ADB:Rubruk, Wilhelm von

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Artikel „Rubruk, Wilhelm von“ von Friedrich Ratzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 432–434, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rubruk,_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 23:49 Uhr UTC)
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Rubruk: Wilhelm von R. (Rubruquis, Ruysbroek), Asienreisender, führt seinen Namen wahrscheinlich nach einem Orte Rubruk, der im 12. und 13. Jahrhundert öfter in Urkunden genannt wird und im heutigen französischen Norddepartement als Rubrouk sich findet. Er selbst bezeichnet als seine Muttersprache das Deutsche, scheint aber auch das Französische ganz beherrscht zu haben und ist höchst wahrscheinlich ein Flamänder gewesen, der lange genug in Frankreich gelebt hatte, um von Paris, der Seine u. a. als bekannten Dingen in seiner Reisebeschreibung zu sprechen. Um 1220 oder etwas später geboren, kam Wilhelm früh in die Nähe Ludwig’s des Heiligen; er gehörte vielleicht [433] zu den Mönchen, welche denselben 1248 auf seinem Kreuzzuge nach Damiette begleiteten und der Belagerung anwohnten. In seiner Schrift erwähnt er Geschenke des Königs und der „domina regina“, vielleicht Blanca’s von Castilien. Wir finden ihn im Franciskanerkloster zu Akkon, von wo der König ihn 1253 als Gesandten an Sertak abberief. Zurückgekehrt, gehörte er wieder der palästinensischen Ordensprovinz an, wohnte am 15. August 1255 ihrem Capitel in Tripoli bei, kam wieder nach Akkon und scheint dann nach Frankreich zurückgekehrt zu sein, wo er mit Roger Bacon in Berührung kam. Seine weiteren Schicksale und sein Todesjahr sind unbekannt. Der Bericht über seine Reise, den er bald nach der Rückkehr einem seiner Ordensbrüder in Akkon lateinisch und in Form eines Briefes an König Ludwig dictirte, ist glücklicherweise vollständig erhalten. Wilhelm von R. reiste mit zwei geistlichen Genossen, einem jugendlichen Sklaven und einem Dolmetsch. Er hatte am Palmsonntag 1253 noch zum Volke in der Sophienkirche zu Constantinopel gepredigt, als er wenige Wochen darauf am 7. Mai sich nach Soldaia (Sudak) am Nordrande des Schwarzen Meeres einschiffte, von wo die Reise zu Land über das Küstengebirge der Krim zu den Mongolen führte, deren erste Wanderhorde am dritten Tage erreicht wurde. Der Weg ging in ostnordöstlicher Richtung gegen die Wolga. Als der Don passirt worden war, trafen sie am 31. Juli auf das Zeltlager des Mongolenfürsten Sertak, an welchen die Reisenden einen Brief des Königs Ludwig überbrachten, worauf sie von hier einen Abstecher zu Batu, Sertak’s Vater, dem Herrscher von Kiptschak, machten. Dieser wiederum erklärte, daß das Verlangen der Gesandtschaft, eine christliche Mission unter den Mongolen zu begründen, nur von dem Großchan von Karakorum gewährt werden könne, worauf Wilhelm mit einem seiner geistlichen Gefährten und dem Dolmetsch weiterreiste, während der Rest der Gesandtschaft bei Sertak blieb. Zuerst mit der großen Karawane Batu’s wolgaabwärts, dann nördlich vom Kaspi- und Aralsee in durchweg östlicher Richtung über den Jaik (Ural), bei herannahendem Winter unter großen Strapazen („de fame et siti, frigore et fatigatione non est numerus“) nach einer Stadt Kentschak, die wahrscheinlich am Talas, östlich vom heutigen Balkasch lag, und jenseits deren bald die Grenze Mangu’s überschritten ward. Die Reisenden befanden sich jetzt im Gebirge des Alatau und kreuzten Zuflüsse des Ili und diesen selbst und verweilten längere Zeit in einer von Mohammedanern bewohnten Stadt Kailak, wohl in der Nähe des heutigen Kopal. Diesen Ort verlassend, trafen sie in geringer Entfernung am 30. November ein nestorianisches Dorf, in dessen Tempel sie seit lange zum ersten Male wieder christlichen Gottesdienst genossen. Am 27. December wurde das Lager des Großchanes Mangu erreicht, welches damals südlich vom Altai und, nach Wilhelm’s Angabe, etwa zehn Tagereisen südwestlich von Karakorum lag, und nach ihrem Empfange wanderten die Mönche langsam mit der ungeheueren Karawane Mangu’s, bis am Palmsonntag 1254 die Hauptstadt des mächtigsten Reiches jener Zeit erreicht ward. Wie Wilhelm von R. den zahlreichen hier gefangenen Abendländern am heiligen Osterfeste das Sacrament reicht, wie eine freimüthige Aeußerung über seinen katholischen alleinseligmachenden Glauben, den Mangu nicht habe, zu einer großen Disputation mit Nestorianern, Mohammedanern und Buddhisten in der Pfingstnacht 1254 führt, die große Reichsversammlung der Mongolen im Sommer desselben Jahres erzählt der Bericht in anziehender Weise. Aber der Hauptzweck der Reise wurde nicht erreicht: keine christliche Mission im Mongolenlande geduldet und der Brief des Königs Ludwig mit einer anmaßenden Aufforderung zur Unterwerfung beantwortet. Als Wilhelm von R. unter Zurücklassung seines kranken Gefährten am 10. Juli 1254 [434] Karakorum verließ, gestand er sich mit schwerem Herzen seinen Mißerfolg ein; er hob selbst hervor, daß von sechs Seelen, die er dem Christenthum durch Taufe gewonnen, drei Kinder eines gefangenen Deutschen, an denen er die Taufe vollzog, nicht seiner Missionsthätigkeit zuzurechnen seien. Auf seinem Rückwege, der im Ganzen etwas nördlicher lag als der Hinweg, begegnete er Sertak’s Lager noch einmal und wurde freundlich in demselben aufgenommen, passirte auch das Lager des verstorbenen Großkhans Kuyak in der dsungarischen Pforte, und kam am 16. September 1254 am Ostufer der Wolga in dem Hoflager Batu’s an, wo er seine Gefährten heil wieder fand. Ueber Sarai an der Achtuba, Derbend, dann am Südfuß des Kaukasus hin, über Nachdijwân, Erzerum, Konia gelangte die Gesandtschaft am 17. Juni 1255 nach Nikosia auf Cypern. Wie wir gesehen haben, wohnte Wilhelm schon am 15. August 1255 einem Capitel seines Ordens in Tripoli an. Der Reisebericht beschreibt den Hinweg viel eingehender als den Rückweg, zeugt von guter Beobachtung, freier Auffassung der fremden Völker und gründlicher Kenntniß der damals maßgebenden geographischen Werke des Isidorus und Solinus. Peschel nennt ihn ein Meisterstück des Mittelalters, Yule zieht ihn den die gleiche Gegend schildernden Erzählungen Marco Polo’s vor, v. Richthofen stellt ihn hoch über Plan Carpin. Das Original des Berichtes scheint verloren zu sein, man kennt nur Copien verschiedenen Werthes, deren älteste aus dem 13. und dem Anfang des 14. Jahrhunderts stammen. Eine kritische Ausgabe haben Michel und Wright in den Mémoires der Pariser Geographischen Gesellschaft 1839 veröffentlicht.

Yule, Cathai CCXI. – v. Richthofen, China I, S. 602. – C. M. Schmidt, Z. f. Erdkunde 1885.