ADB:Schwenter, Daniel

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Artikel „Schwenter, Daniel“ von Moritz Cantor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 413–414, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwenter,_Daniel&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 09:56 Uhr UTC)
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Schwenter: Daniel S., Orientalist und Mathematiker, geb. am 31. Jan. 1585 in Nürnberg, † am 19. Januar 1636 in Altdorf, war der Sohn von Joh. Schwenter, Genanntem des größeren Rathes und Bürgerhauptmann zu Nürnberg. In seinem 10. Lebensjahre wurde S. nach Sulzbach auf die Schule geschickt, wo er im Lateinischen, Griechischen und Hebräischen unterrichtet wurde. Die semitischen Sprachen flößten ihm das meiste Interesse ein, und so setzte er das Studium des Hebräischen, aber auch des Chaldäischen und Syrischen später in Nürnberg unter Elias Hutter (s. A. D. B. XIII, 475–476) fort. Gleichzeitig wandte er sich der Geometrie zu, welche er ohne Anleitung eines Lehrers aus Hirschvogel’s Anweisung von 1543 und Wolfgang Schmid’s aus Bamberg Geometrie von 1539 sich so weit aneignete, daß, als er 1602 die Universität Altdorf bezog, er den Unterricht des dortigen Professors Johann Prätorius, des Erfinders des Meßtisches (s. A. D. B. XXVI, 519–520) mit Vortheil besuchen konnte, und daß er von diesem unterstützt auch die Schriften von Dürer, Vitruvius und Anderen kennen lernte. Schon damals begann er selbst geometrischen Unterricht zu ertheilen unter Zugrundelegung eben der Bücher von Hirschvogel und Schmid, aus welchen er sein Wissen der Hauptsache nach geschöpft hatte, und welche, weil in deutscher Sprache verfaßt, auch von Solchen verstanden werden konnten, die nicht lateinisch geschult waren. Er kehrte nach Nürnberg zurück und vermählte sich 1606, erst 21 Jahre alt, mit Magdalena Fischer. Eine zweite Ehe ging er 1624 mit Maria Gruber ein. Der ersten Ehe entstammten 10, der zweiten 6 Kinder. Im Jahre 1608 siedelte er als Professor des Hebräischen, der sogenannten heiligen Sprache, wieder nach Altdorf über, um dort den Rest seines Lebens zuzubringen. Eine doppelte Berufung, welche 1634 an ihn erging, einmal als Professor der höheren Mathematik nach Wittenberg, das andere Mal nach Würzburg, wo er eine neue Schule ins Leben rufen sollte, schlug er aus. Inzwischen hatte seine wissenschaftliche Stellung sich geändert, seine Lehrthätigkeit sich wesentlich erweitert. Die Magisterwürde erwarb[WS 1] S. 1610. Dann bekam er die Aufsicht über die öffentliche Bibliothek und das Collegium, 1623 war er Rector der Universität. Das Jahr 1625 brachte ihm die Professur der gesammten orientalischen Sprachen, 1628 auch noch die der Mathematik, 1629 wurde er zum Poeten der hebräischen, chaldäischen und syrischen Sprachen ernannt. Die Ueberbürdung mannichfachster Art mag Schwenter’s Gesundheit untergraben haben. Er kränkelte, und als am 19. Januar 1636 seine Gattin bei der Geburt von Zwillingen, deren eines todt zur Welt kam, das Leben einbüßte, ergriff ihn der Verlust so sehr, daß er selbst am gleichen Tage starb. Seine zahlreichen Schriften gehören zum geringeren Theile der orientalischen Philologie, zum größeren Theile der Mathematik an; einiges fällt nun gar in ganz andere Gebiete. So hat S. eine Geheimschrift „Steganologia et steganographia“ unter dem Pseudonym Resene Gibronte Runeclus Huneti drucken lassen, dessen Autornamen selbst ein wenn auch nicht vollständiges Anagramm von Daniel Schuuenterus Norimbergensis darstellt. Ferner hat er ein Lustspiel: „Peter Squenz“ verfaßt, wie wir durch Andreas Gryphius (s. A. D. B. X, 73) wissen. Dasselbe gründet sich auf den Shakespeare’schen Sommernachtstraum, der S. durch die damals in Deutschland herumziehenden englischen Schauspieler bekannt geworden sein wird. Der englischen Sprache war S. jedenfalls so wenig mächtig als der französischen. Gryphius läßt darüber in der Vorrede zu seinem Peter Squenz, der zuerst 1657 gedruckt ward, den fingirten Herausgeber Riesentod sagen: damit der auf den deutschen Bühnen nicht unbekannte Peter Squenz nicht länger auf fremde Namen gehe, so wisse man, daß sein Verfasser kein anderer als der um ganz Deutschland wohlverdiente Daniel S. sei. Dessen Stück sei auch dem Gryphius zu Gesicht gekommen und dieser habe ihn „besser ausgerüstet, mit neuen Personen vermehret und ihm die [414] letzten Strüche seiner Vollkommenheit“ gegeben. Die Schwenter’sche Bearbeitung selbst ist bisher nicht gefunden. Unter den orientalistischen Arbeiten seien mehrere Abhandlungen über die Aussprache bestimmter hebräischer Buchstaben aus den Jahren 1625, 1626, 1627, ein kleines hebräisch-lateinisches Wörterbuch von 1628, arabische, hebräische, chaldäische und syrische Verse genannt, von welchen er viele anfertigte. Der Mathematiker schätzt vorzugsweise folgende Schriften Schwenter’s: „Die Beschreibung des geometrischen Tischleins“, welches Johann Prätorius erfunden (1619), „die Geometria practica nova“ (1625–26), welche das beste derartige Werk genannt zu werden verdient, das im XVII. Jahrhundert erschienen ist, endlich und vor allem die „Deliciae physico-mathematicae oder mathematische und philosophische Erquickstunden“, 1536[WS 2] von Schwenter’s Erben herausgegeben und von Georg Philipp Harsdörfer (s. A. D. B. X, 644–646) fortgesetzt. Ein französischer Jesuit Jean Leurechon, Professor der Theologie, Philosophie und Mathematik im Kloster zu Bar-le-Duc gab 1625 unter dem Pseudonym H. van Etten eine Sammlung von theils alten, theils neuen Aufgaben heraus, welche den Titel führten Récréation mathématique, composée de plusieurs problèmes plaisants et facetieux en fait d’Arithmétique, Géométrie, Mechanique, Optique et autres parties de ces belles sciences. Dieses Buch kam in Schwenter’s Hände als Geschenk eines in Paris gewesenen Freundes. Des Französischen, wie schon gesagt worden ist, nicht mächtig, wandte sich S. an einen „der Französischen Sprach sehr wolerfahrenen Mann“, welcher ihm gegen Bezahlung beistand das Werk zu übersetzen. Außerdem hatte S. seit seiner Jugend für seinen eigenen Gebrauch Aehnliches gesammelt, und nun entschloß er sich, dem Beispiele Leurechon’s zu folgen und seine ungleich vollständigere Sammlung im Drucke herauszugeben. Das ist die Entstehung der Schwenter’schen Erquickstunden. Sie bilden eine Fundgrube geschichtlicher Notizen, welche einer systematischen Ausbeutung noch immer harrt. Den Mathematiker interessirt vornehmlich, daß hier die erste Anwendung von Kettenbrüchen in einem deutschen Werke vorkommt. Der Physiker wird einer Senkwage zur Bestimmung des specifischen Gewichtes von Flüssigkeiten, sowie einer Art von magnetischem Telegraphen seine Aufmerksamkeit zuwenden.

Vgl. Doppelmayr, Nachricht von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern, S. 93–96. – Will, Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon, Bd. III, S. 653–657. – Kästner, Geschichte der Mathematik, Bd. III, S. 299–302. – Poggendorff, Biogr.-literar. Handwörterbuch zur Gesch. d. exacten Wissensch., Bd. II, S. 878. – S. Günther, Beiträge zur Erfindungsgeschichte der Kettenbrüche (Programm der Lateinschule zu Weißenburg i. B. 1872), S. 7–11 und 20–24. – S. Günther, die mathematischen und Naturwissenschaften an der nürnbergischen Universität Altdorf (Separatabdruck aus dem 3. Hefte der Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 1881) S. 25–27.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ewarb
  2. richtig wäre wohl 1636