten. Unser Gelehrter konnte lange Stellen griechischer Classiker auswendig, bediente sich gelegentlich eines Colloquium mit dem Gräcisten Dr. Andreas Dinner längere Zeit homerischer Verse, fertigte in dieser Sprache gute Gedichte und konnte sich während eines Besuches des Erzbischofs von Constantinopel zu Altorf (1607) mit diesem fließend in gedachter Sprache unterhalten. Er stand aber auch mit den ersten Humanisten und Linguisten seiner Zeit in lebhafter brieflicher Verbindung: mit Scaliger, Douza, Thuanus, Casaubonus, Lipsius, Heinsius, mit Maximus Marginus, dem Bischofe von Cytheräa und andern. Strobel hat unter dem Titel: „Rittershusiorum epistolae“ (1768) eine kleine Sammlung von Briefen des Vaters und beider älterer Söhne veröffentlicht. Neben diesem brieflichen Gedankenaustausche unterhielt aber R. (wie schon früher bemerkt) eifrigen Verkehr mit hervorragenden Männern der Wissenschaft, und traten zu den oben Genannten noch der Nürnberger Rathsconsulent Georg Remus, der Romanist Scipio Gentilis, der später berüchtigte Pamphletist Kaspar Schoppius, dann Scherbius, ausgezeichnet in Philosophie, wie Arzneikunde, endlich der bereits erwähnte Dr. Andreas Dinner.

Solch vielseitigen und anstrengenden Leistungen war aber die schwächliche Körperbeschaffenheit Rittershausen’s nicht gewachsen. Vorzeitig kränkelnd erlag er am 25. Mai 1613 einem bösartigen Lungenleiden und wurde in Altorf neben seinem Oheim Berg bestattet. Mehrfache Epigramme bekunden die tiefe Trauer, welche Rittershausen’s Hingang in der gelehrten Welt verursachte, und wie Collegen und Studenten so gab auch die Reichsstadt während des Gelehrten Krankheit wiederholte Beweise aufrichtiger Theilnahme, indem sie zum Oefteren Aerzte abordnete, welche seinen Zustand untersuchen und die nöthigen Anordnungen treffen sollten. – R., ein Mann von reichem Wissen, war ein ungewöhnlich fruchtbarer Schriftsteller, der sich durch methodische Behandlung des Stoffes hervorthat. Der Sohn Georg hat das Leben seines Vaters mit kindlicher Liebe beschrieben und seiner oft benutzten Arbeit ein vollständiges Verzeichniß der philosophischen, philologischen und juristischen Schriften seines Vater beigegeben, das sammt den Noten über 40 Quartseiten umfaßt. Doch wurde die Mehrzahl der von R. selbst zum Druck vorbereiteten Werke erst nach seinem Tode von seinen Söhnen veröffentlicht. Zu den wenigen von ihm selbst herausgegebenen Werken gehören: die „Partitiones juris feudalis“ (1603) und die „Collatio legum Atticarum et Romanarum“ (1608). Nebenbei hat er sich in der classischen Philologie um die Editionen des Boëthius, des Oppian, Phädrus, Photius und einiger Anderen entschiedene Verdienste erworben.

Sein Hauptwerk ist das umfassende „Jus Justinianum h. e. Novellarum expositio methodica“, die gründlichste und zugleich erschöpfendste Darstellung des Novellenrechtes, die wir besitzen. Die Herausgabe besorgten seine Söhne mit [701] einer Dedication an den Nürnberger Rath (Argent. 1615 4°). Der Verfasser theilt den Stoff in 15 Partes, und liefert zu jeder Materie eine systematische Uebersicht, worin die Vorschriften der Novelle verflochten sind. Dem Hauptthema sind Beweise, Proömien und Einleitungen gutachtlichen und erklärenden Inhalts vorangeschickt. Die 2. Auflage von 1629 wurde von Georg R. 1630 mit einem Nachtrage bereichert, der unter Anderm sehr schätzbare Indices enthält. Stintzing hat in seiner trefflichen Rechtsgeschichte das Jus Justinianum (Bd. 1 S. 416–18) einer genaueren Besprechung unterstellt. Neben diesem sind als postume Werke noch besonders hervorzuheben: der „Dodekadeltos, sive in XII tabularum leges comment. novus“ (Argent. 1616 4°), eine erläuternde Schrift über das Decemviral-Gesetz, welche wohl am besten den Fortschritt beobachten läßt, welchen die Rechtswissenschaft in Deutschland etwa von J. Oldendorp (geboren 1480, Professor 1516) bis zu R. gemacht hat; sodann der „Commentarius in Institutiones“ (Argent. 1618 4°), von den Söhnen nach einem Collegienhefte veröffentlicht, an welchem der Vater lange Jahre gefeilt haben soll; endlich die „Novellae constitutionum Imperat. Justiniano anteriorum“ (Francof. 1615) und die „Differentiarum juris civ. et canon. libri VII“ (Argent. 1616 4°), welche der Verfasser für die oben erwähnten Vorlesungen ausgearbeitet hatte.

R. hinterließ aus erster Ehe fünf Nachkommen, darunter drei Söhne, welche durch Herausgabe der nachgelassenen väterlichen Werke sowie durch eigene kleinere Arbeiten in der juristischen Welt bekannt wurden. Der Erstgeborene, Georg R., am 29. September 1595 zu Altorf geboren, begann und vollendete dort seine Studien, erwarb daselbst unter Dinner’s Decanat im December 1623 den juristischen Doctorhut, wurde 1624 reichsstädtischer Anwalt in Nürnberg ging 1625 als Richter in brandenburgische Dienste und ward zuletzt markgräflicher Geheimer Rath und Lehenspropst des Burggrafenthums Nürnberg. Er verfaßte kurz nach seines Vaters Tod dessen bereits genannten curriculum vitae, das mit vieler Liebe geschrieben den „operibus Salviani“ (1623) vorangestellt, auch in Zeidler’s „vitae profess. juris in acad. Altorfiana“ p. 150–226 aufgenommen ist, zugleich ein Verzeichniß der väterlichen Werke (S. 117–220), dann viele Briefe (221–26) enthält und als biographische Hauptquelle angesehen werden muß, aus welcher auch alle Späteren schöpften. – Nicolaus R., 1597 gleichfalls in Altorf geboren, hörte dort, dann in Genf, Bourges und Leiden juristische Vorlesungen, erhielt in seiner Geburtsstadt 1635 den Lehrstuhl der Institutionen, 1649 den der Pandekten als ordentlicher Professor, und starb 1670 (s. u.). – Ludwig R. endlich wurde gleich seinen älteren Brüdern in seiner Vaterstadt humanistisch und juristisch gebildet, und bekleidete vom 24. October 1632 bis 18. November 1652 (also über 20 Jahre) die Stelle eines Substituten an der Nürnberger Rathskanzlei.

Konrad R.: C. S. Zeidler a. a. O. S. 150 u. f. N. VIII mit zahlreichen Nachweisungen ältrer biographischer Quellen, einem erschöpfenden Schriften-Kataloge und Aufzählung mehrerer von oder an K. R. geschriebenen Briefe. – Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 1. Abth. S. 414 u. ff. N. 4.
Georg R.: Will, Nürnb. Gel.-Lex. s. v. Rittershausen. – Stintzing a. a. O.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Verfahren