ADB:Schmauß, Johann Jakob

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schmauß, Johann Jacob“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 628–631, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmau%C3%9F,_Johann_Jakob&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 01:19 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schmalzgrueber, Franz
Band 31 (1890), S. 628–631 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Jakob Schmauß in der Wikipedia
Johann Jakob Schmauß in Wikidata
GND-Nummer 117455695
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|31|628|631|Schmauß, Johann Jacob|Ferdinand Frensdorff|ADB:Schmauß, Johann Jakob}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117455695}}    

Schmauß: Johann Jacob S., Publicist, geboren am 10. März 1690 zu Landau, † am 8. April 1757 zu Göttingen. Vorbereitet auf den Gymnasien zu Durlach und Stuttgart, studirte er seit 1707 in Straßburg und Halle. In Halle, wo er sich Thomasius und Gundling anschloß, habilitirte er sich 1712 und beschäftigte sich neben dem Halten historischer Vorlesungen mit der Herausgabe historisch-politischer Schriften, die meistens den Aufträgen der Buchhändler ihre Entstehung verdankten. 1721 trat er in die Dienste des Markgrafen von Baden-Durlach, zuerst als Hofrath, seit 1728 als Geh. Kammerrath. Zugleich besorgte er für den Bischof von Straßburg dessen Geschäfte im Reiche. Auch in der praktischen Stellung blieb er litterarisch thätig. Die in dieser Zeit entstandenen Sammlungen, das „Corpus juris publici S. R. Imperii academicum“ und das „Corpus juris gentium academicum“, waren die ersten derartigen, sehr brauchbar und zuverlässig hergestellten Sammlungen für Lehrzwecke. Das erstgenannte, 1722–1794 in sieben fortgeführten Auflagen erschienen, ist noch heute für den Handgebrauch beliebt. Das „Corpus juris gentium“ (Leipzig 1730) vereinigt die internationalen Verträge der beiden letzten Jahrhunderte. Eine Erläuterung dieser Sammlung zu bilden war die Einleitung zur Staatswissenschaft (Thl. I 1741; II 1747) bestimmt, die etwas ganz anderes, als ihr Titel erwarten läßt, enthält und in ihrer ersten Anlage ein für den Grafen Philipp Joseph v. Kinsky, der 1728 als österreichischer Gesandter nach England ging, ausgearbeiteter Aufsatz war: ihr erster Theil, mehr als 600 Octavseiten umfassend, behandelt die Historie der Balance von Europa; ihr zweiter die der zwischen den nordischen Staaten abgeschlossenen Verträge. Ein dritter, der sich mit der Beschaffenheit des europäischen Commercienwesens beschäftigen sollte, ist nicht erschienen. Seine Geschicklichkeit für Quelleneditionen zu praktischen Zwecken bewies er auch durch die der „Reichsabschiede“, deren neue 1747 erschienene, unter dem Namen [629] der Koch’schen oder Senckenbergischen bekannte Sammlung von seinen Arbeiten ihren Ausgang nimmt. Schmauß’ litterarischer Ruf zusammen mit seiner praktischen Wirksamkeit, seine Beliebtheit in aristokratischen Kreisen, insbesondere auch der österreichischen Noblesse, die Schule, die er in Halle durchgemacht, und sein Anschluß an Gundling bewogen G. A. v. Münchhausen bei Begründung der Universität Göttingen sein Augenmerk auf ihn zu richten, zumal der für die historische Professur zunächst in Aussicht genommene J. D. Köhler sich lange nicht zu einer festen Zusage entschließen konnte. S. hatte in Halle einst auch Reichshistorie gelesen und einen „Kurtzen Begriff“ derselben in einem ansehnlichen Bande erscheinen lassen (Leipzig 1720, vermehrt 1729). Nach Hallischer Weise sollte auch in Göttingen diese Vorlesung von einem Juristen gehalten werden; da aber Treuer von Helmstedt bereits für jus publicum berufen war, mußte eine andere Verbindung der Vorlesungen als sonst üblich getroffen werden. Dem entsprechend wurde S. am 29. April 1734 die professio historiarum et juris naturae et gentium übertragen. Er erhielt einen Gehalt von 700 Thalern und das Prädicat eines Raths, trat zu Michaelis 1734 an und bildete mit Gebauer und Treuer den Anfang der juristischen Facultät. Als nachher Köhler den Ruf als professor historiarum annahm, wurden die Schwierigkeiten zunächst dahin beigelegt, daß S. neben seinen juristischen Collegien: Reichsstaatsrecht, allgemeinem Staatsrecht und Völkerrecht sich in der philosophischen Facultät auf neuere Staatengeschichte beschränkte. Erst später las auch er Reichshistorie, wie denn sein „Kurtzer Begriff“ 1740–51 drei Auflagen erlebte. Trotzdem S. kein guter Ruf in Bezug auf seinen Lebenswandel voranging, muß ihm der Curator sein Vertrauen geschenkt haben, denn, nachdem Gebauer (s. A. D. B. VIII, 450) das Commissariat der Universität Ostern 1735 niedergelegt hatte, verwaltete S. die Stelle und fungirte in dieser Eigenschaft zur Zeit der Inauguration der Universität (September 1737). Seit dem Wintersemester 1737 erbot er sich auf Anordnung des Curators der cupida legum juventus zu einem collegium juris praeparatorium, einer Rechtsencyklopädie mit einer Anleitung zur zweckmäßigen Einrichtung der Studien. Ein damals veröffentlichter „Entwurf“ gibt bei aller Kürze durch die frische, nicht ohne Humor geschriebene Vorrede und die knappen Sätze des Inhalts einen guten Begriff von der Lehrgabe des Mannes. Das donum proponendi, das man Münchhausen an S. gerühmt hatte, bewährte sich; leider ging aber auch die andere Voraussage in Erfüllung. Auf Grund eines ihm aus England zugekommenen Gerüchts, daß S. in dem Sommer 1742 weder publice noch privatim lese, erinnerte ihn der Curator daran, „daß die fleißige Haltung der Collegiorum als das wesentlichste Stück considerirt werde, in remunerationem und in Bedingung dessen der König so ansehnliche Besoldungen ausgeworfen habe“ und sprach die Besorgniß aus, der König könne wegen Zurückhaltung seiner Besoldung etwas verfügen. Man darf annehmen, daß schon längere und schwere Verschuldung vorgelegen haben muß, wenn ein so wohlwollender Vorgesetzter wie Münchhausen eine Verwarnung dieser Art erließ. S. entschuldigte sich mit häuslicher Störung und Kränklichkeit, nahm aber die Gelegenheit wahr fortzugehen, als ihm im nächsten Jahre ein Ruf nach Halle zu theil ward. Seine Finanzverhältnisse waren aber so zerrüttet, daß die Gläubiger seine Bibliothek nicht von Göttingen fortließen; in Halle wurden die ihm gemachten Zusagen nicht erfüllt, so daß er weder Besoldung noch Introduction erlangen konnte. Nach Leipzig als Privatdocent übergesiedelt, wandte er sich von da „unter wehmüthiger Ausdrückung seiner Lage“ mit der Bitte um Wiederaufnahme an Münchhausen. Nachdem ihm zunächst das Halten von Vorlesungen in Göttingen wieder gestattet und solche auch in großer Anzahl mit jedermanns Beifall besucht wurden, wurde ihm von Weihnachten 1744 an wieder sein alter [630] Posten und Gehalt gewährt. Anzugsgelder dagegen wurden abgeschlagen, da er sie schon einmal genossen und Göttingen ohne einen von der hannoverschen Regierung gegebenen Anlaß quittirt habe. Schmauß’ Wiederaufnahme war übrigens nicht blos ein Zeichen der in Hannover waltenden Milde und Nachsicht, man fand sich auch wegen des jus publicum in Verlegenheit, da Ayrer nicht genügte, Treuer im Frühjahr 1743 gestorben und der Versuch, Buder oder J. J. Moser zu gewinnen fehlgeschlagen war. Münchhausen ließ die Gelegenheit nicht vorüber gehen, dem Wiederangestellten wohlwollend ins Gewissen zu reden, er möge fortan für Harmonie mit den Collegen sorgen, den cultum divinum externum nicht verabsäumen und diejenigen durch die That widerlegen, welche an seinem Christenthum grundlos zweifelten, auch nichts in Collegiis und Discursen einfließen lassen, was zum Nachtheil der Religion ausgebeutet werden könnte. Eine Zeitlang nach der Wiederanstellung ging es gut. Das deutsche Staatsrecht bildete den Mittelpunkt seiner akademischen Wirksamkeit. S. veröffentlichte sein „Compendium juris publici“ (1746), von dem 1752 und 1754 neue Auflagen nöthig, eine vierte nach seinem Tode 1766 durch Selchow besorgt wurde, ein Buch, das sich durch einfache und zweckmäßige Ordnung, die Quellenmäßigkeit seines Vortrages und die Verbindung des allgemeinen Staatsrechts mit dem deutschen empfahl und durch den Grafen v. Buat unter dem Titel: Tableau du gouvernement actuel de l’empire d’Allemagne 1755 übersetzt wurde. Ueber seine Vorlesungen, welche sein Schüler Heldmann als „J. J. Schmaußens akademische Reden und Vorlesungen über das Teutsche Staatsrecht“ 1766 veröffentlichte, besitzen wir gerade aus dieser Zeit sehr günstige Zeugnisse von dem Hamburger Büsch und dem Schweizer I. Iselin. Hugo rechnet ihn unter die besten Köpfe, die je in Göttingen gelehrt haben, und Heeren hebt an seinen geschichtlichen Werken im Gegensatz zu den Vorgängern, die entfernt von aller praktischen Politik den Lesern blos historische Gerippe boten, das Verdienst hervor, daß er als Lehrer des Völkerrechts den Stoff vom diplomatischen Gesichtspunkt erfaßt habe. Wenn die Spätern auf den Ruhmestitel Göttingens zu sprechen kommen, politische Dinge unabhängig und freimüthig erörtert zu haben, so stellen sie S. an die Spitze ihrer Ahnenreihe. Die letzten Lebensjahre brachten aufs neue Conflicte. Sie waren zum Theil alter Art. Pütter drückt es schonend aus, wenn er sagt: S. habe nicht mehr mit dem Eifer wie bisher seine Lehrstunden gehalten. Dazu kamen häusliche Wirren. Büsching bezeichnet das mit den Worten: S. war ein Löwe in seinem Hause, ein wüster und anstößiger Mann. An die Verhältnisse seiner an Scheidt verheiratheten Tochter genügt es hier zu erinnern (s. A. D. B. XXX, 711). Conflicte neuer Art knüpften sich an die Veröffentlichung des neuen Systema des Rechts der Natur (Göttingen 1754). Der Professor Chladenius (Chladni) in Erlangen zieh das Buch in einer Streitschrift kirchlicher Irrlehren und machte dadurch die Theologen in Hannover und den Kanzler v. Mosheim aufmerksam, die eine Gefährdung Göttingens und Verführung der Jugend besorgten, zumal der Reichshofrath, durch eine Privatstreitigkeit veranlaßt, das Buch in Hannover zur Einsicht hatte abfordern lassen. Im Curatorium, von dem S. die Confiscation der Chladnischen Schrift verlangt hatte, kam die Sache zur Erörterung. Wies Strube auch Schmauß’ Petitum ab, so kam er doch mit dem Gutachten Scheidt’s darin überein, daß Chladni’s Beschuldigung ungerecht sei, da S. das, was er nach dem Naturrecht gerechtfertigt ansehe, deshalb noch nicht vor der Ethik rechtfertigen wolle. Ueber dem Streite verstarb S. In der Memoria, die ihm Gesner hielt, wurde auf Grund der Mittheilungen des Superintendenten Appuhn seines christlichen Abscheidens ausdrücklich gedacht.

[631] Pütter, Gött. Gel.-Gesch. I, 50; II, 34; Litt. d. Staatsrechts II, 5, 440, 443. – Gesner, Biogr. Gott. I, 109. – Büsch, Erfahrungen IV, 149. – L. Meister, Helvetiens berühmte Männer I, 244. – Büsching, Beiträge z. Lebensgesch. III, 269. – Hugo, Lehrb. d. Gesch. d. Röm. Rechts, S. 487, 540. – Heeren, Histor. Werke VI, 447. – Schlözer, Staatsr., 91; Staatsanz., H. 63, 259. – J. D. Michaelis, Moral I, 11. – Wachler, Gesch. d. histor. Forschg. II, 1, S. 319. – Rößler, Gründg. d. Univ. Gött. passim. – F. Frensdorff, Die ersten Jahrzehnte d. staatsr. Stud., S. 5 ff. (1887). – Acten d. kgl. Univ.-Curatoriums.