ADB:Schack, Benedict

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Artikel „Schack, Benedict“ von Hans Michael Schletterer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 486–489, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schack,_Benedict&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 04:34 Uhr UTC)
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Schack: Benedict S., (eigentlich Cziak) Schullehrersohn, geboren 1758 in Mirowitz in Böhmen, † am 11. December 1826 in München, berühmter Tenorist und beachtenswerther Componist, und, was hier nicht übersehen werden darf, durch Jahre einer der vertrautesten und treuesten Freunde Mozart’s. – Nichts ist interessanter, aber auch betrübender, als die zahllosen Leichensteine zu mustern, welche seitwärts von dem großen Heerwege der Kunst, auf dem nur die außerordentlichsten Erscheinungen und glänzendsten Namen sich zu behaupten vermögen, in bescheidener Verborgenheit, leider meist gänzlicher Vergessenheit verfallend, ein stilles Plätzchen gefunden haben. Wie viel hervorragendes Talent, wie viel seltenes Geschick, und wie viel unverdientes Unbeachtetsein finden wir da! Zuletzt kann uns nur der Gedanke trösten, daß jeder, der ernst und redlich gestrebt und nach seinem Vermögen das Beste gegeben hat, was er konnte, sein Scherflein beitrug, den Wunderbau der Kunst zu fördern. Zu denen, die während ihres Lebens als ausübende, wie productive Künstler Treffliches leisteten, zählt auch S. – Sein Vater, durch 53 Jahre in seinem Lehramte thätig, gab ihm den ersten Schul- und Musikunterricht. Schon als zehnjähriger Knabe vermochte er jedes Gesangstück prima vista zu singen. Dies sich frühe äußernde Talent bewog den Vater, einem benachbarten Collegen, der ein guter Organist und gewandter Contrapunktist war, die weitere Ausbildung seines Sohnes zu übertragen. Dann kam derselbe 1769 als Singknabe zu den Jesuiten auf den heiligen Berg, einen berühmten böhmischen Wallfahrtsort, und nachdem er durch 4 Jahre hier auch die untern Schulen frequentirt, 1773 als Sänger [487] an die Domkirche zu Prag. Seine wissenschaftlichen Studien unterbrach er nie; doch da nun nach zwei weitern Jahren seine Stimme mutirte, so benutzte er die Gelegenheit, sich beim Capellmeister Anton Laube in der Composition weiter zu bilden. Mehrstimmige Arien und Serenaden, deren er viele setzte, wurden beifällig aufgenommen. Ende 1775 machte er sich per pedes nach Wien auf den Weg, fand dort Aufnahme im Seminar und wußte sich bald die Gunst des Universitätsmusikdirectors und die des vorzüglichen Hofcapellsängers Joseph v. Friberth, zu gewinnen. Ersterer vollendete seine theoretische Ausbildung, letzterer wurde, nachdem seine Stimme sich in einen schönen Tenor umgewandelt hatte, sein Gesanglehrer. Sich unter allen seinen Mitschülern durch seine musikalische Befähigung auszeichnend, veranstaltete er nun mit ihnen allwöchentliche Concerte, denen oft auch J. Haydn, der sich sehr wohlwollend für ihn interessirte, beiwohnte. Er schrieb in dieser Zeit neben anderem zwei Operetten, mehrere Sinfonien und für die Minoriten in Graz drei Oratorien. Als er nach 5 Jahren seine philosophischen Studien vollendet hatte, widmete er sich der Medicin, da er aber unvermuthet (Juli 1780) einen Ruf vom Fürsten Heinrich von Carolath nach Carolath (Regbz. Liegnitz), als Capellmeister erhielt, folgte er demselben. Besonders durch zahlreiche Concerte für Blasinstrumente, die er auf dessen Wunsch componirte, erwarb er sich seines Fürsten Wohlwollen, der ihn auch nicht entlassen haben würde, hätte ihn nicht eine große Ueberschwemmung der Oder, die alle seine Besitzungen furchtbar verwüstete, gezwungen, seine ganze Capelle aufzulösen. Mittlerweile, 1784, hatte S. mit der fürstlichen Sängerin Weinhold eine glückliche Ehe eingegangen. Fast unmittelbar darauf bekam er seinen Abschied und er mußte sich glücklich schätzen, von dem Theaterdirector Bondini einen Engagementsantrag nach Prag zu erhalten. Dort angekommen, hörte er mit Schrecken, daß dieser sein beabsichtigtes Unternehmen aufgegeben hatte und nach Italien zurückgereist war. Aller Mittel baar, entschloß sich S. eigene und fremde Werke zu copiren und einen kleinen Hausirhandel mit Musikalien in böhmischen Städten, Klöstern und Dörfern zu beginnen. Nach zweijähriger Nothzeit traf er zufällig in Budweis mit dem bekannten Theaterimpressario I. Schickaneder zusammen, der ihn veranlaßte, gegen eine Wochengage von 18 Gulden, sich seiner Gesellschaft anzuschließen. So kam er nach Salzburg, wo er als Nardone in Paisiello’s „La Frascatana“ erstmalig die Bühne betrat. Er sang diese und andere Rollen mit außerordentlichem Beifalle, so daß der Capellmeister Leopold Mozart, wie der Vicecapellmeister Michael Haydn ihn durch gütiges Entgegenkommen auszeichneten und in jeder Weise zu fördern suchten. Zugleich mit ihm waren der berühmte Orgelspieler Franz Tayber, nachmals Hoforganist in Wien (1756–1810) und Franz Gerl, später Capellmeister in Brünn, bei Schickaneder engagirt. Dieser unternehmende, dichtende, componirende, spielende und singende Theaterdirector pflegte in der Regel für sein Theater die Operntexte selbst zu schreiben, jene componirten sie, meist in Gemeinschaft. So entstanden hier und später in Wien (bis 1796) die Opern: „Der Luftballon“, „Lorenz und Suschen“, „Der Mundkoch“, „Der Krautschneider“, „Der Stein der Weisen“, „Don Quixote“. „Das Schlaraffenland“, „Die Wiener Zeitung“, „Una cosa rara“ II. Theil, „Die Zaubertrommel“, „Die beiden Antons“, (dieses bekannteste Werk Schack’s erschien, von Neefe arrangirt, im Clavierauszuge), „Die beiden Antons II. Theil oder der Name thut nichts zur Sache“. (Noch gab man in der Folge 4 Theile der beiden Antons, aber es ist sehr fraglich, ob an diesen elenden Pasticciis S. Antheil hatte.) „Frage und Antwort oder Ein altes Weib kann auch Gutes stiften“, „Die Zaubertrommel oder die Schellenkappe“ u. s. w. Diese in Salzburg, Regensburg und Wien, auch in Dresden oft und mit großem Beifall aufgeführten Werke, waren zunächst nur für die Schickanedersche Gesellschaft [488] bestimmt und berechnet, und sind daher an andern Bühnen weniger bekannt geworden. Von Salzburg zog Schickaneder nach Regensburg. Hier componirte S. eine Messe und eine Litanei, die in Gegenwart des Fürsten von Thurn und Taxis, von dessen Hofcapelle bei den Augustinern mit glänzendem Erfolge zu Gehör gebracht wurde. In dieser Zeit entstand auch eine italienische, für den berühmten Bassisten Fischer geschriebene Concertarie, ein Paradestück dieses Künstlers. Als 1788 das Regensburger Theater aufgelöst wurde, nahm S. ein Engagement am Theater an der Wien an, das damals der bekannte Schauspieler und Schriftsteller, Johann Friedel, leitete. Der strebsame S. sah sich nun in eine ganz neue Welt versetzt und fand jetzt erst, nachdem er die großen Gesangsvirtuosen der italienischen Oper, Mandini, Bandini, Mombelli und Maffoli gehört, die ihm bisher mangelnde Gelegenheit, sich als Sänger ganz zu vervollkommnen. Namentlich den letztgenannten vortrefflichen Künstler nahm er sich zum Vorbilde, und es gelang ihm, dessen Art und Manier so täuschend nachzuahmen, daß man ihn nur den deutschen Maffoli nannte, und dieser, als er ihn einst selbst hörte, nicht umhin konnte, seinem Spiel und Gesang Beifall zu klatschen. Jedenfalls mit Empfehlungen vom Papa versehen, machte er nun auch die Bekanntschaft W. A. Mozart’s und bald schlossen sich beide in herzlicher Freundschaft einander an. Oft kam der Unsterbliche zu S., um ihn zum Spaziergang abzuholen und während sich dieser ankleidete, pflegte sich jener an dessen Schreibtisch zu setzen und begonnene Manuscripte fortzusetzen oder hier und da ein Stück in seine Singspiele hineinzucomponiren. Manche Partituren Schack’s dürften also Mozartsche Autographen und Tonsätze enthalten, die jedoch mit den betreffenden Opernpartituren leider alle verschollen und vergessen sind. Durch Mozart lernte S. auch Händel’sche und Bach’sche Werke und manches gute Buch kennen. Für ihn wurde die Taminopartie in der Zauberflöte geschrieben, die er allein in Wien 116mal sang. Infolge des intimen Verkehrs, der zwischen beiden Männern bestand, wußte S. eine Menge Züge von seinem Freunde zu erzählen, die dessen Kunst und häusliches Leben zu schildern und seine gutmüthige Seele zu charakterisiren vermochten. Da sie momentan nie aufgezeichnet wurden, S. merkwürdiger Weise in übertriebener Aengstlichkeit, auch nie zu bewegen war, seine Erinnerungen an Mozart niederzuschreiben, so ist eine Lücke, die nur er in dessen Leben ganz hätte ausfüllen können, leider offen geblieben. In der letzten Krankheit des Meisters war er ein täglicher Besucher in dessen Hause. Mozart schrieb an seinem Requiem und war im Geiste unausgesetzt mit diesem seinen Schwanengesang beschäftigt, suchte auch die Vollendung des Werkes mit ängstlicher Hast zu fördern, was ihm bekanntlich nicht mehr gelingen sollte. Während er noch daran arbeitete, pflegte er jede vollendete Nummer gleich singen zu lassen und dazu so lange er es vermochte die Begleitung auf dem Clavier zu spielen. Noch am Tage vor seinem Tode, (Nachmittag 2 Uhr) ließ er sich die Partitur auf sein Bett legen, selbst mit seiner Tenorstimme, die im Sprechen fein, im Affect aber kräftig und laut war, den Alt singend. S. übernahm wie immer den Sopran, Schwager Hofer den Tenor, Freund Gerl den Baß. Nach den ersten Takten des Lacrimosa begann Mozart heftig zu weinen und die Partitur bei Seite zu legen. Als ihn Süßmayer, der dann das Requiem vollendete, am Abend besuchte, unterhielt sich der Meister noch lebhaft mit ihm über dasselbe und auch noch in seinen letzten Phantasien schien es ihn zu beschäftigen. Früh 1 Uhr (5. December) ging der Göttliche in das Reich ewiger Harmonieen hinüber. 1793 verließ S., überdrüssig der durch Schickaneder’s angezettelte und fortdauernde Liebeleien in der Gesellschaft hervorgerufenen Uneinigkeit, Wien und siedelte nach Graz über, wo man ihn bald seiner Kunst und Talente wegen so sehr schätzte, daß er hoffte, für immer dort bleiben zu können. Nach drei daselbst [489] verlebten unvergeßlichen Jahren ließ er sich aber doch durch vortheilhafte Zusagen des Hofmusik- und Theaterintendanten J. Grafen von Seeau in München und in der Hoffnung, an der Hofbühne lebenslängliche Anstellung zu finden, bewegen, (1796) dorthin zu gehen. Allein Ehrgeiz, Theuerung, Kriegslasten zehrten alsbald seine Sparpfennige auf und der Herr Graf bot ihm nur eine Gage von 700 fl. In seinem Unmuth nahm S. nun einen Ruf nach Frankfurt a. M. an; aber als dies die Kurfürstin Marie Leopoldine hörte, versagte sie ihm den Abschied. Er erzielte Gehaltserhöhung und wurde nun auch als Hofsänger angestellt. S. besaß eine sehr schöne, metallreiche, biegsame, echte Tenorstimme, und einen auf vollkommene Kunsteinsicht gegründeten hinreißenden Vortrag; mit den schwersten Passagen schien er nur zu spielen und seine Declamation war tadellos. Aber er war nur ein sehr mittelmäßiger Schauspieler. Hier in München war er der einzige Tenorist. Durch Jahre mußte er allwöchentlich eine neue Oper studiren. Diese große geistige Anstrengung und daneben viele Hof- und Privatmusiken schwächten ihm Gedächtniß und Brust derart, daß er endlich größere Solopartien nicht mehr übernehmen konnte. Er sah sich daher gezwungen, 1805 um seine Pensionirung nachzusuchen. Fortan beschäftigte er sich nur mehr mit Kirchenmusik; er componirte 6 Messen, 2 Requiem, Gradualien und Offertorien, eine Messe für 4 Männerstimmen mit Orgel, 2 Trauercantaten, viele mehrstimmige Lieder und arrangirte die Charwochenlamentationen 3 und 4 stimmig. – Schack’s Tochter Antonie, später an den beim k. Generalcommissariat in Augsburg angestellten Secretär, M. Stiewel, vermählt, geboren 1784 in Carolath, war Schülerin ihres Vaters, sang schon 1793 Kinder-, namentlich Knabenrollen und trat 1800 als Hofschauspielerin und Sängerin in München in den Verband des k. Hoftheaters.