ADB:Stralenheim, August Freiherr von

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Artikel „Stralenheim, August Freiherr von“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 495–496, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stralenheim,_August_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 09:25 Uhr UTC)
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Stralenheim: Karl Wilhelm August Freiherr v. St., hannoverscher Beamter, geboren zu Imbshausen bei Nordheim am 17. August 1777, † zu Hannover am 19. Mai 1847. Die Familie ist schwedisch-deutschen Ursprungs. Der freiherrliche Stand ist ihr 1696 vom schwedischen Senat beigelegt. Die Kurfürstin Sophie gedenkt in ihren Briefen wiederholt eines schwedischen Gesandten am hannoverschen Hofe, der vorher Kammerherr bei Kurpfalz gewesen war, Henning v. Stralenheim. Seiner Ehe mit einer Freiin v. Hackelberg entstammt die Descendenz, die seit dem Uebergang des Herzogthums Bremen aus dem schwedischen Besitz in den Hannovers hohe Stellungen im Staatsdienst des Kurfürstenthums einnahm, die Besitzungen in der Elbgegend verlor und sich auf das früher Steinberg’sche Rittergut Imbshausen im Göttingischen beschränkte. Der junge St., Sohn des Oberforstmeisters Adolf St. zu Nordheim, studirte in Göttingen von Michaelis 1792 bis Michaelis 1795 die Rechte, wurde 1796 Auditor bei der Justizkanzlei Hannover und schon 1799 Hof- und Kanzleirath in Hannover. 1805 von der Verdenschen Landschaft zum Oberappellationsrath gewählt, gehörte er dem Celler Tribunal bis 1813 an, da er angeblich auf Wunsch Königs Georg III. in der westfälischen Zeit, anstatt sich in das Privatleben zurückzuziehen, sein Amt beibehielt. 1813 wurde er als königl. Commissar nach Osnabrück gesandt, um das neuerworbene Gebiet in Besitz zu nehmen und zu organisiren und entwickelte hier und durch Abschließung von Verträgen mit den Nachbarstaaten zur Ausführung der Wiener Congreßacte eine die Regierung so befriedigende Thätigkeit, daß sie ihm nach seiner Rückkehr die Wahl zwischen fünf damals erledigten höhern Stellen ließ. Er wählte die eines Directors der Justizkanzlei in Göttingen, blieb aber nur von 1817–1819 in diesem Amte und vertauschte es mit dem eines Vicepräsidenten, 1820 eines Präsidenten des Oberappellationsgerichts. Nach dem Tode des Ministers v. d. Decken (siehe A. D. B. V, 1) wurde St. 1828 Staats- und Cabinetsminister und hatte die beiden Ressorts der Justiz und des Cultus zu verwalten. In das damit zusammenhängende Curatorium der Universität Göttingen theilte er sich mit dem Freiherrn v. Arnswaldt (s. A. D. B. I, 598), der zwar 1828 seine Entlassung als Minister genommen hatte, aber die Curatorialgeschäfte bis Anfang 1838 beibehielt. In der Zeit bis 1837 war St. eigentlich der erste Minister des Landes. Der Schwerpunkt seiner Thätigkeit lag in dem Gebiete der Unterrichtsverwaltung. [496] Unterstützt von ausgezeichneten Persönlichkeiten, wie dem spätern Geh. Cabinetsrath Hoppenstedt, der 1824–47 General-Secretär des Ministeriums war (s. A. D. B. XIII, 116), hat seine Verwaltung große Erfolge aufzuweisen. 1829 wurde das gelehrte Schulwesen neu geordnet, Maturitäts- und Lehrerprüfungen eingeführt und 1830 das Oberschulcollegium geschaffen, in das Männer wie Pertz und der aus Westfalen in seine Heimath zurückkehrende Fr. Kohlrausch (s. A. D. B. XVI, 451) berufen wurden. Nicht zum wenigsten hatte sich Göttingen der Fürsorge des Ministers zu erfreuen. Schon von früher her bestanden Beziehungen zur Universität. 1818 war St. von der juristischen Facultät zum Ehrendoctor, 1830 von der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zum ordentlichen Mitgliede ernannt worden. Nach dem Aufstande von 1831 haben die Maßnahmen seines Ministeriums wesentlich zur Beruhigung der Gemüther und zur Hebung der Universität beigetragen. Unter seinem Ministerium hat die Universität die ausgezeichnetsten Lehrer gewonnen aber – auch wieder verloren. Selbst diejenigen, die des Ministers Pflichttreue, Gerechtigkeitsliebe, sein Vertrauen auf das Bessere im Menschen rühmen, können seinen Mangel an höhern staatsmännischen Einsichten und an Energie nicht bestreiten. Einer Persönlichkeit von der Kraft Ernst August’s vermochte er nicht Stand zu halten. Die Scene, die während der Göttinger Jubiläumstage in Dahlmann’s Hause spielte, ließ voraussehen, wie sich dieser Mitarbeiter am Staatsgrundgesetz, der noch eben wetteifernd von Stadt und Universität geehrt war, in dem Conflict zwischen dem Recht des Landes und der Willkür des Landesherrn benehmen würde. Gefügig ließ er alles über sich ergehen. Was Schele und Leist zur Durchführung der königlichen Befehle anordneten, vollzog er. Die Degradation, die allen Ministern widerfuhr, machte er mit durch: nur als Justizminister hatte er noch unmittelbaren Vortrag beim Könige, als Cultusminister dem Cabinet zu referiren. Das Recht Rescripte kraft besonderer königlicher Vollmacht zu erlassen, war ihm entzogen. Ueber die bloß passive Rolle ging er hinaus, wenn er in der Zeit des Kampfes um das Staatsgrundgesetz wiederholt in Göttingen erschien, um auf die ständischen Wahlen der Universität einzuwirken und zugleich ihren Mitgliedern die Enthaltung von der Politik als höchste Weisheit zu predigen. Auf dem Gebiete der Justizverwaltung hat das Ministerium Stralenheim wenig Erfolge zu verzeichnen: für die Candidaten der Advocatur wurde eine dreijährige praktische Thätigkeit und eine Prüfung beim Oberappellationsgerichte eingeführt, 1836 ein Lehnsallodificationsgesetz, 1847 ein Gesetz die Beschränkung des befreiten Gerichtsstandes betr. und die Civilproceßordnung erlassen, Gesetze, die meistens sehr bald durch die Zeit überholt worden sind.

Pütter-Oesterley, Gött. Gel.-Gesch. IV, 39. – Neuer Nekrolog der Deutschen, Jahrg. 25 (1847) I, Nr. 124, S. 352 ff. – Bodemann, Briefe der Kurf. Sophie (1888), S. 196. – v. Knesebeck, Histor. Taschenbuch des Adels im Kgr. Hannover (1840), S. 277. – Springer, Dahlmann I, 423. – Ippel, Briefwechsel zwischen J. u. W. Grimm, Dahlmann und Gervinus Bd. I, 222, 253, 299, 345 ff., 381 ff., 436 ff.; Bd. II, 147. – Kohlrausch, Erinnerungen S. 316.