ADB:Semmig, Friedrich Hermann

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Artikel „Semmig, Friedrich Hermann“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 314–315, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Semmig,_Friedrich_Hermann&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 06:07 Uhr UTC)
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Semmig: Friedrich Hermann S., Schriftsteller und Schulmann, wurde am 23. Juni 1820 zu Döbeln i. S. als Sohn eines Sattlermeisters geboren, dessen günstige Verhältnisse ihm eine sorgenlose, heitere Jugend vergönnten. 1833 trat er in die Oberquarta der Fürstenschule in Grimma ein, die er als primus omnium 1839 mit dem Reifezeugnis wieder verließ. Er wandte sich nach Leipzig, um hier Theologie zu studiren, beschäftigte sich aber auch fleißig mit Geschichte und Philosophie. Letztere, die ihm in der Gestalt der Hegel’schen Lehre entgegentrat, fesselte ihn mehr und mehr so stark, daß sich immer ernstere Zweifel in ihm regten, ob er auch wirklich für den Beruf eines Theologen tauge. Er gab daher nach dreijährigem Studium die Laufbahn eines Geistlichen auf und trat in das historische Seminar des Professors Wachsmuth ein, in der Absicht, sich für den akademischen Beruf vorzubilden. Durch seine Aufnahme in die Burschenschaft im J. 1842 wurde er in das politische Getriebe der damaligen Zeit verwickelt. Er betheiligte sich an der freiheitlichen Bewegung, indem er liberalisirende Gedichte in Herloßsohn’s „Komet“ und Robert Heller’s „Rosen“ sowie in den Hamburger „Jahreszeiten“ erscheinen ließ. Infolge dessen wurde er 1843 in eine Untersuchung wegen Demagogenthums verwickelt und drei Monate lang in strenge Haft genommen. Als die deutschkatholische Bewegung aufkam, schrieb er die Broschüre „Schlesiens Reformirung und Katholisirung“ (1845). Nachdem er im J. 1846 promovirt hatte, verlegte er sich auf das Studium der socialen Frage und beleuchtete in seiner Broschüre „Sächsische Zustände nebst Randglossen und Leuchtkugeln“ (Hamburg 1846) „den Wirrwarr des politischen und religiösen Treibens“ in seinem engeren Vaterlande vom Standpunkt des Socialismus, zu dem er sich offen bekannte. Als Redacteur in Döbeln, Leipzig und Rochlitz setzte er den Kampf für seine Ideen fort. 1848 begründete er in Leipzig den „Demokratischen Verein“, der den in seiner Broschüre: „Was thut Noth und was thut Blum“ (Leipzig 1848) ausgesprochenen Grundgedanken von der Nothwendigkeit socialer Reformen unter Verwerfung des Communismus zu dem seinigen machte, trat aber trotzdem dem von Robert Blum ins Leben gerufenen „Vaterlandsverein“ bei und gab seiner Begeisterung für den hingerichteten Freiheitshelden in dem epischen Gedicht „Robert Blum“ einen beredten Ausdruck. Wegen seiner Betheiligung an dem sächsischen Volksaufstande sah er sich zur Flucht genöthigt. Er rettete sich nach Straßburg und veröffentlichte hier 1849 die Streitschrift: „Handwerk bringt keinen goldenen Boden. Erlebnisse eines Handwerkers“ (Herisau 1849). Doch war seines Bleibens in Straßburg nicht lange. Er wurde von dort verwiesen und führte eine Zeit lang ein wahres Wanderleben, das ihn durch ganz Frankreich umhertrieb und ihn mit den Sitten und Gebräuchen dieses Landes genauer bekannt machte. Die erworbenen Kenntnisse und angestellten Beobachtungen verwerthete er zu Berichten für deutsche Zeitungen. Trotzdem fand er noch Muße, zwei dramatische Arbeiten „Das Lied an die Freude“ und „Freitag“ unter dem Pseudonym Fr. Schmidt erscheinen zu lassen. Im Sommer 1854 gelang es ihm, eine Stelle als Studienaufseher am städtischen Gymnasium zu Quimper zu erhalten. Dann war er Secretär eines jungen Gelehrten in Paris und Hauslehrer bei einer adeligen Familie in der Vendée. Nachdem er 1858 die französische Staatsprüfung abgelegt hatte, erhielt er auf Verwendung des mit ihm befreundeten Historikers Jules Michelet die Stellung eines Lehrers der deutschen Sprache am Staatsgymnasium zu Le Puy in den Sevennen, die er 1860 mit einer ähnlichen in Chambéry vertauschte. Hier schrieb er seine „Geschichte der französischen Literatur im Mittelalter“ (Leipzig 1862), die er Michelet widmete und mit [315] einem offenen Brief an Lamartine begann. Er wollte mit seiner Arbeit in erster Linie der Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland dienen und einem späteren Bündniß die Wege ebenen. Seit dem Herbste 1862 als Gymnasialprofessor in Orléans angestellt, vermählte er sich 1865 mit einer Französin, mit der er in glücklicher Ehe lebte, bis ihn nach Ausbruch des deutsch-französischen Krieges ein Ausweisungsbefehl nöthigte, seine dortigen angenehmen Verhältnisse aufzugeben und nach Deutschland zurückzukehren, obwohl er nicht den mindesten Anlaß zu einem Verdacht gegeben hatte. Es gelang ihm, eine Oberlehrerstelle an der höheren Töchterschule in Leipzig zu erhalten, in der er bis zu seiner Pensionirung im J. 1882 thätig war. Seitdem widmete er sich ausschließlich seinen schriftstellerischen Arbeiten, wobei er sowohl als Litterarhistoriker wie als Dichter und Tagesschriftsteller eine große Fruchtbarkeit entwickelte, ohne mit seinen Arbeiten in weitere Kreise zu dringen. Unter seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen verdient die schon vor seinem Abgang aus dem Amte vollendete „Kultur- und Litteraturgeschichte der Französischen Schweiz und Savoyens in ihrer selbständigen Entwicklung“ (Zürich 1882), eine Frucht seines zweijährigen Aufenthaltes in Savoyen, an erster Stelle genannt zu werden. Als sein bestes poetisches Werk wird das im J. 1876 erschienene „Kind“ bezeichnet. Es ist das Tagebuch eines Vaters, in welchem dieser seine Beobachtungen über die ersten Jahre seiner erstgeborenen Tochter mittheilt. Er starb nach kaum achttägiger Krankheit am 22. Juni 1897 in Leipzig.

Grimmaisches Ecce 1897, 18. Heft. Bearbeitet von Herm. Wunder. Meißen 1897, S. 33–40. – Biograph. Jahrbuch und Deutscher Nekrolog. Hsg. von Anton Bettelheim. Berlin 1898, 2. Bd., S. 89, 90. – Hans Blum, Robert Blum. Leipzig 1878, S. 310 u. 314. – Franz Brümmer, Lexikon d. dtsch. Dichter u. Prosaisten d. 19. Jahrh., 5. Ausg. Leipzig o. J. (1902), S. 75, 76. – Lit. Centralblatt. Leipzig 1882, Sp. 669, 670, 1710.