ADB:Sitzinger, Ulrich

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Artikel „Sitzinger, Ulrich“ von Joh. Schneider. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 424–429, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sitzinger,_Ulrich&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 22:55 Uhr UTC)
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Sitzinger: Ulrich S., Jurist, „einst eine Leuchte des zweibrückischen Staates und ein so bedeutender Mann, daß, wenn man ihn der Wahrheit gemäß loben will, man von ihr abzuweichen scheint“, wurde geboren in Worms am 11. April 1525, erhielt den ersten Unterricht im Lateinischen und Griechischen in seiner Heimath und ward 1538 mit seinem jüngern Bruder, Samuel, zu Joh. Ketzmann nach Nürnberg geschickt. 1544 ging er nach Wittenberg, wo er bis zu Luther’s Tod dessen Predigten und Vorlesungen hörte, sonst aber in innige Beziehung zu Melanchthon trat, an den ihn Veit Dietrich von Nürnberg empfohlen hatte. Ja [425] 1548 trat er ihm auch noch verwandtschaftlich nahe, indem er eine Nichte desselben, eine Tochter des kurfürstlichen Rathes Sebald Münster heirathete. Enge Freundschaft schloß er mit Dav. Chyträus, seinem Biographen (Oratio de U. Sitzingero etc. Witebergae 1580. Darauf ruht die Skizze bei M. Adami Vitae Germanorum jureconsultorum et politicorum. 1706 fol. In dem Exemplar der zweibrücker Bibliothek befinden sich schriftliche Randbemerkungen von G. Ch. Crollis, die derselbe in seinem Commentarius de cancellariis et procancellariis bipontinis 1768 der Skizze des M. Adam beifügt). S. widmete sich zuerst 4 Jahre lang humanistischen Studien, die sich auch auf Mathematik und Astronomie erstreckten, so daß er sich selbst seinen Kalender verfertigte; dann wandte er sich der Jurisprudenz zu, ja er hielt auch wie früher über Dialektik, so jetzt Vorlesungen über Institutionen. Auf den Conventen trug er später ein Buch bei sich, in welchem er sich eigenhändig die Aussprüche Luther’s und anderer Theologen über die streitigen Lehrpunkte zusammengestellt hatte. Nachdem S. im Februar 1551 noch die Würde eines Doctor juris erhalten hatte, begab er sich in seine Heimath, aber nach kurzer Rechtspraxis berief ihn Herzog Wolfgang von Zweibrücken am 4. August zum Rath und am Ende jenes Jahres siedelte er nach der Residenz Zweibrücken über. Wolfgang war inzwischen als Statthalter des Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz nach der Oberpfalz gezogen und übertrug die Regierung seines Herzogthums einigen Räthen. Als König Heinrich II. von Frankreich 1552 nach der Einnahme von Metz mit seinem Heere bis nach Zweibrücken vordrang, empfing ihn S. im Namen des Herzogs mit einer glänzenden lateinischen Rede; sonst bediente sich der Herzog seiner besonders in den Streitigkeiten mit andern Fürsten sowie zu Gesandtschaften. Dadurch wurde er mit vielen Fürsten bekannt, die ihm ehrenvolle Beweise ihrer Huld zu theil werden ließen. Karl V. erhob ihn in den Adelstand, – er nannte sich daher auch „ab Holenstein“, einer Burg in der Oberpfalz, – und ernannte ihn zum kaiserlichen Pfalzgrafen; Ferdinand I. und Maximilian II. ernannten ihn zum kaiserlichen Rath, von Herzog Christoph von Württemberg erhielt er ein Gehalt. Er unterhielt einen Briefwechsel mit ausgezeichneten Männern; eine Auswahl von Briefen, deren sich im vorigen Jahrhundert noch viele in Sulzbach befanden, veröffentlichte Crollius in dem obengenannten Commentarius. – Herzog Wolfgang ernannte 1555 den S. nach der Rückkehr von dem Reichstage zu Augsburg zum Kanzler, welches Amt er, als Wolfgang 1558 die selbständige Regierung von Neuburg antrat, mit der Kanzlerwürde dieses Fürstenthums vertauschte. Noch im Jahre 1555 begann er eines der wichtigsten Werke seines Lebens, die zweibrückische Kirchenordnung, die auch anderwärts eingeführt oder wenigstens benützt wurde. Sie ist hauptsächlich aus der mecklenburgischen und der neuburgischen K.-O. von 1554 sowie aus Stücken des Agendenbüchleins V. Dietrich’s, der Schwäbisch-Haller K.-O. und ältern zweibrückischen Anordnungen zusammengestellt und wurde am 10. März 1556 von S. vollendet, und nach den eingeholten Gutachten von Melanchthon und Brenz veröffentlicht. (Vgl. des Verf. Aufsatz in der Zeitschrift für Kirchenrecht XIX (N. F. IV), S. 440 ff.) Damit entsprach Wolfgang einem Beschluß der Frankfurter Zusammenkunft von 1557, „das uff künftige Zusammenkunft (Colloquium in Worms) ein jeglicher Stand sein Kirchenordnung, ob er einiche hette, schriftlich mit sich bringen oder uberschicken solle“ (v. Buchholtz, Ferdinand I, Bd. IX, 570). – Beim Convent zu Naumburg 1554 schrieb S. an Melanchthon, daß Herzog Wolfgang keine Gesandten habe schicken können (Corpus Reff. VIII, 251), aber dem Religionsgespräch in Worms 1557 wohnte S. bei (Corpus Reff. IX, 109) und sah die Schuld des Abbruchs der Verhandlungen in den Jenaer Theologen, die andere als die vorherbestimmten [426] Fragen vorbrachten (vergl. den im Corp. Reff. nicht enthaltenen Brief an Melanchthon vom 21. October 1557 bei Crollius l. c. p. 159 sqq.; Salig, Historie der Augsburger Confession III, 268, 273, 712 ff.). Er sprach gegen Melanchthon den Wunsch aus, dieser möge mit Brenz und andern eine Zusammenkunft vorbereiten und an der Einigkeit der Evangelischen arbeiten, denn wenn sie jetzt nicht zustande komme, werde man später vielleicht keine Gelegenheit dazu haben. – Die Kirchenordnung erschien 1557 und zu ihrer Einführung wurde 1558 auf Sitzinger’s Rath eine Kirchenvisitation vorgenommen, an der er jedoch nicht selbst theilgenommen zu haben scheint (vergl. Stoff … einer pfalzzweybr. Kirchengeschichte II, S. 10. 65. 102). Ganz besondere Aufmerksamkeit wendete er dem Schulwesen zu. Er veranlaßte den Herzog nicht bloß in den Städten und größeren Dörfern Schulen zu errichten für den Elementarunterricht und zur Pflege des Kirchengesangs, sondern rieth ihm auch, die Klöster zu reformiren und ihre Einkünfte für höhere Schulen zu verwenden. So wurden 2 Gymnasien ins Leben gerufen: für das Herzogthum Zweibrücken Hornbach, für Neuburg Lauingen. Für jenes empfahl er 1558 als Rector den Immanuel Tremellius, der 1554 auf seinen Rath zum Erzieher der fürstlichen Kinder berufen worden war (W. Faber, Imm. Tremellius. 1891. S. 28); und auch für dieses war er bemüht, tüchtige Männer zu finden (Crollius l. c. p. 186. 187. 189). Für Studirende wurden Universitätsstipendien gestiftet; S. empfahl für ein solches den Pantaleon Candidus, den spätern Generalsuperintendenten von Zweibrücken, der ihm dafür 1570 sein carminum sacrorum liber widmete (Loci theologici. Basil. 1570 p. 121–159), beginnend mit den Worten: Sizingere, uirûm decus bonorum (vgl. Herzog-Plitt, Real-Encyclop. III, 126). – Die Höhe seiner Wirksamkeit erreichte S. 1558 auf der in Frankfurt gehaltenen Zusammenkunft evangelischer Fürsten und Gesandten, wo man eine Einigung der streitenden Parteien zu Stande bringen wollte. S. war es, der auf Grund eines von Melanchthon eingeschickten Gutachtens den Frankfurter Receß verfaßte (Corp. Reff. IX, 489–507 nebst Bretschneider’s Vorbemerkung). Aber das Einigungswerk scheiterte an dem Widerstande Johann Friedrich’s von Sachsen und der Gnesiolutheraner (vgl. H. Heppe, Geschichte des deutschen Protestantismus I, 266 ff. Calinich, der Naumburger Fürstentag S. 2). Herzog Wolfgang setzte in Verein mit Landgraf Philipp und Herzog Christoph von Württemberg seine Bemühungen um Herbeiführung einer Einigung fort. – Im Jahre 1559 nahm S. Theil an dem Reichstag in Augsburg. Anfangs für denselben bestimmt, kehrte er infolge des Todes Kurfürst Ottheinrich’s (12. Februar 1559) nach Neuburg zurück, erschien dann aber wieder in Augsburg, „um des Fürstenthums Neuburg halben allerlei Aufmerkens zu haben“, weil man argwöhnte, Herzog Albrecht von Baiern habe es auf dieses Fürstenthum abgesehen (A. Kluckhohn, Briefe Friedrichs des Frommen I, 4. 6). S. klagte über die Erfolglosigkeit des Reichstags. Doch wurden die Streitigkeiten mit dem Herzog von Baiern durch einen Vergleich gütlich beigelegt (Crollius p. 163). Herzog Wolfgang unterstützte in diesem Jahre auch die in Trier durch Olevianus entstandene evangelische Bewegung und schickte seinen Superintendenten Kunemann Flinsbach dorthin. S. rieth diesem von Neuburg aus, die Evangelischen zur Standhaftigkeit, die Gegenpartei zur Duldsamkeit, beide zum Frieden zu ermahnen und bittet den Superintendenten, mehr auf das Gebet und Gottes Hilfe als auf menschlichen Schutz zu vertrauen (Crollius p. 165; vgl. K. Sudhoff, Olevianus und Ursinus S. 25–58). Die Bewegung wurde unterdrückt. – S. wurde, um eine neue Zusammenkunft der Fürsten zu Stande zu bringen, mit den Gesandten von Württemberg und Hessen im Februar 1560 an den Kurfüsten von Sachsen geschickt, der aber eine ablehnende Antwort gab. Doch kam nach unendlichen [427] Correspondenzen und persönlichen Unterhandlungen im Januar 1561 der Fürstentag zu Naumburg zustande, zu welchem S. seinen Fürsten begleitete (Hönn, Historia des 1561 zu Naumburg gehaltenen Convents. 1704. S. 32 u. a.). Dort traf er auch seinen alten Freund Chyträus. Der Frankfurter Receß wurde zwar theilweise wörtlich wiederholt, aber noch einmal und nun endgiltig scheiterten die Einigungsbestrebungen an dem Widerstande Johann Friedrich’s von Sachsen. Die Fürsten setzten zwar ihre Bemühungen, die Stände und Städte zu gewinnen, fort, Wolfgang besonders bei den oberdeutschen Städten. S. wurde nach Nürnberg geschickt, wo er Freunde hatte, und es gelang ihm die Stadt, obwohl sie ihren streng lutherischen Standpunkt wahrte, zur Unterschrift zu bewegen. (Calinich 248). Zu der Conferenz in Erfurt kam S. erst am Schluß und unterschrieb den Abschied, worin die Evangelischen das päpstliche Concil recusirten und an ein allgemeines, freies, christliches und unparteiisches Concil in deutscher Nation appellirten (Calinich 351. Heppe 421 ff. und Beil. 142 ff.).

Schüler und Freunde Melanchthon’s waren es überwiegend, welche bisher in dem Herzogthum Zweibrücken gewirkt hatten. Aber Herzog Wolfgang ging nach und nach zu einem entschiedenern lutherischen Standpunkt über, wozu insbesondere der Gegensatz zu dem Kurfürsten Friedrich von der Pfalz beitrug; und auch ein so angesehener Mann wie der Kanzler vermochte schließlich nicht mehr den Niedergang des Melanchthonismus aufzuhalten, mußte vielmehr selbst weichen. Konrad Marius, der Nachfolger des Tremellius als Prinzenerzieher, klagte diesen an, daß er seinen Zöglingen die Lehre Calvin’s eingeprägt habe. Tremellius wurde 1560 seines Amtes entsetzt und sogar eine Zeitlang ins Gefängniß geworfen (Faber a. a. O. S. 31. – Herzog-Plitt, Real-Encyclop. XVI, 2). Aber im folgenden Jahre traf den Marius dasselbe Schicksal, er ging nach Heidelberg und ward von Friedrich III. aufgenommen. Es scheint, daß sich Marius auf S. berief, und dieser gerieth dadurch in den Verdacht, daß er von der Augsburger Confession abweiche und ein heimlicher Calvinist sei. S. spricht davon in einem Brief vom 7. August 1561 (Croll. p. 168) an den Hofprediger Maximilian’s II., Sebast. Pfauser, den sein Herr nach Neuburg geschickt hatte, wo er 1560 der Kirchenvisitation beiwohnte und dann noch längere Zeit blieb. Marbach, Andreä, Köteritz und andere streng gesinnte Lutheraner hatten jetzt Einfluß. So ist es kein Wunder, daß dem Anhänger Melanchthon’s der Aufenthalt am Hof verleidete. Am 1. Nov. 1561 schreibt er an Vergerius (Crollius p. 176): „Ich bin vom Hofe geschieden.“ Herzog Wolfgang machte ihn zum Landrichter und Pfleger in Sulzbach in der Oberpfalz. Am 14. Mai 1562 schreibt er an Peucer, er habe schon lange Gelegenheit gesucht, den Hof zu verlassen, endlich habe ihm der Fürst dieses Amt übertragen. Er wünsche von Hofgeschäften ganz frei zu sein, müsse aber nun an beiden Orten (Sulzbach und Neuburg) thätig sein und werde zu seiner Beschwerde oft zu Hofgeschäften erfordert (Crollius p. 181). Ein thatsächlicher Beweis, daß ihm der Herzog in weltlichen Angelegenheiten noch immer sein Vertrauen schenkte, ist auch der Umstand, daß ihm derselbe den Entwurf zu seinem Testamente 1561 zuschickte, den S. bearbeitete; besonders theilte er dem Herzog seine Meinung über die Succession mit. Dieses Testament ist in staatsrechtlicher Beziehung für Baiern von außerordentlicher Wichtigkeit geworden (Schlichtegroll, Herzog Wolfgang von Zweibrücken und Neuburg. S. 131). S. betheiligte sich an den Verhandlungen mit dem päpstlichen Legaten Delphinus; und am 14. November 1561 war er wieder in Neuburg, als Herzog Albrecht von Baiern der Taufe der Prinzessin Marie Elisabeth beiwohnte und andächtig einer Predigt Pfauser’s zuhörte. An Versuchen, ihn für andere Stellungen zu gewinnen, fehlte es nicht. Heinzel und Rechlinger hätten ihn gern als Syndikus nach Augsburg berufen; aber er wollte sich dem [428] Dienste seines Fürsten nicht entziehen und hatte auch Bedenken in kirchlicher Hinsicht. Ebenso bot ihm Herzog Albrecht von Mecklenburg, den er bei der Königskrönung Maximilian’s II. in Frankfurt 1562 kennen lernte, einen sehr ansehnlichen Gehalt an, wenn er einige Jahre in seinen Dienst treten wolle. Die weite Entfernung, die Abneigung gegen den Hofdienst hielt ihn ab, das Anerbieten anzunehmen. Seine Hoffnung, in Sulzbach mehr Ruhe zu finden, ging nicht in Erfüllung; immer wieder wurde der geschäftsgewandte S. auf Reisen dahin und dorthin geschickt oder bei andern Geschäften verwendet, wobei er doch klagen mußte, daß eine Aenderung der Gesinnung gegen ihn eingetreten sei, und sich sehnte, frei zu werden von einer zwölfjährigen Sisyphusarbeit. Er hätte Neigung gehabt, sich in Augsburg als Privatmann niederzulassen (Crollius p. 190). – Im December 1562 verhandelte S. mit den Gesandten der Königin Elisabeth von England. Wolfgang hatte damals den Wunsch, seinen Sohn Philipp Ludwig an den Hof der Königin zu schicken (Kluckhohn a. a. O. I, 362). Im Jahr 1564 suchte der Herzog auf dem Deputationstage in Worms die Einwilligung des Kurfürsten Friedrich zur Errichtung neuer Zölle zu erlangen, ein Plan, den er schon seit 1559 verfolgte trotz der eindringlichen Gegenvorstellungen seines Kanzlers U. S. und obwohl er 1562 auf dem Frankfurter Kurfürstentag damit abgewiesen worden war (Kluckhohn I, 494). Seine kirchliche Stellung war eine vermittelnde. Nach dem Naumburger Fürstentag schreibt er am 10. März 1561 an einen Nürnberger, vielleicht Hieronymus Baumgärtner (Crollius p. 172 ff.), es sei eine Verleumdung, daß man den Unterzeichnern des Abschieds einen Abfall von der früheren (Augsburg.) Confession schuldgebe. Trotz der Streitigkeiten zwischen den Evangelischen bestehe doch bei vielen ein Consensus besonders in dem Fundament und den Hauptartikeln. Allerdings sei man mißtrauisch gegen solche, welche die Augsburger Confession anders verstünden, aber Kurfürst Friedrich billige den wahren Verstand derselben und der Apologie und zeige in öffentlicher und privater Rede, daß er so denke. Es sei besser, ihn in den Grenzen der Confession zu behalten, als ihn von sich zu stoßen und den Zwiespalt zu vergrößern. Trotzdem war S. mit den Maßregeln Friedrich’s nicht einverstanden, noch weniger mit seinen Theologen. Er verkehrte viel mit dem von Friedrich vertriebenen Unicornius, lobt ihn bei Pfauser und schlägt ihn zum Professor in Lauingen vor (Crollius p. 183); ebenso empfiehlt er ihn dem Bürgermeister Heinzel in Augsburg. Unicornius habe eine Schrift gegen die „Delirien Boquins“ und zur Vertheidigung der Augsburger Confession geschrieben (Crollius p. 185). Freilich klagt S. auch, daß die Geschäfte jetzt weniger nach seinem Rath und Sinn verwaltet würden, ja auch über ungerechte Ausstreuungen gewisser Leute. Herzog Wolfgang hatte 1565 den Heshusius berufen; S. hatte ihn schon in Heidelberg kennen lernen und nennt ihn einen gelehrten und geistvollen Mann, aber er sei zu bitter gegen Melanchthon. Sitzinger’s Hoffnung, daß Heshusius bei zunehmendem Alter milder geworden sei, war grundlos (Crollius p. 194 ff.). Beide Männer begleiteten 1566 den Herzog Wolfgang zu dem Reichstag nach Augsburg, wo bekanntlich Wolfgang aufs schärfste gegen Friedrich von der Pfalz auftrat, ein Zeichen, daß nicht S., sondern Heshusius mehr Einfluß auf ihn übte. – Aus den folgenden Jahren besitzen wir nur sehr wenig Nachrichten über S.; doch sieht man, daß ihn Herzog Wolfgang noch immer zu politischen Geschäften verwandte, z. B. 1573 in Wien (Crollius p. 205). Schon einige Jahre trug er den Keim einer tödlichen Krankheit in sich, und dies steigerte sich durch den Dienst, den er dem neuen Herzog Philipp Ludwig bei seiner Vermählung mit der Prinzessin Anna von Jülich im September 1574 leistete. Wenige Tage nach seiner Rückkehr starb er am 31. October 1574 in seiner Burg Holenstein, nachdem er sich Tags vorher bei Tisch noch [429] heiter unterhalten und noch vier Stunden vor seinem Tode den 30. Psalm wiederholt hatte. Er fand seine letzte Ruhestätte in der Kirchhofscapelle zu Sulzbach. Seine Biographen rühmen seine Wahrhaftigkeit und Freimüthigkeit, seine Unbestechlichkeit, Friedensliebe und Frömmigkeit. Er besuchte mit seiner Familie nicht nur die ordentlichen Gottesdienste, sondern auch die Morgen- und Abendbetstunden und versäumte selbst auf Reisen nicht das Gebet und Bibellesen. – Seine erste Gattin starb 1567 während seiner Abwesenheit auf dem Reichstage; 1569 vermählte er sich zum zweiten Male mit Helene Meichsner, der Wittwe des pfälzischen Rathes Hektor Hegner v. Altenweier.

Joh. Schneider.