ADB:Russow, Balthasar

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Artikel „Russow, Balthasar“ von Theodor Schiemann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 15–16, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Russow,_Balthasar&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 08:54 Uhr UTC)
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Russow: Balthasar R., livländischer Chronist, † c. 1601, Sohn des Kaufmanns Simon R., ist ungefähr 1540 zu Reval geboren, besuchte die Revaler Stadtschule, danach das fürstliche Pädagogium in Stettin, das unter der Leitung eines tüchtigen Theologen, des Magister Matthäus Wolff stand. Hier blieb er von 1559 bis Anfang 1562, gerieth jedoch vorübergehend in Bedrängniß, weil die Unterstützung von Seiten seines Vaters ausblieb, und verließ das Pädagogium, ohne seine Schulden dem Rector gegenüber getilgt zu haben. Ob er darnach noch Universitäten besucht hat, ist nicht zu erweisen. Anfang 1563 kehrte er nach Reval zurück und wurde dort am 12. März 1563 zum Prediger an der Heiligengeistkirche ordinirt, zugleich ertheilte er Unterricht an der Stadtarmenschule, auch nahm er Knaben zu sich in Kost. 1571 vermählte er sich mit der Tochter des besitzlichen Revaler Bürgers Hans v. Gandersen, die ihm eine Mitgift von 200 Mark ins Haus brachte. Während des russisch-livländischen Krieges schrieb er seine „Chronika der Provintz Lyffland“, die 1577 im Manuscript fertig war und 1578 im Druck zu Rostock erschien. Noch in demselben Jahre erschien ein Nachdruck und 1584 eine zweite bis 1583 fortgeführte Auflage. Die für die älteren Partien wenig werthvolle Darstellung gewinnt mit den Zeiten, die R. selbst erlebt oder nach der Schilderung noch lebender Personen kannte, stetig an Wichtigkeit. Er schrieb unter frischen Eindrücken, hatte auch mehrfach Gelegenheit, Urkunden sowie die in Form von Flugblättern erscheinenden [16] Zeitungen zu benutzen, und wollte augenscheinlich nur die Wahrheit sagen. Dennoch ist seine Darstellung sehr der Zurechtstellung bedürftig. Er schreibt von der Ansicht ausgehend, daß Livland von einem Strafgericht Gottes betroffen sei und ist sehr geneigt, in Allem und Jedem Symptome des kommenden Verderbens zu erkennen; er ist zweitens entschiedener Parteigänger Schwedens, und endlich kommt in ihm die Mißstimmung des Bürgers gegen den landsässigen Adel zum Ausdruck. Die Chronik hat denn auch bei den Zeitgenossen neben lebhaftem Beifall gleich lebhaften Widerspruch gefunden. Bekannt sind der von Elert Kruse verfaßte „Warhafftiger Gegenbericht auff die Ao. 1578 ausgegangene Lieflendische Chronika Balthasar Russows“ und die Tiefenhausische Schrift „Begangene irrthümbe des liefländischen Chronikenschreibers Balthasaris Russowens“ (herausg. von Schirren, Archiv III, 287–313). Neuerdings ist noch das längere Bruchstück einer äußerst leidenschaftlichen Entgegnung des Toennis Maydell auf Lode im Revaler Archiv entdeckt worden. R. hat den Vertrieb seiner Chronik in Esthland selbst in Händen gehabt und darüber sehr interessante Aufzeichnungen hinterlassen, aus denen sich ergibt, daß er die Chronik gewissermaßen auf Subscription druckte und die bestellten Exemplare den Bestellern gegen allmähliche Abzahlung überließ, wo die Mittel nicht gleich vorhanden waren. Das Exemplar der Chronik kostete 1/2 Thaler bei einjähriger Stundung der Zahlung, für jedes weitere Jahr kam der ungeheuere Aufschlag von 1/2 Reichsthaler hinzu. Die Notizen Russow’s umfassen die Jahre 1594 bis 1600. Für 338 Exemplare stellen sich seine Forderungen auf 3011/2 Reichsthaler und 58 Reichsthaler Zulage. Das waren jedoch nur ausstehende Zahlungen, von denen 110 noch bei seinen Lebzeiten eingingen, so daß der Umsatz ein sehr beträchtlicher gewesen ist. Nach 19jähriger Ehe starb Russow’s Frau. Sie hinterließ ihm einen Sohn und 2 Töchter. 1593 vermählte sich R. zum zweiten Male mit Anna Bade, einer Revaler Patricierstochter, die ihm eine namhafte Mitgift zubrachte. Wahrscheinlich Anfang 1601, jedenfalls nach dem 15. April 1600 ist er gestorben. Besondere Beachtung verdient die Russow’sche Chronik auch abgesehen von ihrem Inhalte wegen der schönen Darstellung und der reinen, kräftigen Sprache des Verfassers. Unter den niederdeutschen Schriftstellern gebührt ihm in dieser Hinsicht eine hervorragende Stellung.

Für die Litteratur und die Ausgaben der Chronik vgl. Winkelmann, Bibliotheca Livoniae historica Nr. 468. Dazu Rußwurm in den Beiträgen zur Kunde Liv-, Esth- und Kurlands und Schiemann, Neues über Balthasar Russow (Nordische Rundschau Juli 1886).