ADB:Steitz, Georg Eduard

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Steitz, Georg Eduard“ von Hermann Dechent in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 27–29, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steitz,_Georg_Eduard&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 07:06 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Steinwich, Lambert
Nächster>>>
Steitz, Georg
Band 36 (1893), S. 27–29 (Quelle).
Georg Eduard Steitz bei Wikisource
Georg Eduard Steitz in der Wikipedia
Georg Eduard Steitz in Wikidata
GND-Nummer 117264563
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|36|27|29|Steitz, Georg Eduard|Hermann Dechent|ADB:Steitz, Georg Eduard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117264563}}    

Steitz: Georg Eduard St., D. theol., lutherischer Theologe, geboren am 25. Juli 1810 zu Frankfurt und daselbst † am 19. Januar 1879 als Senior der lutherischen Geistlichkeit, verdient eine Erwähnung nicht nur wegen seiner gründlichen Arbeiten auf seinem Fachgebiete, sondern auch wegen seiner sonstigen Thätigkeit auf dem Gebiete der Geschichte und speciell der Biographie. Durch die alten Beziehungen seiner Familie zu seiner Vaterstadt, in der seine Vorfahren seit lange ansässig gewesen waren, wurde frühe sein Interesse für die Vergangenheit Frankfurts erweckt, wie er es nachmals in einer reichen Fülle von Abhandlungen zur Localgeschichte bethätigt hat. Durch seine Mutter, deren Leben, wie er einmal schrieb, „ein begeisterter Ausblick zum Himmel und ein Hauch der reinsten, zartesten Liebe“ war, wurde sein inneres Leben in segensreicher Weise gefördert. Gegen den ursprünglichen Wunsch der Eltern widmete er sich nicht, wie der Vater, dem kaufmännischen Berufe, sondern besuchte von 1825 an das Gymnasium, um sich auf eine gelehrte Laufbahn vorzubereiten. Seine Studien absolvirte er seit Herbst 1829 zu Tübingen, wo ihn besonders der berühmte Kritiker Christian Ferdinand Baur und der geistreiche Philologe Tafel anzogen, und zu Bonn (seit 1831), wo die beiden Vertreter einer vermittelnd theologischen Richtung, Karl Immanuel Nitzsch und Bleek, entscheidenden Einfluß auf ihn gewannen. Ostern 1833 kehrte er nach der Vaterstadt zurück, legte aber zunächst kein Examen ab, sondern wirkte 1834–1839 als Pädagoge in der Lehranstalt eines Freundes, wobei es ihm gelang, sich die Liebe seiner Schüler im hohen Maße zu erwerben. Erst 1840 bestand er die erste theologische Prüfung, womit sich seine Berufswahl endgültig entschied, und nach [28] einem längeren Aufenthalt in Italien unterzog er sich 1842 dem zweiten Examen, welchem die Anstellung unerwartet schnell folgte. Noch im December dieses Jahres wurde er Pfarrer in Sachsenhausen, und nach einem Jahre schon siedelte er nach Frankfurt über, an die St. Paulskirche, von wo er später zur Nikolaikirche überging. Im J. 1873 wurde er Consistorialrath, und bald darauf Senior der lutherischen Geistlichkeit, welche Würde er bis zu seinem Ende mit großer Pflichttreue und Umsicht bekleidet hat. Nach längeren Leiden ward er am 19. Januar 1879 abgerufen.

Selten hat wohl ein nicht im akademischen Amte stehender Theologe eine so reiche Fülle von wissenschaftlichen Abhandlungen geliefert. Es ist dies um so beachtenswerther, weil er erst ziemlich spät seine schriftstellerische Thätigkeit begonnen hat. Die erste Schrift, welche er erscheinen ließ, war das Lebensbild eines seiner Vorfahren: „Der lutherische Prädikant Hartmann Beyer, ein Zeitbild aus Frankfurts Kirchengeschichte im Jahrhundert der Reformation“ (Frankfurt a. M., Brönner, I. Abth. 1847, II. 1852). Diese Schrift weist bereits die Vorzüge seiner historischen Arbeit auf, nämlich gründliche Durchforschung des actenmäßigen Befunds und dabei eine feine und anziehende Darstellung. Nachdem er mit diesem Erstlingsversuche erfolgreich das Gebiet der Reformationsgeschichte betreten, ließ er im Laufe der Zeit mehrere Abhandlungen über dieselbe Zeit folgen, welche, wenn auch zunächst für die Localgeschichte bedeutsam, doch ein darüber hinausgehendes Interesse beanspruchen dürfen. Aus diesen meist in den Vereinsschriften des Frankfurter Alterthumsvereins, zum Theil auch separat erschienenen Aufsätzen heben wir hervor die Biographien von Wilhelm Nesen und Gerhard Westerburg, sowie die Melanchthon- und Lutherherbergen in Frankfurt. Auch einige Urkunden hat er herausgegeben und erläutert, so die Chroniken der beiden Frankfurter Bernhard und Job Rohrbach, das Frankfurter Aufruhrbuch und das Tagebuch des Kanonikus Königstein vom Liebfrauenstift. Weniger hat St. sich mit der Frankfurter Localgeschichte im 17. und 18. Jahrhundert beschäftigt, doch versetzen uns einige Arbeiten auch in diese Zeit. Dem 19. Jahrhundert gehören an die Lebensbilder von Staatsrath Steitz und Pfarrer Anton Kirchner, die zu ihm in persönlichen Beziehungen gestanden hatten. Für die A. D. B. hat er mehrere Biographien von Frankfurter Theologen (Fresenius u. A.) geliefert.

Wenn diese Arbeiten alle sich durch eine objective und durchaus vornehme Haltung auszeichnen, so läßt sich doch daraus nicht etwa schließen, daß St. den brennenden Fragen seiner Zeit gleichgültig gegenüber gestanden habe. Er hat sich sogar mehrere Jahre hindurch eingehend mit Polemik beschäftigt. Den Anlaß dazu bildeten die 1852 in Frankfurt, wie an vielen anderen Orten gehaltenen Jesuitenpredigten, welche selbst auf protestantische Zuhörer des Eindrucks nicht ganz verfehlten. Eine Broschüre gegen Pater Roh „Wie beweisen die Jesuiten die Nothwendigkeit der Ohrenbeichte?“ wurde sehr günstig aufgenommen, rief aber auch Entgegnungen von katholischer Seite (Brüll und Michaelis) hervor. Besonders die Gegenschrift des gelehrten Paderborner Professors Michaelis bewog St. zu gründlichen Studien über die Beichte, welche er in der Schrift „Das römische Bußsacrament“ (Frankfurt, Voelcker, 1854) niederlegte. Gleichfalls auf einen praktischen Anlaß zurückzuführen ist die Schrift „Die Privatbeichte und Privatabsolution der lutherischen Kirche“ (Frankfurt, Voelcker, 1854), worin er sich gegen die neulutherische Richtung wendet. In Anerkennung seiner Verdienste wurde er von der Heidelberger theologischen Facultät zum Doctor der Theologie ernannt. Das Erscheinen der von Dr. Herzog herausgegebenen theologischen Realencyklopädie gab ihm Anlaß, seine Untersuchungen über die Sacramente in einer Anzahl größerer Artikel niederzulegen; doch zieren das Werk noch außerdem Abhandlungen anderer Art, über Maria, den Jesuitenorden, [29] Geschichte der christlichen Feste u. s. f. In das Gebiet der Sacramente fällt auch ein Aufsatz in den Jahrbüchern für deutsche Theologie (1864–1868) „Die Abendmahlslehre in der griechischen Kirche“, vielleicht die größte Monographie, die in einer deutschen theologischen Zeitschrift erschienen ist, sowie über „Die Bußdisciplin in der morgenländischen Kirche in den drei ersten Jahrhunderten“ (Jahrb. 1863) und zwei Abhandlungen über die Schlüsselgewalt.

Auch in der neutestamentlichen Einleitung hat St. mitgearbeitet. Hierher gehören einige Aufsätze, in denen er die Echtheit des Johannes-Evangeliums gegen die Tübinger Schule zu vertheidigen sucht. Theils handelte es sich dabei um den Passahstreit des zweiten Jahrhunderts, theils um das sogenannte Selbstzeugniß des Evangelisten (Joh. 19, 35), theils um die Tradition von der Wirksamkeit des Apostels Johannes in Ephesus. In der letzteren Arbeit macht er übrigens den Gegnern der Echtheit das Zugeständniß, daß das Problem noch nicht gelöst sei. In seinen systematischen Arbeiten hat sich St. besonders an Nitzsch angeschlossen, inbezug auf die kritischen Arbeiten theils von der Tübinger Schule, theils von Bleek Anregung empfangen. Einer kirchenpolitischen Partei hat er auf die Dauer nicht angehört.

Genaueres findet sich in der Schrift: Zur Erinnerung an Herrn Senior Dr. theol. Georg Eduard Steitz, welche die Grabrede seines Collegen Jung und eine Erinnerungsrede des Unterzeichneten im Alterthumsverein enthält (Frankfurt, Alt u. Neumann, 1879); ferner in dem von mir gelieferten Artikel Steitz in der zweiten Auflage der Herzog’schen Encyklopädie.