ADB:Theda Ukena

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Artikel „Theda, Gräfin von Ostfriesland“ von Paul Wagner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 666–668, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Theda_Ukena&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 17:39 Uhr UTC)
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Theda, Gräfin von Ostfriesland und Regentin dieses Landes nach dem Tode ihres Gemahls Ulrich, mag um 1430 geboren sein. Eine Tochter des Uko Focken von Oldersum und der Heba von Dornum, war sie Enkelin des in der ostfriesischen Geschichte viel genannten Focko Ukena, jenes Häuptlings von Leer, der eine Zeit lang berufen schien, in dem von Parteikämpfen zerrütteten Lande eine einheitliche, feste Gewalt zu begründen, der aber, als er hierbei die Mißstimmung aller erregte, gestürzt wurde und diese Aufgabe einem glücklicheren Nebenbuhler, jenem Gemahl Theda’s, überlassen mußte. Aus dem wenig bedeutenden Häuptlingsgeschlechte der Cirksena von Greetsiel stammend, gelangte Ulrich infolge glücklicher Umstände und persönlicher Eigenschaften zur Herrschaft über Ostfriesland und wußte sich darin durch sein vorsichtiges, kluges Verhalten dauernd zu befestigen, namentlich indem er bemüht war, seine Gegner zu versöhnen und für den auf gewaltsamem Wege erworbenen Besitz nachträgliche Rechtsansprüche zu erwerben. Auch seine Ehe mit Theda mag diesem Bestreben entsprungen sein, denn durch sie gewann er ein unbestreitbares Anrecht an das Ukenasche Hausgut. Zwar war er mit ihr entfernt verwandt, doch Papst Nicolaus ertheilte 1454 Dispens, und die Vermählung fand 1455 statt. Als Ulrich 1464 sein Herrschaftsgebiet von Kaiser Friedrich III. als Grafschaft des Reichs zu Lehn nahm, erwarb seine Gemahlin damit Rang und Titel einer Gräfin von Ostfriesland. Schon zwei Jahre später (1466) starb der Graf, und Theda mußte nunmehr für ihre unmündigen Kinder die vormundschaftliche Regierung antreten. Mehr als zwei Jahrzehnte hat sie sich dieser Aufgabe mit solcher Umsicht und Thatkraft unterzogen, daß sie ihren Söhnen das Erbe des Vaters nicht nur ungeschmälert, sondern vermehrt übergeben konnte, trotzdem sie es in unablässigen Fehden gegen ihre Nachbarn zu vertheidigen hatte. Darin liegt die Bedeutung ihrer Regierung und das Verdienst, das sie sich um ihr Haus erwarb, ein Verdienst, das in ihrem Lande jederzeit allgemeine Anerkennung gefunden hat; und wenn es den Anschein gewinnt, als ob sie, von der vorsichtigen Politik ihres Gemahls abweichend, zur Erweiterung der Macht des Hauses Cirksena sich Ziele steckte, die ihrer Unternehmungslust größere Ehre machen, als ihrer Einsicht und der richtigen Beurtheilung ihrer Kräfte, so liegt auch darin ein Zeichen ihres fast männlichen Muthes und ihrer seltenen Thatkraft. Es kam ihr zu statten, daß sie, so weit wir sehen, mit innerem Widerstande nicht zu kämpfen hatte, da mächtige Häuptlingsgeschlechter, die ihr gefährlich werden konnten, nicht mehr vorhanden waren, und andererseits das Bestehen einer festen Regierungsgewalt zu ruhigeren Verhältnissen im Lande geführt hatte. Daß sich Th. um die innere Verwaltung besondere Verdienste erworben hätte, außer etwa durch eine Reihe von Verbesserungen im Deichrecht, ist nicht bekannt; um so mehr beschäftigten sie auswärtige Angelegenheiten. Ihr Hauptgegner, der unruhige, fehdelustige Graf Gerhard von Oldenburg war, wie schon zu Ulrich’s Zeiten, bemüht, seine Herrschaft mit Theilen von Ostfriesland zu vergrößern und fand einen Bundesgenossen dabei in dem Häuptling Sirk von Friedeburg. Da er nicht nur Th. sondern auch die Häuptlinge Ostringens, Rüstringens und Butjadingens bedrohte und das Erzstift Bremen durch seine häufigen Einfälle beunruhigte, so schloß die Gräfin erst mit jenen (1473), dann auch mit dem Bischof Heinrich von Münster als Administrator des Erzstifts (1474) Bündnisse ab. Mit vereinten Kräften wurde Gerhard angegriffen, in Oldenburg eingeschlossen, und fremder Vermittelung dankte er seine Befreiung. Um auch seinerseits Unterstützung zu gewinnen, wandte er sich an Karl den Kühnen von Burgund. In den Plänen des Herzogs lag es längst, als Graf von Holland seine Herrschaft [667] auch in Westfriesland zur Anerkennung zu bringen. Daß, wenn ihm dies gelang, Ostfriesland bedroht war, hatte Th. rechtzeitig erkannt und darum schon 1473 ein Bündniß mit der Stadt Groningen und den westfriesischen Landschaften abgeschlossen. Nunmehr kam zwischen dem Herzog und dem Grafen Gerhard ein Vertrag zu stande (1474), der die Unterwerfung Ostfrieslands unter das burgundische Scepter bezweckte. Allein andere umfassende Pläne hinderten den Herzog an der Ausführung, und Graf Gerhard mußte die Fehden mit seinen Nachbarn allein weiter fortsetzen. Nur vorübergehend machte der Vertrag von Quakenbrück ihnen ein Ende, bald brachen sie von neuem aus und hielten Ostfriesland noch ein volles Jahrzehnt in Athem, auch nachdem Gerhard abgedankt und die Regierung an seine Söhne abgegeben hatte. Erst 1486 verzichteten die Oldenburger auf die von Gerhard beanspruchten Theile Ostfrieslands und behielten die Entscheidung über andere einem Schiedsgerichte vor. Den Vertrag hat Th. selbst nicht abgeschlossen, sondern ihre Söhne; das Verdienst wird ihr aber nicht streitig gemacht werden können, ihn durch ihr standhaftes Verhalten und ihr entschlossenes Auftreten erst ermöglicht zu haben. Aehnlich trat sie auch Gerhard’s Verbündeten, Sirk von Friedeburg gegenüber, und als dieser 1474 ohne rechtmäßige Nachkommen starb, besetzte sie sofort dessen Burg und wußte sie, indem sie die Ansprüche seiner Verwandten anderweitig befriedigte, ihrem Hause zu erhalten (1474, 1481). Vergeblich bemühte sich der Rath von Hamburg Jahrzehnte hindurch, bei ihr die Beseitigung von Zöllen zu erwirken, die einst ihr Gemahl auf Hamburger Bier und Kaufmannsgut gelegt hatte. Im Zusammenhange damit versuchte er sein Besitzrecht an Emden und Leerort, die Hamburg 1453 an Ulrich verpfändet hatte, geltend zu machen; aber Th. setzte allen diesen Forderungen passiven Widerstand entgegen und ließ sich darin durch keinerlei kaiserliche Privilegien zu Gunsten Hamburgs beirren. Nur in einer Richtung scheiterten ihre Pläne. Sie scheint die Absicht gehabt zu haben, die Macht des gräflichen Hauses weiter nach Osten, über die Häuptlinge Ostringens, Rüstringens und Butjadingens, bis an die Weser auszudehnen. Einige Urkunden des Kaisers Friedrich III., die sie 1475 erhielt, und von denen eine den Häuptlingen und Unterthanen zwischen Ems und Weser einschärfte, Gericht von der Gräfin zu Lehen zu nehmen, deuten darauf hin. Es ist aber nicht bekannt geworden, daß diese Aufforderung eine Wirkung gehabt hat. Möglicherweise steht damit eine neuerdings als gefälscht erwiesene Urkunde in Verbindung, durch die Friedrich III. ihren Gemahl Ulrich schon 1454 zum Grafen gemacht und ihm alles Land zwischen Ems und Weser nebst allen davor liegenden Inseln als Lehen des Reiches übergeben haben soll. Ist diese Urkunde, wie es den Anschein hat, zur Zeit Theda’s, also auch mit ihrem Wissen, entstanden, so ist sie ein überaus charakteristisches Zeichen für ihre hoch gesteckten Ziele und für ihren Charakter, der selbst vor unlauteren Mitteln nicht zurückgeschreckt wäre. Beim Heranwachsen ihrer Söhne Enno, Edzard und Uko, etwa seit dem Anfang der achtziger Jahre, hat sie diesen mehr und mehr die Regierungsgeschäfte überlassen, ohne daß sie sich gänzlich davon zurückgezogen hätte. Sie mußte dann den Schmerz erleben, ihren hoffnungsvollen ältesten Sohn Enno vorzeitig zu verlieren (1491), als er im Verlauf einer romantischen Entführungsgeschichte den Entführer seiner Schwester Almuth vor Friedeburg zur Rede stellte. Th. starb am 16. September 1494 zu Greetsiel und wurde im Kloster Marienthal bei Norden beerdigt. Für ihren frommen, mildthätigen Sinn zeugt ihr Testament, in dem sie die Klöster und Kirchen, wie die Armen ihres Landes mit reichlichen Spenden bedachte.

Ostfries. Urkundenbuch I, II. – E. Beninga, Chronyk von Oostfrieslant.U. Emmius, Rerum Frisicarum historia.Wiarda, Ostfriesische [668] Geschichte, II. – v. Bippen, Hansische Geschichtsblätter, Jahrg. 1883 und 1884.