ADB:Schweigger, Salomon

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Artikel „Schweigger, Salomon“ von Wilhelm Heyd in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 339–340, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schweigger,_Salomon&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 05:03 Uhr UTC)
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Schweigger: Salomon S., protestantischer Prediger, war im Jahr 1551 geboren, nicht in Sulz am Neckar (Württemberg), wie man gewöhnlich liest, sondern in Haigerloch (Hohenzollern) laut der nicht abzuweisenden Angabe des wohl orientirten Martin Crusius. Doch heißt letzterer selbst den S. wiederholt einen Sulzer; denn die Familie S. war in Sulz eingebürgert, Salomon wuchs da auf im großelterlichen Hause, sein Vater bekleidete in der Folge die Stelle eines Notars daselbst bis zum Ende seines Lebens (1579). Vorgebildet in Latein- und (evangelischen) Klosterschulen des Herzogthums Württemberg bezog S. 1572 die Tübinger Hochschule als Theologe, verließ dieselbe jedoch, ohne sein Studium ganz beendet zu haben, am 26. September 1576 mit sechs Thalern in der Tasche, um einen Dienst zu suchen, bei welchem sein Drang, fremde Länder zu sehen, Befriedigung finden konnte. Er versuchte sein Heil in Oesterreich, und da traf es sich endlich, daß Joachim v. Sinzendorf, welcher als Botschafter Kaiser Rudolf’s II. am 10. November von Wien nach Konstantinopel abging, den mittlerweile in Graz ordinirten jungen Theologen als Reise- und Gesandtschaftsprediger in sein Gefolge aufnahm. Damals war Komorn der letzte feste Platz der Christenheit an der Donau; in Gran und Ofen begrüßten den Herrn v. Sinzendorf bereits Würdenträger des Sultans und sein Prediger begann die Bräuche der Muselmänner zu studiren. Bei Belgrad verließ die Gesellschaft ihre Schiffe und fuhr von da in Kutschen nach Konstantinopel, wo sie am Neujahrstag 1578 eintraf. Der Herr David v. Ungnad, welchen Sinzendorf als Botschafter abzulösen kam, blieb noch einige Monate und mit ihm dessen Prediger Stephan Gerlach. Dieser Letztere hatte bei den bekannten durch Martin Crusius eingeleiteten Verhandlungen der Tübinger Theologen mit dem griechischen Patriarchen persönlich mitgewirkt; die Hauptschriftstücke waren bereits durch Gerlach’s Hand hin und her gegangen und das Scheitern der Annäherungsversuche auch schon so gut als sicher, doch folgten weitere theologische Auseinandersetzungen zwischen beiden Theilen noch durch mehrere Jahre hin. So ablehnend sich die Griechen auch in dogmatischer Beziehung verhielten, so erwiderten sie doch das Entgegenkommen der Tübinger durch Aeußerungen freundschaftlicher Gesinnung und S. als zweiter persönlicher Vertreter Tübingens fand in der Umgebung des Patriarchen gute Aufnahme, besonders befreundete er sich mit dem Protonotar desselben, Theodosios Zygomalas[WS 1]. Er bekam dadurch einen Einblick in das Leben der orientalischen Christenheit und ihre Lage unter der Türkenherrschaft. In ausgedehntem Maße benutzte er aber seinen mehr als dreijährigen Aufenthalt in Konstantinopel zur Beobachtung der Vorgänge am Hoflager des Sultans sowie des Treibens der vornehmen und niederen Moslims. Das Regiment der Sultane, welche in ihrem brutalen „Bauernstolz“ den Repräsentanten der so hoch über ihnen stehenden abendländischen Mächte die empfindlichsten Demüthigungen bereiteten, war in den Augen von S. eine „greuliche Tyranney“; er konnte den Fortbestand desselben sich von seinem theologischen Standpunkt aus in erster Linie nur so zurechtlegen, daß es von Gott als eine mächtige Zuchtruthe für die Christenheit hingestellt war. Auf der anderen Seite verkannte er aber auch keineswegs die sittlichen und politischen Kräfte, welche dasselbe lebensfähig erhielten, auch nicht die Humanität, die in den Wohlthätigkeitsanstalten des Islam und in der Duldung fremder Culte zu Tag trat. – Als Sinzendorf’s Mission zu Ende ging, trat S. mit dessen Erlaubniß in Gesellschaft von Edelleuten deutscher Nation eine Pilgerfahrt nach Jerusalem an (3. März 1581), auf welcher er auch Alexandrien und Damaskus berührte. Im November war er wieder zurück [340] in der schwäbischen Heimath. Martin Crusius bewillkommnete ihn in Tübingen mit einem griechisch-lateinischen Gedicht und veröffentlichte gleichzeitig mit demselben zur Erläuterung eine vorläufige kurze, aber genaue Nachricht von dem vierjährigen Aufenthalt des Freundes im Orient auf Grund von Briefen und mündlichen Mittheilungen. Zunächst suchte nun S. Anstellung im württembergischen Kirchendienst und fand solche als Helfer in Nürtingen (1582–1583) und als Stadtpfarrer in Grötzingen (1583–1589). Hierauf wurde im J. 1589 durch den Reichsfreiherrn Heinr. Herm. v. Milchling, der 20 Jahre vor S. auch Jerusalem besucht hatte, auf die Patronatspfarrei Wilhermsdorf (Mittelfranken) und endlich im J. 1605 durch den Magistrat von Nürnberg zum Dienst an der Frauenkirche in dieser Reichsstadt berufen. Hier wirkte er noch 17 Jahre und starb am 21. Juni 1622. – In Nürnberg erst gab S. seine „Newe Reyßbeschreibung aus Teutschland nach Constantinopel und Jerusalem“ heraus (erster Druck 1608), dessen Hauptwerth in den der Türkei gewidmeten Capiteln liegt, während der Bericht über die viel kürzere Pilgerreise nur ein unbedeutenderes Anhängsel bildet. Im Zeichnen und Malen bewandert hatte S. viele Porträts, Trachten- und Genrebilder nach Hause gebracht, welche zum Theil in Holzschnitt dem Buche beigegeben werden konnten. Die im Texte hie und da mitgetheilten Proben aus dem türkischen und arabischen Sprachschatz dürfen nicht zu der Ansicht verleiten, als hätte sich S. diese Sprachen vollkommen angeeignet. Und wenn man zuweilen liest, er sei der erste gewesen, welcher den Koran in die deutsche Sprache übertragen habe, so ist wenig darauf zu geben. Es existirt zwar ein Buch: „Alcoranus Mahometicus … in die teutsche Sprach gebracht durch Sal. S.“ Nürnberg 1616. Aber sieht man genauer hin, so ergiebt sich, daß S. bei diesem Werk eine italienische Schrift zu Grund legte, welche nur eine fehlerhafte und unvollständige Wiedergabe des Korans darbot und nicht einmal diese aus dem Original geschöpft hatte. Endlich ist noch ein äußerst seltenes Büchlein zu verzeichnen, dessen Vorrede das Datum trägt: Constantinopel, 1. Jan. 1581. S. hatte oft Berührungen gehabt mit Christen aus aller Herren Ländern, welche in türkische Sclaverei gerathen waren, und dabei gefunden, wie sehr sie religiöser Nahrung entbehrten. Nun übersetzte er für diese Menschenclasse den kleinen Catechismus Luther’s in die unter derselben am meisten verbreitete italienische Sprache, Herzog Ludwig von Württemberg aber beförderte die Schrift zum Druck und schickte viele Exemplare davon nach Constantinopel zur Vertheilung unter die gefangenen Christen. Der Titel lautet: Il catechesimo translatato della lingua todescha in la lingua italiana per Salomon Sveigger Allamagno Wirt. predicatore del Evangelio in Constantinopoli. Tub. 1585.

Schweigger’s Jugendleben und Aufenthalt im Orient schildert Crusius in der Schrift: D. Solomoni Schweigkero Sultzensi … gratulatio scripta a. M. Crusio. Strasb. 1582 (wieder abgedruckt in Mich. Neander, orbis terrae succincta explicatio. Ed. rec. Lips. 1597 p. 461–488), seinen ganzen Lebensgang Will, Nürnbergische Münzbelustigungen 3, 137–144; auch Würfel[WS 2], diptycha capellae S. Mariae (Nürnb. 1761) 31–33 und And. Wegen Wilhermsdorf vgl. Hessisches Hebopfer 3, 715 ff. – Aus Briefen Schweigger’s theilt Crusius in den Annales suevici, der Turcograecia und der Germanograecia manches mit. – Ueber die verschiedenen Drucke der Reisebeschreibung s. Röhricht, Bibl. geogr. Palaest. p. 206 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Theodosios Zygomalas (1544–1607); Notar des Patriarchats von Konstantinopel.
  2. Andreas Würfel (1718–1769), deutscher Geistlicher, Genealoge und Kunsthistoriker